Russland sieht sich bedroht Kreml nennt G7-Zusagen "potenziell sehr gefährlich"
12.07.2023, 15:32 Uhr Artikel anhören
Peskow überbringt einmal mehr die russische Einschätzung, dass Europa gefährlicher werde, wenn der Westen seine Vorhaben umsetze.
(Foto: via REUTERS)
Die führenden Industriestaaten machen der Ukraine Sicherheitszusagen. Moskau reagiert ungehalten. Dieser Schritt verletzte Russlands Interessen. Der Kreml hofft noch auf die "Weisheit" des Westens.
Russland hat die langfristigen Sicherheitszusagen der G7-Gruppe für die Ukraine als Gefahr für die eigene Sicherheit bezeichnet. "Wir halten dies für einen extremen Fehler und potenziell für sehr gefährlich", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen.
Wenn die G7-Staaten der Ukraine Zusagen irgendeiner Art gäben, ignorierten sie das internationale Prinzip der "Unteilbarkeit der Sicherheit", sagte Peskow. "Das heißt: Indem sie der Ukraine Sicherheitsgarantien geben, verletzen sie Russlands Sicherheit." Moskau hoffe noch auf "Weisheit" im Westen. Andernfalls machten die Länder Europa "für viele, viele Jahre noch viel gefährlicher".
Ähnlich hatte Russland schon seinen Überfall auf die Ukraine gerechtfertigt: Wenige Tage vor Beginn der Invasion sagte Präsident Wladimir Putin, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine "eine unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit Russlands" darstelle. Das war nur einer von vielen Kriegsgründen, die im Laufe der Zeit auch wechselten: Putin behauptete in derselben Rede, dass die Ukraine an Atomwaffen arbeitet, dass es keine echte "Staatlichkeit" in der Ukraine gebe und er betrauerte einmal mehr den Zerfall der Sowjetunion.
Russland soll von neuem Angriff abgeschreckt werden
Die G7, ein Bündnis der großen demokratischen Industrienationen, hatte der Ukraine zuvor langfristige und umfassende Sicherheitszusagen gegeben, die über den derzeitigen Krieg gegen die russischen Invasionstruppen hinausreichen. In einer am Rande des NATO-Gipfels in der litauischen Hauptstadt Vilnius veröffentlichten Erklärung kündigte die G7-Gruppe an, sie wolle "spezifische, bilaterale und langfristige Sicherheitszusagen und -Regelungen" für die Ukraine erarbeiten. Zur G7 gehören die USA, Kanada, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Bis auf Japan sind alle diese Staaten NATO-Mitglieder; Japan nimmt als strategischer Partner am NATO-Gipfel teil.
Der Ukraine solle geholfen werden, eine "zukunftsfähige Truppe" aufzubauen, die das Land "jetzt verteidigen" und Russland von einem neuen Angriff in der Zukunft "abschrecken" könne, heißt es darin. Zu den Hilfen sollen demnach unter anderem die Lieferung moderner militärischer Ausrüstung, die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte, die Weitergabe von Geheimdienstinformationen sowie der Schutz gegen Cyberangriffe gehören.
Selenskyj sieht "wichtiges Signal"
Die Verhandlungen mit der Ukraine über diese Hilfen sollten der Erklärung zufolge noch am Mittwoch beginnen. Sie sollen bilateral zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der G7-Gruppe und der Ukraine geführt werden. Der Gruppe großer Industriestaaten gehören die USA, Kanada, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan an.
"Wir stehen an der Seite der Ukraine, während sie sich gegen die russische Aggression verteidigt und solange, wie es nötig ist", versicherte die G7-Gruppe. Bei dem NATO-Gipfel war die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erhoffte bedingungslose Einladung zu einem Beitritt in die Allianz nach Kriegsende nicht ausgesprochen worden. Selenskyj bezeichnete aber die G7-Erklärung schon vor deren Veröffentlichung als "wichtiges Signal".
Ausrüstung auch für Luft- und Seestreitkräfte
In der jetzigen Erklärung wurde bereits zugesagt, dass die Ukraine langfristig mit "moderner militärischer Ausrüstung" für die Boden-, Luft- und Seestreitkräfte unterstützt werden soll. Dabei solle die Priorität auf die Luftabwehr, Artillerie, Waffen von großer Reichweite, Panzerfahrzeuge "und andere Schlüsselfähigkeiten wie den Luftkampf" gelegt werden. Der Ukraine solle auch geholfen werden, ihre eigene Rüstungsindustrie weiter auszubauen.
Ferner heißt es in der G7-Erklärung: "Im Fall eines zukünftigen bewaffneten Angriffs durch Russland werden wir uns unverzüglich mit der Ukraine konsultieren und über die angemessenen nächsten Schritte entscheiden." Im Einklang mit den jeweiligen rechtlichen und verfassungsmäßigen Erfordernissen der Staaten solle dann rasch Sicherheitshilfe geleistet und moderne militärische Ausrüstung geliefert werden.
Selenskyj bezeichnete die G7-Erklärung als "die erste rechtsverbindliche Zusicherung eines Sicherheitsschirms" für die Ukraine. Damit hänge die Sicherheit seines Landes nicht mehr von persönlichen Beziehungen zu Staats- und Regierungschefs ab, fügte der ukrainische Staatschef hinzu. Kiew fürchtet bei einem möglichen Wahlsieg der oppositionellen Republikaner in den USA im kommenden Jahr deutlich geringere Unterstützung.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa