Politik

"Der Kapitän geht als erster" Koch geht, Bouffier kommt

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Bouffier (rechts) soll neuer CDU-Chef in Hessen werden und könnte auch Ministerpräsident werden.

(Foto: APN)

Hessens Ministerpräsident Koch legt alle Ämter nieder. Er gehe weder in Unfrieden oder Streit noch spielten gesundheitliche Gründe eine Rolle, so Koch. Bundeskanzlerin Merkel bedauert den Rücktritt. Kochs Nachfolger als CDU-Landeschef soll Innenminister Bouffier werden. Er ist auch als neuer Ministerpräsident im Gespräch.

Mitten in der Debatte über den Kurs und das Profil der Union hat der hessische Ministerpräsident Roland Koch überraschend seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Auf dem Parteitag der hessischen CDU am 12. Juni wolle er nicht mehr als Landesparteichef antreten, am 31. August werde er das Amt des Ministerpräsidenten auf- und sein Landtagsmandat abgeben. Im November schließlich werde er nicht erneut als stellvertretender Vorsitzender der Bundes-CDU kandidieren.

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"Mir fällt dieser Tag schwer", sagte Koch. "Trotzdem halte ich ihn für richtig."

(Foto: dpa)

Damit geht eine Führungsfigur von Bord, die vor allem konservative Wähler ansprach. Nicht selten bildete Koch einen Gegenpart zu Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, die eine breite Öffnung der Partei anstrebt. Unlängst hatte er bei Parteifreunden in Berlin Empörung mit der Forderung ausgelöst, angesichts der desolaten Haushaltslage bei der Bildung und dem Ausbau der Kinderbetreuung zu sparen. Merkel hatte ihrem Parteivize hierbei offen widersprochen.

"Das sinkende Schiff"

Die hessische SPD kritisierte Kochs Rücktritt als politischen Offenbarungseid und Rückzug aus der Verantwortung. Die vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass die CDU keine Ideen und keine Kraft zur Bewältigung der Krise habe, sagte Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Koch bescheinigte er eine "lustlose und ambitionslose Amtsführung".

"Früher war es üblich, dass der Kapitän als letzter das sinkende Schiff verlässt", sagte Schäfer-Gümbel. Bei der hessischen CDU sei das anders: "Der Kapitän geht als erster." Die Politik der Regierung Koch habe "Hessen in eine Situation manövriert, aus der der Ministerpräsident offensichtlich keinen Ausweg mehr sieht".

Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir zog eine negative Bilanz der Regierung Koch. "Im Bereich der Bildung dümpelt Hessen im Mittelfeld, beim Ausbau der erneuerbaren Energien auf den hinteren Plätzen herum", sagte Al-Wazir. "Es ist zu befürchten, dass in den kommenden Monaten nicht der dringend nötige Aufbruch in der Landespolitik beginnen, sondern sich die Agonie verlängern wird."

Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, wertet Kochs Rückzug als "Tritt vors Schienbein der CDU-Führung". Er gehe davon aus, dass dies auch beabsichtigt gewesen sei, sagte Steinmeier. Die SPD werde nicht vergessen, dass Koch "mit populistischen Kampagnen Wahlerfolge zu sichern versucht" habe. "Und jetzt ist er offenbar auch in Hessen am Ende seiner politischen Einflussmöglichkeit."

Bouffier soll nachfolgen

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Bouffier (58) ist der dienstälteste Innenminister Deutschlands.

(Foto: dpa)

Kochs Nachfolger als CDU-Landeschef soll Hessens Innenminister Volker Bouffier werden. Bouffier soll Mitte Juni auf einem Parteitag zunächst zum neuen Landesvorsitzenden gewählt werden, wie Koch am Abend nach einer CDU-Kreisvorsitzendenkonferenz in Bad Nauheim mitteilte. Bouffier ist auch als Nachfolger Kochs als Ministerpräsident im Gespräch. Derzeit läuft noch ein Untersuchungsausschuss des Landtags zu Vorwürfen gegen Bouffier, er habe sich bei der Berufung eines neuen Polizeipräsidenten für die Bereitschaftspolizei über ein Gerichtsurteil und das Beamtenrecht hinweggesetzt.

Auch Umweltministerin Silke Lautenschläger gibt ihr Amt auf. Sie habe vor der hessischen CDU-Fraktion erklärt, sie werde "dem nächsten Kabinett nicht mehr angehören", sagte Koch. Koch sei immer ihr politisches Vorbild gewesen, hatte Lautenschläger nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erklärt. Im Gegensatz zu Koch will Lautenschläger ihr Landtagsmandat behalten.

"Politik ist nicht mein Leben"

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Ein Wechsel nach mehr als einem Jahrzehnt "gehört zu den Voraussetzungen dafür, dass Politik lebendig bleibt, sich nicht einfährt und damit die Herausforderungen der Zeit entwickelt", so Koch.

(Foto: dpa)

Koch erklärte seinen Rückzug mit den Worten, Politik sei immer ein faszinierendes Element in seinem Leben gewesen. Aber: "Politik ist nicht mein Leben." Er habe immer auf eine "angemessene Balance zwischen politischem Engagement auf der einen Seite und Selbstständigkeit und Unabhängigkeit auf der anderen Seite" geachtet. Gesundheitliche Gründe hätten keine Rolle bei der Entscheidung gespielt, "Gottseidank".

Nach seiner Zeit in der Politik will Koch sich "im Bereich von Wirtschaft und unternehmerischen Entscheidungen betätigen". Koch ist Wirtschaftsanwalt. Entscheiden werde er allerdings erst nach dem Ende seiner Amtszeit. Den Journalisten sagte er: "Sie werden mich noch ganz lange Zeit nicht auf der Pensionsliste des Landes Hessen sehen."

Merkel wusste Bescheid

Koch sagte, seine Familie und Bundeskanzlerin Merkel wüssten seit einem Jahr Bescheid über seine Absichten. Den Zeitpunkt seines Rückzugs habe er sich "sehr genau ausgesucht". Die hessische CDU sei gut gerüstet, "ich glaube, dass das der richtige Zeitpunkt ist". Sein Ziel, eine langfristig bürgerliche Mehrheit in Hessen zu erhalten, habe er erreicht. Die nächste reguläre Landtagswahl steht in Hessen erst im Frühjahr 2014 an.

Merkel, die sich derzeit auf einer Reise durch vier öl-exportierende Golfstaaten befindet, nahm den Rückzug "mit Respekt, aber auch großem Bedauern zur Kenntnis". In einer in Berlin verbreiteten Erklärung würdigte sie Koch als einen "guten, freundschaftlichen Ratgeber" und kündigte an, "auch in Zukunft fest auf seinen Rat" zu bauen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer erklärte: "Mit Roland Koch verliert die konservative Grundströmung in der Union einen besonders ausgewiesenen und kompetenten Vertreter."

"Gehe nicht im Streit"

Koch gab zu, dass er "wackelige Beine" habe, betonte jedoch auch, es sei für einen Politiker "eines der ungewöhnlichen Privilegien, dass man selbst entscheiden kann, wann es genug ist". An die Journalisten appellierte er, in seinen Rückzug nichts hineinzuinterpretieren. Er gehe nicht im Streit mit irgendjemandem in der CDU.

Bei der Landtagswahl 2008 musste die CDU in Hessen Verluste von zwölf Prozent hinnehmen und lag nur noch knapp vor der SPD. Da die SPD eine Minderheitsregierung unter Duldung der Linkspartei anstrebte, stand Kochs politische Zukunft monatelang auf der Kippe. Der CDU-Landeschef geriet vor allem wegen seiner Wahlkampfstrategie in die Kritik, in der er unter anderem mehr Härte gegen jugendliche Straftäter gefordert hatte. Im Januar 2009 kam es zu Neuwahlen, bei der die CDU zwar kaum zulegen konnte, zusammen mit der FDP jedoch die Mehrheit erreichte. Die nächste Wahl steht in Hessen 2014 an.

Quelle: ntv.de, hvo/rts/dpa/AFP

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