"Immer noch nicht erwachsen" Joschka Fischer schimpft über Grüne
24.09.2013, 12:51 Uhr
Joschka Fischer zeigt sich schon länger nicht richtig glücklich über seine Partei.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es ist die Stunde der Abrechnung. Nach der Wahlschlappe der Grünen meldet sich Joschka Fischer zu Wort und macht einen "fataler Fehler" der Partei aus. Schleswig-Holsteins Energieminister Habeck wird noch deutlicher: "Wir haben skeptische Wähler mit unserer trotzigen Art für blöd erklärt."
Der langjährige Grünen-Fraktionschef Joschka Fischer geht mit seiner Partei hart ins Gericht. "Es scheint fast, als ob die derzeitige Führung der Grünen älter geworden ist, aber immer noch nicht erwachsen. Sie hat eine Strategie verfolgt, die nicht nur keine neuen Wähler gewann, sondern viele alte vergraulte", sagte der ehemalige Außenminister dem "Spiegel".
Fischer kritisierte besonders die inhaltlichen Schwerpunkte des Wahlkampfs: "Statt über Umwelt und Europa, Bildung und Familien haben wir nur über Steuern und Abgaben geredet." Es sei ein "fataler Fehler" gewesen, die Grünen "strategisch auf einen Linkskurs zu verringern".
Mit seiner Kritik steht Fischer nicht allein. Der schleswig-holsteinische Umwelt- und Energieminister Robert Habeck ließ ebenfalls kein gutes Haar an der Wahlkampfstrategie der Grünen. "Wir haben skeptische Wähler mit unserer trotzigen Art für blöd erklärt", sagte der Grüne dem "Spiegel". "Wir haben uns ein Vorschreiber-Image erworben, etwas Spießbürgerliches, das wir nie sein wollten."
Die Grünen seien eine Partei geworden, durch deren Wahlprogramm sich "die moralische Erziehung des Menschengeschlechts" ziehe. So hätten die Grünen jeden Zauber eingebüßt. Habeck forderte eine Aufarbeitung und einen Neuanfang - auch personell. Indirekt sprach er sich für eine Ablösung von Fraktionschef Jürgen Trittin aus. Die nächste Bundestagsfraktion müsse sich entscheiden, ob der "scharfe Konfrontationskurs" unter Trittin richtig gewesen sei. "Wenn der nicht fortgesetzt werden soll, stellt sich die Personalfrage."
Kaum noch Verfechter von Schwarz-Grün
Zugleich warnen führende Grüne, die einst Verfechter von Schwarz-Grün waren, vor einer Koalition mit der Union. So erklärte der frühere grüne Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Rezzo Schlauch, dass diese Option schwierig sei. "Jetzt aus einer Position einer exorbitanten Schwäche heraus eine schwarz-grüne Koalition im Bund einzugehen, hielte ich für äußerst problematisch. Da könnten wir schneller aufgefressen werden als die FDP", sagte Schlauch, der 1984 als erster prominenter Grüner überhaupt eine schwarz-grüne Koaliton für vorstellbar erklärt hatte, der Ulmer "Südwest Presse".
Auch Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer warnt vor einer schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene. "Das wäre ein brutaler Wortbruch", sagte der Realo dem "Mannheimer Morgen". Palmer gilt prinzipiell als Befürworter einer Öffnung der Grünen hin zur Union. Die Wähler hätten sich aber klar für Schwarz-Rot ausgesprochen, sagte er. "Nach dieser Niederlage haben wir auch gar nicht die Kraft, eine solche Koalition auszuhalten. Schwarz-Grün hätte im Bundesrat keine einzige Stimme." Palmer sieht auch zu wenig inhaltliche Schnittmengen. Eine Einigung mit der Union ginge "nur um den Preis des totalen Gesichtsverlusts der Grünen".
Dagegen zeigte sich der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn durchaus offen für eine schwarz-grüne Koalition. "Schwarz-Grün hätte mal was Neues, wäre spannend, wäre mutig", sagt Spahn bei n-tv. "Allerdings haben die letzten Monate mit dem Linksruck der Grünen, mit einer Steuererhöhungsorgie es nicht eben leichter gemacht." Das mache es schwierig, mit den Grünen jetzt in ein gutes Gespräch zu kommen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa