El-Kaida-Spur? Kofferbomber gesteht
25.08.2006, 06:42 UhrDreieinhalb Wochen nach den fehlgeschlagenen Bahn-Attentaten hat der Terrorverdächtige Jihad Hamad beim Verhör in Beirut ein Teilgeständnis abgelegt. Der libanesische Innenminister Ahmed Fatfat sagte der dpa am Freitag: "Wir haben ein Geständnis von Hamad, dass er den Koffer in den Zug getragen hat. Aber er sagte, er habe nicht gewusst, was sich darin befindet." Noch sei nichts geklärt, aber in Hamads Computer hätten die Ermittler etwas gefunden, das mit dem Terrornetzwerk El Kaida in Verbindung gebracht werden könne.
Auch die Festnahme von zwei weiteren Verdächtigen in Konstanz und im Libanon stärkte die Vermutung, dass die beiden zuerst verhafteten Libanesen Komplizen hatten. BKA-Präsident Jörg Ziercke geht von einem breiten Netz von Tätern aus. Es sei wahrscheinlich, "dass es in Deutschland Mitwisser und Helfer gegeben hat", sagte er am Freitag.
Befragung geht weiter
Libanons Innenminister Fatfat sagte, die Vernehmung des Verdächtigen Hamad (20), der sich am Vortag der Polizei gestellt hatte, werde fortgesetzt. Die Befragung konzentriere sich darauf, ob die Tatverdächtigen einer bekannten Extremisten-Organisation angehörten. Nach Angaben aus libanesischen Sicherheitskreisen gilt Hamad als Hauptverdächtiger.
Die beiden Sprengstoffkoffer waren am 31. Juli in zwei Regionalzügen in Nordrhein-Westfahlen deponiert worden, jedoch wegen technischer Fehler nicht explodiert.
Ziercke sagte in der ARD, nach bisherigem Ermittlungsstand gehe das Bundeskriminalamt (BKA) von einer terroristischen Zelle in Deutschland aus. Ob es einen Zusammenhang mit der libanesischen Organisation Hizb ut-Tahrir gibt, sei noch nicht klar.
Studentenwohnheim durchsucht
Dem am Freitag in Konstanz festgenommenen Mann, nach dpa-Informationen aus Sicherheitskreisen ein Libanese, wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, versuchter Mord in einer Vielzahl von Fällen und das versuchte Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vorgeworfen. Er stamme aus dem Umfeld des in Kiel verhafteten mutmaßlichen Attentäters Youssef Mohamad El Hajdib (21), teilte die Bundesanwaltschaft mit. Über einen Haftbefehl soll am Wochenende entschieden werden. Das Zimmer des Mannes in einem Studentenwohnheim am Bodensee wurde durchsucht.
Nach Angaben der Bundesanwaltschaft ist noch offen, ob und inwieweit der Verdächtige in die Vorbereitungen der misslungenen Bahn-Anschläge eingebunden war. Nach dpa-Informationen wurde in Konstanz unter anderem ein Laptop sichergestellt. Demnach besteht der Verdacht, dass der Computer El Hajdib gehörte.
Der libanesische Innenminister Fatfat erklärte: "Wir haben den deutschen Ermittlern erlaubt, (dem Verhör) beizuwohnen und Jihad Hamad auch zu verhören." Die libanesische Polizei vernahm zudem einen Angehörigen des in Kiel verhafteten El Hajdib als Zeugen. Da sich der 24 Jahre alte Mann in Widersprüche verstrickt habe, befinde er sich nun in Polizeigewahrsam, sagte Fatfat.
Deutschland bleibt Gefahrenraum
Die deutschen Behörden hatten sich bislang nicht zu möglichen Verbindungen der Tatverdächtigen zu Al-Kaida geäußert. Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, hatte am Freitag gesagt, er gehe nicht von "Schläfern" aus, die zum Zweck von Anschlägen nach Deutschland geschickt würden. "Wir haben es hier eher damit zu tun, dass junge Menschen radikalisiert werden und bereit sind, solche Anschläge zu begehen", sagte er Reuters. Trotz der Festnahmen sei die Sicherheitslage in Deutschland noch nicht entspannt. "Wir haben der Gefahr die Spitze genommen, müssen aber weiter aufmerksam sein." Ziercke fordert zudem, Internet-Provider stärker in die Pflicht zu nehmen, etwa durch ein Gesetz, Pläne zum Bau von Bomben aus dem Internet zu entfernen.
Ein Sprecher des Innenministeriums sagte in Berlin, Deutschland bleibe auch nach den neuen Festnahmen Teil des Gefahrenraumes.
Hamads Familie offenbar ahnungslos
Der Vater von Jihad Hamad sagte unterdessen, sein Sohn sei kein religiöser Extremist und habe keine radikalen politischen Überzeugungen. "Er hatte keine Freunde, die politisch aktiv waren, (...) und er hatte auch keinerlei Verbindung zur (radikal-islamischen) Hizb ut-Tahrir", sagte Shahid Hamad. Sein Sohn sei am 3. oder 4. August in den Libanon zurückgekehrt. Als die Familie von dem Terrorverdacht erfuhr, habe sie entschieden, dass sich der junge Mann stellen müsse. Dadurch hat Shahid Hamad sehr gute Chancen, die vom BKA ausgelobten 50.000 Euro einzustreichen. Die Vorschrift zur Auslobung ( 657 BGB) kennt diesbezüglich keine Verwandtschaftsverhältnisse oder sonstige Verbindungen. Ein solcher Betrag gilt im Libanon als Vermögen.
"Tiefe Abscheu"
Die muslimischen Verbände in Deutschland distanzierten sich mit Nachdruck von Terror und Gewalt. "Mit Entsetzen und tiefer Abscheu" verurteile man die versuchten Bombenattentate, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung mehrerer Verbände, die am Freitag in Köln veröffentlicht wurde. Unterzeichner sind 16 Verbände, darunter die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und der Zentralrat der Muslime in Deutschland.
Quelle: ntv.de