Wulff sollte "Anwälte an die Leine legen" Interview passt nicht zu Fakten
11.01.2012, 11:11 Uhr
Hält der Bundespräsident noch immer Fakten zurück?
(Foto: REUTERS)
Die Person Christian Wulff beschäftigt weiter die Öffentlichkeit. Parteikollegen fordern ihn auf, sich über seine Anwälte hinwegzusetzen und alle von ihm zugesagten Veröffentlichungen tatsächlich auch zu bringen. Derweil könnte der Bundespräsident erneut in Erklärungsnot geraten: Seine Angaben über kostenlose Urlaube bei Unternehmerfreunden sollen sich nicht mit den Fakten decken.
Der CDU-Politiker Peter Altmaier hat Bundespräsident Christian Wulff aufgefordert, seine "Anwälte an die Leine" zu legen. Wulff sollte die von ihm zugesagten Details zu seiner Kreditaffäre nicht zurückhalten und gegen den Willen seiner Anwälte veröffentlichen, schreibt der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Kurznachrichten-Dienst Twitter. Dem "Hamburger Abendblatt" hatte er zuvor gesagt, er halte es für unglücklich, "wenn der Eindruck entstünde, dass die Anwälte des Bundespräsidenten jetzt hinter dem zurückblieben, was er selbst in einem Fernsehinterview angekündigt hat".
Vor einer Woche hatte Wulff im Interview mit ARD und ZDF angekündigt, auf die bis dahin 400 eingereichten Fragen gebe er gerne 400 Antworten. Er wolle mit der Transparenz neue Maßstäbe setzen. Seine Anwälte würden noch am Folgetag "alles ins Internet einstellen". Jeder Bürger könne dann jedes Detail bewerten. Dies war allgemein so verstanden worden, als werde er sämtliche Antworten auf Anfragen von Medien öffentlich machen.
Wulffs Anwalt Gernot Lehr hatte im Gespräch mit n-tv.de gesagt, dass der dazu geführte Schriftverkehr zwischen Anwälten und Dritten unter die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht falle. "Aus diesem Grund sowie aus Gründen der praktischen Handhabbarkeit für alle Beteiligten" sei eine zusammenfassende Stellungnahme erfolgt und auf den Internetseiten der Kanzlei veröffentlicht worden.
Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Kubicki kritisierte diese Begründung. "Jemand, der heute noch durch seinen Anwalt erklären lässt, er könne die 400 Fragen der Journalisten nicht veröffentlichen, weil die anwaltliche Schweigepflicht tangiert ist, der verdummt die Menschen", sagte er bei n-tv. Der Jurist unterstrich: "Es gibt nur ein Mandatsverhältnis zwischen dem Anwalt von Wulff und Wulff. Wenn Herr Wulff sagt, es kann alles veröffentlicht werden, kann alles veröffentlicht werden." Anwalt Lehr hatte für Wulff die Fragen zu der Affäre beantwortet.
Neue Erkenntnisse zum Italien-Urlaub
Wulffs Anwälte präzisierten auch dessen Angaben zu einem kostenlosen Urlaub in der italienischen Villa eines Versicherungsmanagers. Dem Magazin "Stern" bestätigten sie Anwälte, dass der Manager Wolf-Dieter Baumgartl 2008 während des Aufenthalts der Eheleute Wulff in seinem Haus im italienischen Castglioncello nur "teilweise anwesend" gewesen sei. Sie gaben außerdem zu, dass auch das Hauspersonal der Villa "einige Dienstleistungen für das Ehepaar Wulff erbracht hat".
Das Staatsoberhaupt hatte in seinem Fernsehinterview zur Kredit- und Medienaffäre mit Blick auf seine Urlaube auf Norderney und in Italien gesagt, er stehe zu diesen kostenlosen Urlauben bei Freunden und dazu, "mit den Freunden zusammen zu kochen, zu frühstücken, im Gästezimmer zu schlafen".
Baumgartl war Vorstandschef und ist seit Juli 2006 Aufsichtsratschef des Hannoveraner Versicherungskonzerns Talanx. Im Interview hatte Wulff gesagt, Baumgartl sei "sozusagen Pensionär". Wulffs Darstellung in dem TV-Interview passe damit "nicht vollständig zu den Fakten", heißt es im "Stern".
Neben seinen Gratisurlauben bei Unternehmerfreunden steht Wulff bereits wegen eines Hauskredits von 500.000 Euro der Unternehmergattin Edith Geerkens, fragwürdigen Aussagen vor dem niedersächsischen Landtag, eines günstigen Nachfolgekredits bei der BW-Bank sowie der versuchten Einflussnahme auf Medienberichte zur Kreditaffäre.
Weiteres Buch sorgt für Fragen
Auch ein erst jetzt bekanntgewordenes Buchprojekt von Wulff wirft neue Fragen auf. So soll ein Wulff-Freund Geld an einen Autor gezahlt haben, der ein Buch über den damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen geschrieben hat.
"Es war offenbar nicht alles auf den Tisch gelegt worden, was gegenüber der Öffentlichkeit (...) mitteilenswert war", kritisierte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Das Versprechen der Transparenz sei nicht gehalten worden. Daran trügen offenbar auch Wulffs Anwälte eine Mitschuld.
SPD kann nicht profitieren
Ungeachtet der Kritik an Wulff kann die Union im Ansehen der Wähler einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge zulegen. Danach klettert sie im Vergleich zur Vorwoche um einen Punkt auf 36 Prozent. Die SPD kann aus der Affäre Wulff kein Kapital schlagen: Sie verliert zum zweiten Mal in Folge einen Punkt und fällt auf 26 Prozent zurück. Die Grünen verbessern sich um zwei Punkte auf 16 Prozent. Die Piratenpartei hält sich bei acht, die Linken verlieren einen Punkt und kommen auf sieben Prozent.
Gauck bleibt Favorit für theoretische Nachfolge
Sollte es doch noch zu einem Rücktritt von Bundespräsident Wulff kommen, wäre der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck laut Forsa ein Favorit für die Nachfolge. 31 Prozent der Bürger gaben an, sie würden gerne Gauck als Bundespräsident sehen. Im Juni 2010 war er als Kandidat von Rot-Grün Wulff in der Bundesversammlung unterlegen.
In der Befragung standen sieben Personen zur Auswahl, die für eine Nachfolge eventuell in Frage kommen könnten. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wollen bei einem Rücktritt Wulffs elf Prozent der Bürger als neue Präsidentin sehen. Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann können sich neun Prozent der Befragten im Schloss Bellevue vorstellen. Dahinter folgen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering mit je sieben Prozent Zustimmung. Kaum Zustimmung fanden Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Wulff lässt trotz seiner Affäre allerdings keine Ambitionen für einen Rücktritt erkennen.
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer forderte ein Ende die Debatte. "Wir sollten jetzt einen Schlussstrich ziehen", sagte der bayerische Ministerpräsident. Dies sei "im Interesse unseres Landes".
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP