Politik

Machtkampf in Kiew Janukowitschs gerissener Poker

Wie geht es weiter in der Ukraine? Auch nach der Unterzeichnung des gemeinsamen Abkommens herrscht Misstrauen zwischen Klitschko und Janukowitsch.

Wie geht es weiter in der Ukraine? Auch nach der Unterzeichnung des gemeinsamen Abkommens herrscht Misstrauen zwischen Klitschko und Janukowitsch.

(Foto: dpa)

In Kiew endet ein Verhandlungsmarathon. Präsident Janukowitsch und die Opposition unterzeichnen ein Abkommen. Aber was ist das Papier wert? Vieles spricht dafür, dass der ukrainische Knoten noch längst nicht gelöst ist.

Übergangsregierung, Rückkehr zur Verfassung von 2004 und vorgezogene Wahlen: Das ist der Fahrplan, der die Ukraine aus der Krise führen soll. Na endlich, ein großer Erfolg - das möchte man meinen. Bemerkenswert erscheint auch die Rolle der Fraktion um Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski. Kaum sitzen die Außenminister aus Deutschland, Frankreich und Polen mit am Tisch, gibt es Bewegung. Löst sich nun also der Knoten in Kiew? Von wegen. Tatsächlich gibt es große Zweifel daran, dass die in dem Abkommen ausgehandelten Kompromisse der Ukraine wirklich weiterhelfen.

Das liegt vor allem an Viktor Janukowitsch, der weiterhin auf Zeit spielt. Die Opposition drängte in den Verhandlungen auf sofortige Neuwahlen, der umstrittene Amtsinhaber setzte jedoch durch, dass die Ukrainer erst im Zeitraum September bis Dezember wählen dürfen. Immerhin stimmte das ukrainische Parlament bereits am Nachmittag für die Verfassungsänderung. Den Beweis, dass ihm die Zugeständnisse ernst sind, die seine Machtbefugnisse reduzieren, muss der Präsident allerdings noch erbringen.

Keine vertrauensbildende Maßnahmen

Janukowitschs Verhalten ist dubios. Noch am Mittag hatte er sich zu einem merkwürdigen Alleingang entschlossen und der Öffentlichkeit kurzerhand ein Arbeitspapier als vermeintlich fertiges Abkommen präsentiert. Dabei hatte die Opposition um ihre Wortführer Arsenij Jazenjuk und Vitali Klitschko zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zugestimmt. Plötzlich schien es, als drohe eine Fortsetzung jenes Verwirrspiels, das sich der Präsident und die Oppositionsführer seit Wochen liefern. Die Motive von Janukowitsch liegen im Dunkeln. Versuchte er die Menschen auf dem Maidan zu beruhigen, indem er über sein Präsidialamt Fragmente einer Einigung bekannt gab? Was ist dran an den Gerüchten, der russische Vermittler sei abgereist, weil er dem Papier nicht zustimmen wollte? So viel ist sicher: Eine vertrauensbildende Maßnahme war das nicht.

Die Vertreter der Protestbewegungen haben die Vereinbarung mit der ukrainischen Führung zwar unterzeichnet. Nichtsdestotrotz bleibt das Misstrauen groß. Die vergangenen Wochen haben Spuren hinterlassen, die Stimmung bei den Demonstranten ist angespannt. Nach Monaten eines zunehmend fanatischen Kampfs fordern sie endlich Ergebnisse. Dass sie jetzt noch länger als ein halbes Jahr auf Neuwahlen warten müssen, dürfte nicht auf große Zustimmung treffen.

Über allem steht die unvorstellbare Aussicht, einem Präsidenten die Hand zu reichen und mit ihm eine Übergangsregierung zu schließen, der zuletzt mit Scharfschützen auf die Demonstranten schießen ließ. Viele Fragen bleiben ungeklärt: Welche Rolle spielt Janukowitsch in der Übergangsregierung? Wer gewährleistet die Einhaltung des Fahrplans? Und welche rechtlichen Konsequenzen drohen den Demonstranten, die Polizisten angegriffen oder als Geisel genommen haben? Noch ist die vom Parlament beschlossene Amnestie für die Kämpfer des Maidan nicht in Kraft.

Das Horror-Szenario

Je näher die Opposition den eigenen Zielen in diesen Tag kommt, desto augenfälliger werden ihre Defizite. Allein die Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten dürfte schwierig werden. An den politischen Kompetenzen Klitschkos gibt es nach wie vor weit verbreitete Zweifel. Die Vaterlandspartei steht vor einem anderen Problem: Durch die möglicherweise anstehende Freilassung von Julia Timoschenko muss Jazenjuk plötzlich um seine Position bangen. Sie ist immer noch Parteichefin, er nur Fraktionsvorsitzender.

Janukowitschs gerissener Poker könnte aufgehen. Nicht nur die unübersichtlichen Verhältnisse auf der Seite seiner Gegner spielen ihm in die Karten. Möglicherweise beruhigt sich bis zu den Wahlen auch die Stimmung in der Hauptstadt. Umfragen zufolge steht der 63-Jährige ohnehin nicht schlecht da. Seine Zustimmungswerte sind zurzeit besser als die von allen anderen möglichen Kandidaten. Für die Opposition wäre es das Horror-Szenario, sollte Janukowitsch nach den Neuwahlen Präsident bleiben. Kompromisse hin oder her: Ganz gelöst ist dieser ukrainische Knoten also noch längst nicht.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen