Flüchtlingsbilanz positiv Integration kommt gut voran
19.08.2020, 18:45 Uhr
Die Schule ist für die allermeisten Flüchtlingskinder in Deutschland ein Ort, an dem sie sich inzwischen wohlfühlen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Vor rund fünf Jahren sagte Kanzlerin Merkel "Wir schaffen das" und ermunterte die Deutschen, die vielen syrischen Flüchtlinge im Land zu integrieren. Das geht gut voran, bilanziert nun eine erste Studie.
Die Deutschen machen sich weniger Sorgen über Zuwanderung. Nur noch für ein Drittel der Menschen, 32 Prozent, ist Zuwanderung etwas, das ihnen "große Sorgen" bereitet. Im Jahr 2016 hatte noch fast die Hälfte der Befragten in einer repräsentativen Umfrage angegeben, wegen Zuwanderung stark beunruhigt zu sein.
"Die Deutschen haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass der starke Zuzug von Flüchtlingen abgenommen hat", sagt Katharina Spieß, Professorin für Familien- und Bildungsökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), im Gespräch mit ntv.de. Gemeinsam mit Kollegen hat sie untersucht, wie weit Flüchtlinge, die in den Jahren 2013 bis 2016 nach Deutschland kamen, integriert sind.
Zur Entspannung der Einheimischen hat nach ihrer Ansicht auch der direkte Kontakt mit Geflüchteten beigetragen. "In den Städten war die Sorge von Beginn an geringer. In den Regionen hat man sich kennengelernt", sagt Spieß.
Für diesen Kontakt zu Einheimischen war ein Arbeitsplatz offenbar weniger entscheidend als viele 2015 angenommen haben: Knapp die Hälfte der Befragten hat Kontakt zu Deutschen bekommen, und das vor allem in Freundeskreis und Nachbarschaft. Der Job spielte eine geringere Rolle.
Nachbarn und Freunde sind entscheidend
"Daran kann man sehen, wie wichtig die Unterbringung ist", erläutert Spieß. "Wohnen Geflüchtete in einer Wohnung mit Nachbarschaft, dann lernen sie deutlich mehr Deutsche kennen als solche, die noch in Gemeinschaftsunterkünften leben."
Wichtig gerade für Mütter aus Flüchtlingsfamilien ist die Kita in Deutschland, so ergaben es Analysen von Spieß und Co-Autoren. Über jene integrieren sich nicht nur die kleinen Kinder, sondern auch häufig die Mütter, die meist nicht zur Arbeit gehen, sondern für die Familie zuständig sind. "Viele Geflüchtete haben sehr junge Kinder", sagt Spieß. "Darum kann man geflüchtete Frauen gut über die Kita erreichen. Familienzentren mit Sprachkursen können viel bewirken, ohne dass der Besuch stigmatisierend ist." Durch den Austausch mit anderen Eltern entwickelten auch mehr Mütter den Wunsch, selbst arbeiten zu gehen.
Die wachsende Gelassenheit der Einheimischen mit Blick auf Zuwanderer wird flankiert von zunehmend positiven und erfolgreichen Lebenswegen der Geflüchteten. Dabei bestätigt sich, was auch zu Beginn des Zuzugs vieler syrischer Familien angenommen wurde: Die Schule ist der Studie zufolge ein zentraler Angelpunkt für zugewanderte Kinder. Für Zwölfjährige gilt zum Beispiel, dass sie zu mehr als 90 Prozent mit ihren Freundinnen und Freunden inzwischen deutsch sprechen.
Hoffnung auf Arbeit hat sich für viele erfüllt

Für ein Drittel der Flüchtlinge hat sich die Hoffnung auf Arbeit in Deutschland erfüllt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Für mehr als 80 Prozent aller geflüchteten Kinder und Jugendlichen ist die Schule demnach ein Ort, an dem sie sich wohlfühlen. Weniger gut sind junge Flüchtlinge in Freizeitgruppen und Sportvereine eingebunden. Sie nehmen nur halb so oft wie ihre deutschen Mitschüler an Schul-AGs teil. Noch seltener sind sie im Vereinssport vertreten.
Für etwa ein Drittel der nach Deutschland Geflüchteten hat sich der Untersuchung zufolge die Hoffnung erfüllt, möglichst schnell eine Arbeit zu finden. Ein weiteres Drittel wurde hier enttäuscht. 11 Prozent der Flüchtlinge kamen in Arbeit, ohne das erwartet zu haben. Die meisten Flüchtlinge brachten offenbar gute Voraussetzungen mit, da sie in ihrer Heimat zu besser gebildeten Hälfte der Gesellschaft gehörten. Dies trifft etwa auf drei Viertel der nach Deutschland geflüchteten Syrer zu. Besonders für Frauen spielte die Aussicht auf Arbeit jedoch eine kleinere Rolle, entsprechend arbeitet die Mehrzahl nicht, sondern kümmert sich - der Tradition entsprechend - um die Familie.
Aus Sicht der DIW-Autorinnen und -Autoren ist Deutschland laut seiner Zwischenbilanz auf einem guten Weg, die 2013 bis 2016 angekommenen Flüchtlinge weiter zu integrieren. Der Prozess laufe weiter, es wäre ein Fehler, Initiativen und Unterstützung nun nach wenigen Jahren schon auslaufen zu lassen. "Für Frauen etwa müssen wir mehr tun", sagt Spieß. "Dabei sollten wir vor allem das Potential nutzen, das die mit ihren Familien geflüchteten Kinder bieten."
Quelle: ntv.de