Politik

Irakische Regierung völlig hilflos Islamisten fallen in Baidschi ein

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Während in Mossul noch die Überreste der irakischen Armee vor sich hin qualmen, ist die Terrorgruppe Isis längst einen Schritt weiter: Mit atemberaubender Geschwindigkeit stoßen die Islamisten nach Süden vor und erobern die strategisch wichtige Stadt Baidschi - kampflos.

Kämpfer der islamistischen Terrorgruppe Isis setzen ihren Vormarsch im Nordirak fort. Einen Tag nach der Machtübernahme in der zweitgrößten irakischen Stadt Mossul haben die selbst ernannten Gotteskämpfer auch die Industriestadt Baidschi unter ihre Kontrolle gebracht. "Aufständische des 'Islamischen Staats im Irak und Syrien' (Isis) sind über Nacht aufmarschiert und haben das Gerichtsgebäude sowie eine Polizeiwache im Stadtzentrum in Brand gesteckt", berichtete ein Sicherheitsvertreter. dem unabhängigen Fernsehsender Al-Sumaria News. Zudem hätten die Extremisten Waffen der Streitkräfte beschlagnahmt. Baidschi liegt auf dem Weg vom Norden in Richtung Bagdad und ist wegen seiner Ölraffinerie und seines Kraftwerkes von wirtschaftlicher Bedeutung.

Die Extremisten sind nach Angaben eines Bewohners mit rund 60 Fahrzeugen in die Stadt eingedrungen und haben ihren Vorstoß zuvor bei den wichtigsten Stammesfürsten der Stadt angekündigt und davor gewarnt, sich ihnen entgegenzustellen. Sie forderten Polizei und Armee auf, ihre Waffen niederzulegen. Den Sicherheitskreisen zufolge zogen sich rund 250 Wachmänner der Öl-Raffinerie zurück, nachdem ihnen sicheres Geleit gewährleistet wurde. Die Raffinerie in Baidschi versorgt die meisten Provinzen des Landes.

Vorausgegangen waren dem dammbruchartigen Vorrücken der Islamisten viertägige Gefechte um Mossul. Tausende Menschen flohen aus der Stadt nach Norden in die angrenzenden Kurdengebiete, während die Armee auf ihrem Rückzug Munitions- und Treibstofflager in Brand setzte. Ministerpräsident Nuri al-Maliki forderte das Parlament auf, den Ausnahmezustand auszurufen. Darüber soll in einer Dringlichkeitssitzung am Donnerstag entschieden werden.

"Wie in der Hölle"

Ein Reuters-Reporter sah in den Straßen der Stadt viele zum Teil verstümmelte Leichen von Soldaten und Polizisten. "Die Einheiten von Armee und Polizei haben ihre Posten verlassen und die Terroristen der Isil haben völlig die Kontrolle übernommen", sagte ein Oberst der irakischen Armee. Ein Universitätsdozent beschrieb, wie die schwarzen Banner der Sunniten nun über den meisten Regierungsgebäuden wehten. Er versuchte, mit seiner Frau und seinen drei Kindern aus der Stadt zu entkommen. "In Mossul ist es jetzt wie in der Hölle", sagte eine Mutter, die ebenfalls versuchte, sich mit ihren Kindern in Sicherheit zu bringen. Die Stadt "steht in Flammen und der Tod ist überall".

Zwei Offiziere sagten, der Befehl zum Rückzug sei erteilt worden, nachdem die Islamisten den Militärstützpunkt Ghislani eingenommen und mehr als 200 Insassen eines Hochsicherheitsgefängnisses freigelassen hatten. Mehreren Insidern zufolge wurden aus einem anderen Gefängnis mehr als 1000 Häftlinge befreit, bei denen es sich überwiegend um Islamisten handle. Vor ihrer Flucht tauschten Polizisten ihre Uniformen gegen Zivilkleidung und warfen ihre Waffen weg. "Wir können sie nicht besiegen. Es geht nicht", sagte einer von ihnen. "Sie sind für den Straßenkampf gut ausgebildet und wir nicht. Wir brauchen eine ganze Armee, ums sie aus Mossul zu vertreiben."

Al-Maliki bat in einer Rede die internationale Gemeinschaft um Hilfe beim Kampf seines Landes gegen den Terrorismus und forderte die Ausrufung des Notstandes. Parlamentspräsident Osama Nudschaifi rief den Präsidenten der irakischen Kurden auf, seine Peschmerga-Miliz nach Mossul zu schicken und die Stadt zurückzuerobern. Auch er sprach von Terroristen. Der ehemalige Maliki-Berater Ibrahim al-Sumeide'i forderte den Ministerpräsidenten zum Rücktritt auf, damit eine Regierung der nationalen Rettung gebildet werden könne. Al-Sumeide'i hat sich mit dem Premier überworfen. Mit der Eroberung Mossuls und Baidschis habe es Isil geschafft, ihre Fronten im Irak und in Syrien zusammenzuführen, sagte er. "Sie haben ihr Ziel erreicht."

Die Organisation ist in beiden Staaten aktiv. Isil verfolgt zwar eine ähnliche Ideologie wie die Al-Kaida. Ihr Chef Abu Bakr al-Baghdadi ignoriert jedoch die Anweisung der international bekannteren Gruppe, die Kämpfe in Syrien einzustellen und sich auf den Irak zu konzentrieren. Im syrischen Bürgerkrieg hat Isil in den vergangenen Wochen große Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht, überwiegend bei Kämpfen gegen andere Oppositionsgruppen.

Quelle: ntv.de, jve/rts/dpa

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