Politik

Hunderte auf der Flucht Im Libanon droht Bürgerkrieg

Der Libanon steuert möglicherweise auf einen neuen blutigen Bürgerkrieg zu. Kämpfer der pro-iranischen Miliz Hisbollah und der schiitischen Amal-Bewegung brachten mehrere Viertel im Zentrum Beiruts unter ihre Kontrolle.

Mehrere hundert Menschen, unter ihnen Deutsche, syrische Arbeiter und andere Ausländer, seien auf dem Weg zur syrischen Grenze, berichteten Journalisten der Nachrichtenagentur AFP vor Ort. Männer, Frauen und Kinder seien in Scharen an den beiden Grenzposten Arida im Norden und Masnaa im Osten des Libanon angekommen und versuchten, das Land zu verlassen.

Die kuwaitische Botschaft in Beirut brachte am Freitag rund 150 kuwaitische Staatsbürger mit Bussen außer Landes. Die Straße zum Flughafen Beirut blockieren seit Mittwoch Kämpfer der Hisbollah. Auch einer der Grenzübergänge zu Syrien ist unpassierbar. Die deutsche Botschaft plant bislang keine Evakuierung. Das Auswärtige Amt rät aber inzwischen dringend von Reisen in den Libanon ab.

Mindestens 15 Tote

Nach Angaben von Krankenhausärzten wurden seit Donnerstagabend in der Hauptstadt mindestens 13 Menschen getötet. Zwei weitere Menschen kamen in der Stadt Chaldeh südlich von Beirut ums Leben. Insgesamt mehr als 60 Menschen wurden verletzt.

Unter den Opfern waren auch unbewaffnete Passanten. Ein Krankenhausmitarbeiter sagte, die Leiche eines enthaupteten Sunniten sei in das Leichenschauhaus der Klinik gebracht worden: "Seine Verwandten behaupteten, militante Schiiten hätten ihn in seiner Wohnung im Stadtteil Ras al-Nabaa getötet."

In der Innenstadt waren den ganzen Tag über immer wieder Maschinengewehrsalven und das Explodieren von Granaten zu hören. Die Armee, die einige Gebäude schützte, ließ zu, dass die schiitischen Kämpfer auch in den vorwiegend von Sunniten bewohnten Stadtteilen Stellung bezogen. Die Kämpfe hatten Donnerstag begonnen, nachdem Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah erklärt hatte, die Regierungsmehrheit habe der Opposition "den Krieg erklärt".

"Es war die Hölle"

Die Innenstadt von Beirut war am Freitagnachmittag mehr oder weniger ausgestorben, nachdem viele Familien aus ihren Häusern in sicherere Gebiete im christlichen Osten der Stadt geflohen waren. Maskierte Schützen standen auf vielen Dächern. "Wir haben die Nacht im Badezimmer verbracht, weil es dort am sichersten war, es war die Hölle", sagte Salwa Hitti, die mit ihrer Familie im Zentrum wohnt.

Am Morgen hatten Hisbollah-Kämpfer das Büro der Zeitung "Al- Mustaqbal" (Die Zukunft) mit Maschinengewehren und Granaten unter Beschuss genommen. Die Zeitung gehört zum Medienkonzern der sunnitischen Hariri-Familie, die mit dem pro-westlichen Ministerpräsidenten Fuad Siniora verbündet ist. Sie zogen nach Angaben der Journalisten erst ab, als Soldaten eintrafen. Der 2005 ermordete Milliardär und Ex-Ministerpräsident Rafik Hariri war der "Vater des Wiederaufbaus von Beirut" nach dem Ende des Bürgerkrieges (1975-1990) gewesen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte nach einem Telefonat mit Siniora: "Ich fordere alle Parteien dringend auf, ihre bewaffneten Anhänger zurückzuziehen, die Waffen niederzulegen und das Gewaltmonopol des libanesischen Staates anzuerkennen." Er sei zutiefst besorgt über die Eskalation der Gewalt im Libanon.

Iran stellt Bedingungen - Libanon als Faustpfand?

Saudi-Arabien und Jordanien, die beide die Siniora-Regierung unterstützen, forderten die Einberufung einer Sondersitzung der Arabischen Liga in Kairo. Nach Informationen arabischer Diplomaten soll das Herrscherhaus von Saudi-Arabien schon in den vergangenen Tagen geheime Gespräche mit dem Iran geführt haben. Teheran habe den Saudis angeboten, sich für eine Beendigung der Krise zwischen dem pro-westlichen Lager und der von der Hisbollah geführten Opposition einzusetzen. Im Gegenzug solle Saudi-Arabien seinen strategischen Partner USA davon überzeugen, den Iran wegen seines Atomprogramms nicht mehr so stark unter Druck zu setzen.

Die EU rief die Konfliktparteien auf, die Kämpfe sofort zu beenden. Der Weltsicherheitsrat hatte zuvor an Alle appelliert, Ruhe und Zurückhaltung zu bewahren. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas rief die rund 400.000 Einwohner der Flüchtlingslager im Libanon auf, sich aus dem Konflikt herauszuhalten.

Quelle: ntv.de

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