Politik

Es geht um Imageverlust und Geld Iren stimmen über Fiskalpakt ab

Für viele Iren ist der Vertrag ein Schreckgespenst, das ihnen die Demokratie in eigenen Land kosten könnte. Angela Merkel sehen sie als die treibende Kraft.

Für viele Iren ist der Vertrag ein Schreckgespenst, das ihnen die Demokratie in eigenen Land kosten könnte. Angela Merkel sehen sie als die treibende Kraft.

(Foto: dpa)

Die Verfassung Irlands verlangt von seinen Bürgern eine Abstimmung über den Fiskalpakt. Die Iren sind damit die einzigen in der EU, die direkt Einfluss auf die europäische Finanzpolitik nehmen können. So wird das Land wieder einmal zum Testfall für einen EU-Vertrag. Allerdings könnte ein Nein kostspielige Folgen für die Insel haben. Heute wird entschieden.

Alle großen Parteien stimmen für Ja, die Linke und die Gewerkschaften sind dagegen.

Alle großen Parteien stimmen für Ja, die Linke und die Gewerkschaften sind dagegen.

(Foto: AP)

Wieder einmal die Iren, heißt es im restlichen Europa: Wenn heute die Menschen im Süden der grünen Insel per Referendum über den EU-Fiskalpakt abstimmen, blicken Berlin, Paris und Brüssel voller Hochspannung auf das Geschehen in der kleinen Republik am Nordwestrand der EU. Begehren die Iren wieder einmal auf und stellen einen wichtigen EU-Vertrag infrage? Dies taten sie nämlich schon zweimal: 2001 bei den Nizza-Verträgen und vor allem 2008, als der Lissabon-Vertrag durch ein Nein der Iren verzögert wurde.

Mit einer ähnlichen Überraschung wird diesmal nicht gerechnet. In der letzten Umfrage vor der Abstimmung erreichten die Befürworter 49 Prozent. Die Gegner kamen bei der Erhebung der "Sunday Business Post" auf 35 Prozent und die Unentschlossenen auf 16 Prozent. Die Stimmung begann sich zu drehen, als Frankreichs neuer Präsident François Hollande das Ende der Sparpolitik in Europa forderte.

Die Iren sind die einzigen in der EU, die über den Fiskalpakt abstimmen dürfen.

Die Iren sind die einzigen in der EU, die über den Fiskalpakt abstimmen dürfen.

(Foto: AP)

Der von Deutschland angestoßene Fiskalpakt kann aber auch ohne das irische Ja in Kraft treten. Lediglich zwölf von 17 EU-Ländern müssen den Pakt ratifizieren. Sollten die irischen Wähler doch nicht grünes Licht geben, dürften dem früheren "Keltischen Tiger" teuer zu stehen kommen, weil ihm die ESM-Hilfen nach Ablauf des Rettungsprogramms Ende 2013 verwehrt bleiben könnten.

Ein Nein schürt die Angst vor Imageverlust

Alle großen politischen Parteien - neben der Koalitionsregierung aus der konservativen Fine Gael und der sozialdemokratischen Labour-Partei auch die oppositionelle Fianna Fail - sind erklärtermaßen für ein "Ja" zum Fiskalpakt. "Die Eurozone ist gefährdet und Irland darf nichts tun, um sie über die Kante zu schubsen", sagt Oppositionsführer und Ex-Außenminister Micheal Martin. Lediglich ganz am linken Flügel, wo der ehemalige IRA-Sympathisant und jetzige Sinn-Fein-Parlamentarier Gerry Adams gemeinsam mit einigen Gewerkschaften Stimmung macht, regt sich politischer Widerstand.

"Die Ja-Kampagne läuft nicht etwa so gut, weil sie gut geführt ist, sondern wegen der Stimmung im Land. Es herrscht die Angst, außen vor zu bleiben", sagte der Politikwissenschaftler Eoin O'Malley von der Dublin City University. "Die Iren sind froh, dass sie nicht in den Nachrichten sind." Die Befürchtungen, dass Griechenland nach den Wahlen am 17. Juni die Euro-Zone verlassen könnte, haben auch auf der grünen Insel die Ängste vor weiteren Problemen geschürt.

Sparanstrengungen zeigen Wirkung

Der Fiskalpakt

Mit dem am 2. März in Brüsselunterschriebenen Vertrag verpflichten sich die Unterzeichnerländer, striktere Haushaltsdisziplinzu befolgen als bisher vereinbart. So darf das strukturelle Defizit fortan die Grenzevon 0,5 Prozent des BIP nicht überschreiten - anstatt wie nach EU-Recht bislang1,0 Prozent.

Die Unterzeichner sollennach dem Vorbild Deutschlands eine verpflichtende Schuldenbremse im nationalen Rechtverankern.

Im Fall eines Verstoßesgegen die Regeln werden automatisch Strafverfahren ausgelöst, die nur durch ausdrücklichesMehrheitsvotum der Unterzeichnerstaaten gestoppt werden können. Verankert ein Landdie Schuldenbremse nicht im nationalen Recht, droht eine Klage vor dem EuropäischenGerichtshof und die Zahlung einer Geldbuße von bis zu 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Nur wer den Fiskalpakt einhält,soll Hilfszahlungen aus dem ESM bekommen können. Kern der Unterzeichner-Länder sinddie 17 Euro-Staaten, hinzu kommen acht Nicht-Euro-Länder. Großbritannien und Tschechienbeteiligen sich bislang nicht.

Die Nein-Sager begründen ihre Haltung mit den Folgen der Sparprogramme. Der Staat leidet weiter unter den Kosten für das kollabierte Bankensystem und der anhaltenden Immobilienkrise. Der Wert der meisten Wohnhäuser und Eigentumswohnungen ist eingebrochen. Die Iren konsumieren heute zwölf Prozent weniger als noch 2007. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 14 Prozent. Trotzdem erhielt die Regierung in Dublin in jüngster Zeit viel Lob dafür, dass sie schnell handelte und hart durchgriff.

Irland ist konkurrenzlos günstig

Experten rechnen damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,7 Prozent wächst. Das Geschäftsmodell Irlands fußt darauf, dass internationale Unternehmen von der grünen Insel aus in die Eurozone exportieren. Whiskey und Butter, Botox und Viagra gehen von Irland aus in viele Länder Europas. Weltkonzerne wie IBM, Pfizer, Google, Facebook oder Cisco haben ihre Europa-Hauptquartiere bewusst nach Irland verlegt, und damit in die Eurozone - die konkurrenzlos günstige Unternehmenssteuer machten das möglich. Die irische Regierung will auf keinen Fall, dass die Abstimmung über den Fiskalpakt für neue Unruhe sorgt. Irlands Finanzminister Michael Noonan betonte wohl auch deswegen, dass die Abstimmung bei einem Ja das Vertrauen in Irland noch ausbauen könnte.

Milliarden-Hilfen könnten ausbleiben

Hürden für Fiskalpakt in Deutschland

Bundestag und Bundesratmüssen dem Fiskalpakt mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Bundeskanzlerin AngelaMerkel braucht daher auch Stimmen aus der Opposition - die stellt dafür jedoch Bedingungen.Die SPD will etwa, dass parallel zu dem Pakt ein umfangreiches Wachstums- und Beschäftigungsprogrammauf den Weg gebracht wird. Ähnliche Forderungen kommen von den Grünen. Für den 13.Juni ist ein weiteres Spitzentreffen von Regierung und Opposition angesetzt, umeine Einigung zu erreichen.

Die Iren waren Ende 2010 mit 67,5 Milliarden Euro aus Mitteln von EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank vor dem Staatsbankrott gerettet worden. Spätestens in der zweiten Hälfte 2013 wollen sie sich wieder selbst Geld an den Märkten beschaffen - bis dahin reichen die Hilfsmilliarden. Klappt die Rückkehr an die Märkte nicht oder nicht rechtzeitig, muss die internationale Gemeinschaft vielleicht ein zweites Mal in die Spur. Das geht nur, wenn Irland am Fiskalpakt teilnimmt und damit Zugriff auf den neuen Sicherheitsmechanismus ESM hat.

Die Folge der Milliardenhilfen aus Europa war für die Iren der Zwang zu herben Einschnitten. Sieben Sparhaushalte in Folge haben Premierminister Enda Kenny und sein Vorgänger Brian Cowen ihren Landsleuten schon zugemutet. Die fetten Jahre sind vorbei und damit auch die Privilegien. Die Iren müssen jetzt Grundsteuer auf ihre Häuser zahlen und auch das Trinkwasser ist künftig nicht mehr umsonst. Die Mehrwertsteuer stieg von 21 auf 23 Prozent.

Das krisenerprobte irische Volk liebt dies nicht. Proteste nehmen zu. Viele weigern sich einfach, etwa die neue Grundsteuer zu zahlen. Vor allem junge Leute verlassen reihenweise das Land. Zudem ist es in Irland Tradition, mit Abstimmungen nicht nur über das eigentliche Thema zu urteilen, sondern auch über die Arbeit der Regierung, die unter allen Umständen die Zukunft Irlands in der Eurozone sichern will. Und die Unzufriedenheit mit Kenny und Co. wächst.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts

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