Unabhängigkeit für die Metropole? Hongkonger demonstrieren gegen Peking
06.11.2016, 19:56 Uhr
		                      Manche trauern der Zeit nach, als Hongkong eine Kronkolonie Großbritanniens war.
(Foto: REUTERS)
In Hongkong gehen wieder Tausende auf die Straße und protestieren gegen die chinesische Regierung. Diesmal geht es um zwei Abgeordnete aus der Sieben-Millionen-Stadt, die Peking mit einem Tabubruch provoziert haben.
Tausende Hongkonger haben gegen Einmischung aus Peking demonstriert. Zwei Jahre nach den prodemokratischen Demonstrationen, die Teile des asiatischen Finanzzentrum wochenlang lahmgelegt hatten, ging die Polizei erneut mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Demonstranten vor. Auslöser ist ein Streit mit der chinesischen Zentralregierung in Peking über zwei neugewählte Abgeordnete im Parlament der südchinesischen Sonderverwaltungsregion, die sich für eine Unabhängigkeit Hongkongs einsetzen. Beide hatten bei der Vereidigung im Oktober den Amtseid auf provokative Weise geändert und ein Spruchband mit "Hongkong ist nicht China" gezeigt.
Der ständige Ausschuss des Volkskongresses in Peking befasste sich am Sonntag mit den Vorgängen und forderte eine Intervention, um Unabhängigkeitskräfte abzuschrecken. Die Abgeordneten seien "eine Gefahr für die nationale Souveränität und Sicherheit", zitierte die Nachrichtenagentur Xinhua den Ausschuss. Es wurde erwartet, dass die Volksvertreter möglicherweise diese Woche aus dem Hongkonger Parlament verbannt werden. Ein Beschluss dazu könnte am Montag am Ende der Sitzung des Ausschusses in Peking mit einer rechtsverbindlichen Interpretation des Grundgesetzes für Hongkong fallen.
"Ich hasse es, ein Teil von China zu sein"
Die Nachrichten lösten spontan die Proteste aus. Nach Angaben der Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" waren 13.000 Menschen auf der Straße. Die Polizei schätzte 8000. Die Demonstranten forderten, Peking solle sich aus Hongkongs Angelegenheiten heraushalten. "Die chinesische Regierung zerstört Hongkongs juristische Unabhängigkeit", sagte ein 21 Jahre alter Student. "Es ist empörend." Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China untersteht die mehr als sieben Millionen Einwohner zählende Hafenstadt zwar chinesischer Souveränität, wird aber als eigenes Territorium in ihren alten Grenzen autonom regiert.
"Die Leute vertrauen der Justiz", sagte ein anderer Demonstrant. "Sie wären nicht so verärgert, wenn ein Richter entscheiden würde." Die Proteste dauerten bis spät in die Nacht an. Demonstranten zogen zur Vertretung Pekings in Sai Wan auf der Insel Hongkong, die von Polizeikräften gesichert war. "Ich hasse es, ein Teil von China zu sein", sagte der Demonstrant. "Unser Rechtssystem und was die Menschen glauben, wie eine Regierung aussehen sollte, sind so unterschiedlich."
Vor zwei Jahren hatten Demonstranten, die freie Wahlen forderten, Straßensperren eingerichtet und Teile der Stadt über Wochen blockiert. Auslöser waren Pläne der Führung in Peking, 2017 in Hongkong zwar erstmals direkte Wahlen zu erlauben, aber eine freie Nominierung der Kandidaten zu verweigern. "Die Hongkonger haben Angst vor den chinesischen Kommunisten", sagte der 28-jährige Sozialarbeiter Gill Lee, dessen Hilfsgruppe den Aktivisten seit der "Regenschirm"-Bewegung vor zwei Jahren rechtlichen Beistand leistet.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa