Politik

Warum die NRW-Wahl die Partei nicht stärkt Kraftakt für die SPD-Troika

Hannelore Kraft hängt die Troika in Puncto Popularität derzeit deutlich ab.

Hannelore Kraft hängt die Troika in Puncto Popularität derzeit deutlich ab.

(Foto: picture alliance / dpa)

Drei Herren plustern sich auf: Nach der NRW-Wahl glaubt das Spitzentrio der SPD auch bei der Bundestagswahl 2013 wieder an eine Mehrheit für Rot-Grün. Doch die Partei hat ein Problem. Durch den Erfolg von Hannelore Kraft werden die Schwächen der Bundespartei und ihrer Kandidaten-Troika umso deutlicher.

Sie bewegen sich an diesem Dienstagmorgen wie eine vergnügte Tanzgruppe. Zunächst ein paar Schritte nach links, dann nach vorn und anschließend nach rechts - und immer schön lächeln. Die Troika strahlt den Fotografen feierlich in die Objektive. Breites feixendes Grinsen allerseits: Es sind gute Tage für die deutsche Sozialdemokratie. Und das spricht auch aus den Gesichtern der Herren Gabriel, Steinmeier und Steinbrück, die sich daraufhin auf dem Podium der Bundespressekonferenz vor die Mikrofone fläzen.

Die große Inszenierung der Troika gelingt der SPD nicht.

Die große Inszenierung der Troika gelingt der SPD nicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Zeitpunkt des dritten Auftritts der Troika ist geschickt gewählt. Mitte Mai ist das Selbstbewusstsein der Sozialdemokraten ein anderes als noch vor ein paar Wochen. Die zwei Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben die Sorgenfalten weichen lassen. Im Norden kippt die SPD Schwarz-Gelb aus der Regierung, im Westen befreit sie sich aus einer Minderheitsregierung. Rot-Grün kann hier künftig auch ohne die Stimmen anderer Parteien regieren. Im Bundesrat ist die Union jetzt schon so handlungsunfähig wie Rot-Grün unter Gerhard Schröder vor den Neuwahlen 2005.

Als die Sprache dann gleich am Anfang auf diese fulminant gewonnene SPD-Wahl kommt, da kann sich Peer Steinbrück plötzlich nicht mehr halten. Es platzt aus dem sonst so kühlen Norddeutschen heraus. Ausgelassenes, donnerndes Gelächter, hämisch, hemmungslos und laut. Steinbrück lacht das Gerhard-Schröder-Lachen: mit zusammengekniffenen Augen und weitaufgerissenem Mund. Auch Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier können sich jetzt ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen. 26 Prozent für die CDU und fast 40 für die SPD: Nordrhein-Westfalen macht Lust auf mehr.

Eigentlich sind die drei aus einem anderen Grund hier. Die SPD will den Fiskalpakt erweitern, um Wachstumsimpulse, aber auch um Kontrollinstrumente. Sie fordert eine Transaktionssteuer, eine europäische Bankenaufsicht und Ratingagentur sowie eine striktere Haftung für Banken. Ebenso verlangt die Partei nach einem Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit. Wenn Gabriel, Steinmeier und Steinbrück über die Probleme von Europa referieren, wechselt die Stimmung. Hohn und Spott verschwinden aus den Mienen. Die Mundwinkel zeigen wieder nach unten, wenn sie über die verlorene Generation sprechen, die Europa derzeit produziere. Über junge Menschen, die auf öffentlichen Plätzen Europa-Fahnen anzünden. Ernst und staatstragend sitzen die Sozialdemokraten jetzt auf dem Podium. Dieses europäische Projekt sei doch mal so ein verheißungsvolles Versprechen gewesen.

Der richtige Zeitpunkt

Die Troika ist gekommen, um die Bedingungen zu nennen. Jene, um die Angela Merkel den Fiskalpakt ergänzen soll, damit die SPD ihm zustimmt. Die Ausgangssituation für die Sozialdemokraten ist günstig. Denn die Kanzlerin braucht in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit. Wenn die Sozialdemokraten nicht mitmachen, scheitert der Pakt. "Frau Merkel braucht uns", sagt Steinbrück. "Aber das Beste wäre, die Regierung würde sich auflösen. Sie ist ja in Wahrheit auch eine große Nichtregierungsorganisation", sagt Gabriel.

Frauenduell 2013 - im Moment sieht es nicht so aus.

Frauenduell 2013 - im Moment sieht es nicht so aus.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die SPD will den "Kraft"-Effekt mitnehmen und in die Offensive gehen. Die Sozialdemokraten haben in diesen Tagen entschieden, die Strategie zu wechseln. Von einem eher gemäßigten Umgang mit Merkel, in dem sich die Partei offensichtlich nicht profilieren kann, auf Attacke. Die Partei will den Eindruck erwecken, dass jetzt schon nichts mehr ohne sie läuft. Dass sie aus der Opposition heraus den Kurs in Deutschland diktiert und den Weg Europas aus der Krise aufzeigen kann. "Die SPD hat viel wieder gut zu machen. Bei den Wählern hat sie in ihrer Regierungszeit viel Glaubwürdigkeit eingebüßt", sagt Politikwissenschaftler Uwe Jun im Gespräch mit n-tv.de.

Ob das nicht jetzt der richtige Zeitpunkt wäre, den Kanzlerkandidaten zu küren, fragt ein Reporter. Doch Gabriel, Steinmeier und Steinbrück, die alle gerne das "wir drei" betonen, wollen es immer noch nicht verraten. Es gehe um Inhalte, nicht um Personen. Wohin das sonst führt, könne jeder bei der CDU sehen. "Da ist nur noch Frau Merkel übrig geblieben. Sonst ist da doch keiner."

Die gewonnene NRW-Wahl gibt der SPD Mut. Aber so genüsslich die drei auch auftreten: Kraft schwebt über ihnen allen. Denn ihr Erfolg deckt zugleich auch ihre Schwächen auf. Das Wahlergebnis zeigt, wie wichtig der Kandidat ist, um die Wähler zu überzeugen. Aber an der Spitze der Bundespartei fehlen die Personen, die so gut mobilisieren können. Merkel und Kraft haben vor allem eins gemeinsam: Beide sind beliebter als ihre Partei. "In NRW war Kraft deutlich populärer als der CDU-Kandidat. Aber im Bund ist das genau andersherum. Hier hat Merkel eindeutig die besseren Werte", sagt Jun.

Keine Troika wie Schmidt, Brandt und Wehner

Die Sozialdemokraten versuchen seit einem Jahr nicht mit einem Kandidaten, sondern durch die Auftritte ihre Troika zu punkten, doch es gelingt nicht. Bei den Meinungsforschungsinstituten stagniert die Partei bei 25 bis 28 Prozent. "Anders als Wehner, Brandt und Schmidt sind die drei kein kohärentes Trio", sagt Jun. Damals unterstützte Wehner die Regierung, Brandt gab der Wählerschaft Identität und Vision und Schmidt war Manager der Regierungsarbeit. "Damals gab es eine klare Trennung. Das ist heute anders. Steinbrück hat ja gar keine leitende Funktion."

Die drei Kandidaten in Spe wissen, warum sie die Kür vor sich herschieben. Nach SPD-Chef Gabriel hatte sich zuletzt auch Fraktionschef Steinmeier für eine Urwahl des Kanzlerkandidaten ausgesprochen, sollten mehrere Bewerber infrage kommen. Die K-Frage solle erst nach der Landtagswahl im Januar in Niedersachsen entschieden werden. "Zu warten ist strategisch nicht falsch. Sonst könnten sich die Wettbewerber schon so gut auf den Kandidaten einstellen, dass daraus Nachteile resultieren könnten", sagt Jun.

Und Kraft als SPD-Kanzlerkandidatin? Die Ministerpräsidentin hat alle Überlegungen in diese Richtung zurückgewiesen. "Kraft hat sich deutlich positioniert", sagt Jun. "Sie würde ihrer Glaubwürdigkeit eher schaden, wenn sie sich doch noch zur Verfügung stellen würde. Das würde man ihr immer vorhalten."

Mehr denn je scheinen die Sozialdemokraten derzeit also von starken Grünen abhängig zu sein. Sonst könnte es bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr letztlich doch nur zu einer Großen Koalition reichen - mit der SPD als Juniorpartner. Jun: "Innerparteilich wäre das schwer vermittelbar. Mit der Erfahrung zwischen 2005 und 2009 würde das zu schweren Kontroversen führen."

Die Pressekonferenz ist inzwischen vorbei. Seite an Seite stehen die drei nun vor dem Saal. Davor acht Mikrofone."Sie wirken etwas kraftlos. Sollten sie die Troika nicht zur Quadriga erweitern?", fragt jemand auf Kraft anspielend. Dann folgt wieder ein Mienenspiel. Steinmeier hebt nur genervt die Schulter an, Steinbrück schaut zu Gabriel herüber. Der Parteivorsitzende sagt mit ernstem Blick."Frau Kraft führt die Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen."

Quelle: ntv.de

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