Wieder Unruhen in Kirgisistan Kampf um Land
19.04.2010, 20:08 Uhr
Nicht nur in Majewka herrscht derzeit Faustrecht.
(Foto: REUTERS)
Eine aufgebrachte Menschenmenge versucht, das Machtvakuum in dem zentralasiatischen Land zu nutzen und Ländereien von Nicht-Kirgisen an sich zu nehmen.
Nach dem Rücktritt des autoritären kirgisischen Präsidenten Kurmanbek Bakijew ist es in dem zentralasiatischen Land erneut zu blutigen Unruhen gekommen. In den Vororten der Hauptstadt Bischkek gab es schwere Straßenschlachten, weil bewaffnete Banden versuchten, Grund und Boden gewaltsam unter ihre Kontrolle zu bringen. Kirgisen gingen gegen Russen und Angehörige einer türkischen Volksgruppe vor. Es fielen Schüsse.
In dem Ort Majewka bei Bischkek wurde ein Mensch getötet, mindestens 15 weitere wurden verletzt, berichteten kirgisische Medien. Ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums schloss nicht aus, dass die Zahl der Opfer deutlich höher liegen könnte. Dutzende Plünderer wurden festgenommen.
Demoralisierte Polizisten
Die Übergangsregierung in Bischkek setzte rund 1.000 Mann des Verteidigungs- und des Innenministeriums sowie Panzertechnik in Marsch, um Plünderungen und Brandschatzungen zu verhindern.
In Bischkek hatten zuvor viele Polizisten die Arbeit verweigert, weil sie unzufrieden mit ihren Löhnen und der neuen Führung des Innenministeriums seien. Polizeieinheiten drohten damit, nicht mehr gegen Plünderer vorzugehen, wenn das Innenministerium nicht unter "professionelle Leitung" gestellt werde. Die Übergangsregierung unter der Sozialdemokratin Rosa Otunbajewa ernannte daraufhin Vize-Innenminister Bakyt Alynbajew zum neuen Behördenchef.
Die Kommunistische Partei Kirgistans warf Otunbajewa vor, die Lage nicht unter Kontrolle zu haben. Die Lage hatte sich in den vergangenen Tagen nach der Flucht Bakijews zunächst beruhigt.
Weniger Macht für den Präsidenten
Otunbajewas Übergangsregierung legte einen vorläufigen Reformplan vor, der den politischen Einfluss des Präsidenten deutlich beschneiden soll. Die Macht soll nach Vorstellung der neuen Führung stattdessen beim Parlament liegen. Präsidenten- und Parlamentswahlen sind für Ende September oder Anfang Oktober vorgesehen.
Bakijews langer Arm
Aus der Stadt Jalal-Abad im Süden, wo Bakijew seine Heimat hat, gab es Berichte über eine Übernahme der Provinzverwaltung. Demnach habe Bakijew per Telefon dort einen seiner Anhänger als Gouverneur eingesetzt. Experten befürchten, dass sich der Süden Kirgistans zu einer Drogenhochburg entwickeln könnte, in der Bakijews Clan enge Verbindungen zu Kartellen unterhält.
Bakijews Aufenthaltsort war zunächst weiter unklar. Das kasachische Außenministerium teilte mit, dass der Ex-Präsident das zentralasiatische Nachbarland Kirgisistans nach erster Zuflucht verlassen habe. Die Richtung sei aber nicht bekannt. Der autoritäre weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hatte Bakijew Exil angeboten.
Bakijews Anhänger teilten hingegen mit, "der Präsident" werde in Kürze in Kirgisistan landen, um wieder zu regieren. Dem 60-Jährigen droht im Fall seiner Rückkehr die Festnahme. Er und seine Familie werden für den Volksaufstand mit mehr als 80 Toten und 1.600 Verletzten Anfang April verantwortlich gemacht.
USA und Russland besorgt
Die internationale Gemeinschaft hatte die neue Führung anerkannt und Hilfe zugesichert. Russland hatte in die Ex-Sowjetrepublik 150 zusätzliche Soldaten entsandt, um eigene Militärstützpunkte besser zu schützen.
Auch die USA verfolgen die Ereignisse in Kirgisistan mit Besorgnis, weil sie Luftwaffenstützpunkte in dem zwischen China, Afghanistan und dem Kaspischen Meer gelegenen Land unterhalten.
Quelle: ntv.de, dpa/rts