Politik

Debatte um Religion in der Öffentlichkeit Holzkreuz spaltet Polen

Eine Anhängerin Lech Kaczynskis betet vor dem Holzkreuz in Warschau.

Eine Anhängerin Lech Kaczynskis betet vor dem Holzkreuz in Warschau.

(Foto: REUTERS)

Das Holzkreuz vor dem Präsidentenpalast in Polen soll an die Toten von Smolensk erinnern. Aber aus dem Ort der Trauer ist ein Symbol der Spaltung geworden - mit enormer Sprengkraft.

Vor dem Präsidentenpalast in Warschau ragt ein schlichtes Holzkreuz in den Himmel, eine Schärpe in den polnischen Nationalfarben Rot und Weiß umweht die schmalen, langen Balken. Pfadfinder haben das Kreuz im April nach der Flugzeugkatastrophe von Smolensk aufgestellt, bei dem der polnische Staatschef Lech Kaczynski und weitere Mitglieder der Führungselite des Landes ums Leben kamen. Es sollte ein Ort der Erinnerung sein, ein Ort der gemeinsamen Trauer. Doch in den vergangenen Tagen hat sich das Holzkreuz zu einem Symbol der Spaltung entwickelt.

Debatte mit Sprengkraft

Anhänger von Kaczynskis Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die sich als Verteidigerin der christlichen Werte Polens versteht, halten vor dem Präsidentenpalast Wache, um zu verhindern, dass das Kreuz in eine Kirche verlegt wird. Im Internet hat sich dagegen eine Protestbewegung gegen das Kruzifix formiert, tausende Menschen gingen in Warschau auf die Straße. An dem Kreuz der Pfadfinder entzündet sich eine Debatte, die im erzkatholischen Polen enorme Sprengkraft hat: Es geht um den Platz der Religion im öffentlichen Raum, um das Verhältnis von Kirche und Staat.

Gegner fordern die Entfernung des Kreuzes ("Vorsicht! Kreuz-Befürworter").

Gegner fordern die Entfernung des Kreuzes ("Vorsicht! Kreuz-Befürworter").

(Foto: REUTERS)

In Polen bekennen sich 90 Prozent der Bevölkerung zum Katholizismus, der eng verwoben mit der nationalen Identität des Landes ist. In Zeiten von Fremdherrschaft und Unterdrückung durch äußere Mächte bot die religiöse Tradition den Polen immer einen gemeinsamen Bezugspunkt. Der Dichter Adam Mickiewicz stellte gar einen Vergleich her zwischen der Leidensgeschichte von Jesus Christus und den Schmerzen, die das polnische Volk in seiner Geschichte erdulden müsse.

Der Sozialpsychologe Janusz Czapinski spricht daher von einer "symbolträchtigen Front", die zwischen den Kontrahenten im Kreuzkampf verläuft. Auf der einen Seite steht das patriotische und katholische Lager um die PiS - deren Gründer der Zwillingsbruder des getöteten Präsidenten ist, Jaroslaw Kaczynski. Er hatte nach dem Tod seines Bruders dessen Nachfolger im höchsten Staatsamt werden wollen, verlor aber bei der Wahl gegen den Liberalen Bronislaw Komorowski.

"Der Platz für Kreuze ist in der Kirche"

Auf der anderen Seite tritt ein wachsender Teil der Gesellschaft für eine größere Trennung von Kirche und Staat ein. Ihre politische Heimat ist vor allem die sozialdemokratische Partei SLD. Die dritte Kraft des polnischen Parteiensystems setzt sich für eine laizistischen Staat ein und kritisiert das 1993 mit dem Vatikan geschlossene Konkordat, das der Religion eine große Rolle im öffentliche Leben einräumt.

Nach dem tragischen Flugzeugunglück vor vier Monaten hatten Pfadfinder das Kreuz vor dem Präsidentenpalast aufgestellt.

Nach dem tragischen Flugzeugunglück vor vier Monaten hatten Pfadfinder das Kreuz vor dem Präsidentenpalast aufgestellt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Keimzelle des jüngsten Protestes ist das Internet-Netzwerk Facebook, in dem sich die Gegner des Kaczynski-Kreuzes zusammenfanden. Am Montagabend verabredeten sich dann mehrere tausend vor allem jungen Polen zu einer spontanen Demonstration in Warschau. "Wir leben in einem laizistischen Staat und der Platz für Kreuze ist in der Kirche und nicht vor der Präsidentschaft", sagte etwa der Soziologiestudent Krzysztof Nowicki. Am Dienstagabend demonstrierten dann getrennt von Holzbarrikaden und einer Polizeikette sowohl Gegner als auch Befürworter des Kreuzes.

Kirche hält sich zurück


Die katholische Kirche in Polen hält sich unterdessen zurück. "Die Bischöfe haben den Konflikt nicht ausgelöst und werden ihn auch nicht lösen. Dies können nur der Präsident und die Führer der Oppositionsparteien", sagte der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Jozef Michalik, der Zeitung "Rzeczpospolita". Der liberale Ministerpräsident Donald Tusk versuchte, die Wogen zu glätten. "Hier findet keine Katastrophe statt", sagte er vor Journalisten. Allerdings werde es noch "etwas Zeit dauern, bis die Emotionen verblassen"

Quelle: ntv.de, Michel Mrozinski, AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen