Staatschef der Roten Khmer Khieu Samphan angeklagt
19.11.2007, 08:14 UhrMehr als 28 Jahre nach dem Ende der Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha ist der letzte noch lebende ranghohe Vertreter des Regimes verhaftet und angeklagt worden. Der frühere Staatschef Khieu Samphan (76), als "Hirn" des Regimes und engster Vertrauter von "Bruder Nummer 1" Pol Pot bekannt, wurde unter Waffengewalt aus einem Krankenhaus in Phnom Penh abgeführt und an das Völkermordtribunal überstellt. Samphan wurde offiziell wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, wie ein Sprecher des Tribunals mitteilte. Ferner sei angeordnet worden, dass Samphan mindestens ein Jahr in Untersuchungshaft bleiben muss.
Samphans Anwälte wollten dagegen vorgehen. Zur Verteidigung traf der französische Anwalt Jacques Vergs ein, der durch die Vertretung von Massenmördern berühmt wurde. Seit September sind damit die vier noch lebenden Befehlshaber des Regimes verhaftet worden, darunter "Bruder Nummer 2" Nuon Chea, der ehemalige Außenminister Ieng Sary sowie dessen Frau Khieu Thirith. Der Chefhenker und Leiter des Foltergefängnisses Toul Sleng, Kang Keng Iev alias "Duch", saß schon seit mehreren Jahren in einem Militärgefängnis. Auch ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.
Während der Herrschaft der maoistischen Roten Khmer von 1975 bis 1979 waren mehr als zwei Millionen Menschen durch Mord, Folter, Zwangsarbeit und Hungersnöte ums Leben gekommen, ein Viertel der damaligen Bevölkerung.
Die Prozesse sollen im Frühjahr beginnen. Vergs will die Unschuld von Samphan, der nach eigenen Angaben nichts von den Massakern wusste, nachweisen. Vergs (82) verteidigte unter anderem den Gestapo-Offizier Klaus Barbie ("Schlächter von Lyon") und den venezolanischen Terroristen Illich Ramirez Sanchez alias Carlos der Schakal. Vergs kannte Pol Pot und Samphan aus deren Studentenzeit in den 50er Jahren in Paris. Im Vorwort für Samphans 2004 erschienenes Buch schrieb er, der Ex-Staatschef habe nie zum inneren Zirkel der Bewegung gehört.
Die Einrichtung des Tribunals hatte sich jahrelang hingezogen. Zunächst erkannte die Weltgemeinschaft die kommunistische Regierung Kambodschas nicht an, dann stellte sich der kommunistische kambodschanische Regierungschef Hun Sen quer. Das Tribunal ist jetzt eine gemeinsame Einrichtung der Regierung und der Vereinten Nationen. Alle Positionen sind doppelt besetzt: mit internationalen und kambodschanischen Anklägern und Richtern.
Quelle: ntv.de