Massendemo auf Kairoer Tahrir-Platz Islamisten fordern Militär heraus
22.06.2012, 21:01 Uhr
Mursi schlug zuletzt versöhnliche Töne an - rief aber auch zu den Protesten auf.
(Foto: dpa)
Ägypten steht ein Machtkampf zwischen dem Obersten Militärrat, den Muslimbrüdern und der Protestbewegung bevor. Letztere verbünden sich, um gegen die Auflösung des Parlaments und die Machtbeschränkung des Präsidenten zu protestieren. Zehntausende Menschen ziehen dazu auf den Kairoer Tahrir-Platz.
Zehntausende Menschen sind auf den Tahrir-Platz in Kairo geströmt, um vom regierenden Militärrat die Rückkehr zu einer zivilen Regierung zu verlangen. Zu der Kundgebung hatte die konservativ-religiöse Muslimbruderschaft aufgerufen, die ihren Kandidaten Mohammed Mursi als Sieger der Stichwahl um die Präsidentschaft am vergangenen Wochenende betrachtet. Dem Aufruf schlossen sich linke und säkulare Gruppen und Bewegungen an. Die Demonstranten hätten das Recht zu protestieren, so lange sie nicht den Alltag störten, teilte die Militärregierung mit.
Nach der Verschleppung der Bekanntgabe der Stichwahlergebnisse und der schleichenden Machtergreifung durch die Generäle bahnt sich die möglicherweise folgenschwerste Konfrontation seit 16 Monaten zwischen der "Straße" und der herrschenden Militärelite in Ägypten an.
In den vergangenen acht Tagen hatte der Oberste Militärrat das erst zur Jahreswende gewählte Parlament aufgelöst und die Vollmachten des neuen Präsidenten drastisch eingeschränkt. Zugleich , den Sieger der Stichwahl um die Präsidentschaft, wie ursprünglich vorgesehen, am Donnerstag bekanntzugeben. Sie berief sich auf die angeblich hohe Zahl von Einsprüchen gegen den Wahlablauf.
Protestler und Islamisten bilden Allianz
Beide Kandidaten, der Islamist Mursi und Husni Mubaraks letzter Ministerpräsident, der Ex-Luftwaffengeneral Ahmed Schafik, geben sich seit der Wahlnacht als Sieger. Unabhängige Beobachter sehen eher Mursi vorne. Die Streitkräfte kritisierten nun, dass sich beide Kandidaten zu Wahlsiegern erklärt hatten. Mursi verzichtete derweil auf seinen Anspruch, gewählter Präsident zu sein. Er bemühte sich um versöhnliche Töne und bezeichnete die Militärs als Patrioten.
Während die Menschen zum Tahrir-Platz gingen, rief der Militärrat die Bürger des Landes dazu auf, die Entscheidungen der Wahlkommission und der Justizorgane zu respektieren. Zugleich rechtfertigte das Gremium in seiner Stellungnahme, die über die Staatsmedien verbreitet wurde, die jüngsten Verfassungsänderungen. Diese seien "unumgänglich, um das Land in dieser kritischen Lage zu regieren", hieß es darin.
Die Machtbestrebungen des Militärs drängen die Islamisten, die beim Sturz Mubaraks nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatten, und die säkulare Umsturzbewegung vom Januar und Februar 2011 zunehmend in eine Allianz. Die Jugendbewegung 6. April, der prominente Internet-Aktivist Wael Ghonim und andere Personen aus der damaligen Anti-Mubarak-Front erklärten, sie würden die islamistischen Gruppen bei ihrem Kampf gegen das Militär unterstützen, so lange dieses über die anvisierte Übergangszeit hinaus an der Macht im Staat festhalte.
"Allianz der Legitimität und Demokratie"
Dies dürfe nicht als Unterstützung für die Muslimbruderschaft aufgefasst werden, sondern als "Allianz der Legitimität und Demokratie gegen Mubaraks Regime und sein Militär", sagte Ghonim. Der IT-Manager war Anfang 2011 der treibende Motor hinter den Webseiten, die die Massenbewegung gegen Mubarak inspirierten und vorantrieben.
In den Mittelpunkt der Konfrontation der Islamisten und Bürgerbewegung mit dem Militär rückt erneut der Tahrir-Platz. Der Rundplatz in der Mitte von Kairo war schon das Epizentrum der Massenproteste gegen den Langzeitpräsidenten Mubarak. Seine Vollmachten übernahm damals der Oberste Militärrat - wie man meinte - provisorisch.
Bereits die Nacht hatten Tausende Demonstranten auf dem zentralen Platz verbracht. Sie wollen erst wieder abziehen, wenn Mursi zum Sieger erklärt ist und die Militärs die Verfassungsänderungen zurücknehmen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts