Afghanistan-Einsatz läuft aus Kapitulation vor der Realität
29.11.2012, 11:06 Uhr
Die Kampftruppen der Bundeswehr sollen bis Ende 2014 Afghanistan verlassen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Bundeswehrmission in Afghanistan war nicht erfolglos - nur die Ziele haben sich verändert. So kann man das Scheitern diplomatisch ausdrücken. Die Bundesregierung spricht nun davon, dass die Sicherheit sich immerhin langsam verbessere. Bislang geheim gehaltene Dokumente belegen das Gegenteil.
Wenn die Bundesregierung über die Lage in Afghanistan informiert, dann klingt das nach einer Erfolgsgeschichte. Über weite Strecken liest sich ihr "Fortschrittsbericht Afghanistan" positiv: Die Sicherheitslage verbessert sich in diesem Jahr langsam, auch 2011 gab es Fortschritte. Auf Konferenzen wurden klare Kriterien zur Messung der afghanischen Entwicklung festgelegt und der Abzug der Bundeswehr wird als "verantwortungsvolle Verringerung der Einsatzkräfte" bezeichnet. Fortschritte gibt es auch bei Bildung und Gesundheit.
Dass die Deutschen und ihre Verbündeten in der ISAF-Mission ihre ursprünglichen Ziele erreicht hätten, würde darum aber niemand behaupten. Als die Bundeswehr vor über zehn Jahren ihren Einsatz begann, wurde dieser vor der deutschen Öffentlichkeit wie ein humanitärer Einsatz dargestellt - doch die Realität ist davon weit entfernt. Viele Teile des Landes sind "noch" instabil, wie es im Bericht heißt. Impliziert ist dabei die Chance, dass sich diese Lage verbessern könnte. Doch dafür gibt es keine Anzeichen. Die Kampftruppen der ISAF ziehen sich zurück, Deutschland wird auch keine Polizisten mehr ausbilden. Die afghanischen Polizei- und Armeekräfte sind zwar zahlenmäßig gut aufgestellt, von den Strukturen und Fähigkeiten der internationalen Truppen aber weit entfernt. Außerdem häufen sich die Angriffe von den vermeintlichen Verbündeten, von afghanischen Soldaten und Polizisten, auf internationale ISAF-Truppen.
Wenn Ende 2014 die Verantwortung für die Sicherheit des Landes in afghanische Hände übergeht, werden eine Reihe westlicher Soldaten im Land bleiben. Sie dürfen dann aber nur noch beraten und nicht selbst kämpfen oder Kämpfer ausbilden. "Wir werden die Afghanen machen lassen", sagt ein Sprecher der Bundeswehr n-tv.de. Die zentrale Herausforderung wird dann sein, die aus westlicher Sicht chaotischen Verhältnisse hinzunehmen. Denn der Versuch, Sicherheitskräfte mit westlichen Strukturen aufzubauen, ist längst gescheitert. Doch so will es die Bundeswehr nicht ausdrücken. Vielmehr hätten sich die Maßstäbe verschoben: Während früher eine Demokratie westlicher Prägung das Ziel war, geht es nun um "Stabilität".
Vertrauliche Dokumente widersprechen der offiziellen Darstellung
Um die Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung nicht ganz zu verspielen, ging die Regierung sparsam mit den Informationen um, die aus Afghanistan kamen. Die detaillierten Berichte der Bundeswehr wurden nur an Parlamentarier weitergegeben und nicht veröffentlicht. Sie gelangten dennoch in die Hände der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", und die stellte sie umfangreich offen ins Internet. Die Zeitung schreibt, die Lage sei brisanter als öffentlich dargestellt. Entgegen den offiziellen Aussagen der Bundesregierung verschlechtere sich die Sicherheit kontinuierlich. Taliban und andere Aufständische machten Fortschritte und hätten mittlerweile wirksame Mittel gegen gepanzerte Bundeswehrfahrzeuge gefunden. Endgültig ausgewertet sind diese Quellen aber noch nicht.
Die Bundeswehr zeigte sich über ihren Sprecher unbeeindruckt von der Veröffentlichung und versucht, die Bedeutung der Dokumente herunterzuspielen. Die Berichte als "geheim" zu bezeichnen sei falsch. Sie würden für die Abgeordneten angefertigt und schlicht nicht veröffentlicht. Die Sicherheit deutscher Soldaten sei durch die Informationen auch unberührt. Nicht kommentieren wollte der Sprecher die Behauptung, die ISAF-Soldaten hätten innerhalb von sechs Monaten 310 Todesopfer zu verschulden. Die Statistik sei zu ungenau, um sie ernst zu nehmen.
Quelle: ntv.de