"Nicht transparent" Kritik an Sarrazin-Entmachtung
14.10.2009, 09:57 UhrPolitiker aus CDU und SPD kritisieren die teilweise Entmachtung von Bundesbank-Vorstand Sarrazin. Dies sei "nicht die richtige Sanktion". NRW-Integrationsminister Laschet fordert ein Integrationsministerium auf Bundesebene.
Die teilweise Entmachtung von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin als Konsequenz aus seinen umstrittenen Äußerungen zur Integration von Ausländern ist auf Kritik in CDU und SPD gestoßen. In einer für die Bundesbank einmaligen Aktion hatte der Vorstand dem 64-Jährigen am Dienstag eines von drei Ressorts entzogen. Dies sei "nicht transparent und nicht nachvollziehbar", kritisierte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Otto Bernhardt, in der "Bild"-Zeitung. Schlechte Wortwahl, dafür aber Recht in der Sache bescheinigte Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet dem früheren Berliner Finanzsenator.
"Nicht die richtige Sanktion"

Ein Mitglied der Gewerkschaft Verdi demonstriert vor dem Sitz der Deutschen Bundesbank gegen Sparpläne Sarrazins.
(Foto: AP)
Nach der Entscheidung des Vorstands der Notenbank verantwortet Sarrazin ab sofort nicht mehr den zentralen Bereich Bargeld. "Die Entmachtung ist nicht transparent und nicht nachvollziehbar, weil man ihm Bereiche weggenommen hat, die nichts mit seinen Aussagen zu tun haben", sagte Bernhardt. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert kritisierte die Entscheidung der Bundesbank. Über Sarrazins Äußerungen lasse sich "sicherlich diskutieren", sagte Danckert der "Bild". "Aber eine Entmachtung, wie sie jetzt die Bundesbank vorgenommen hat, ist nicht die richtige Sanktion."
Anlass der Auseinandersetzung ist ein Interview Sarrazins in der Zeitschrift "Lettre International". Darin hatte er Türken und Arabern polemisch vorgeworfen, sich der Integration zu verschließen und unter anderem gesagt: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert."
Integrationsministerium auf Bundesebene gefordert
Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet nahm die Diskussion zum Anlass, ein Integrationsministerium auf Bundesebene zu fordern. "Wir holen im Moment etwas nach, was wir vielleicht viele Jahrzehnte nicht ernst genug genommen haben", sagte Laschet in der ARD.

Armin Laschet fordert ein Bundesministerium für Integration.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Doch die Debatte um Sarrazin habe gezeigt, dass die Öffentlichkeit großes Interesse an diesem Thema nehme. "Man darf Defizite benennen, man muss sie benennen um sie bekämpfen zu können und der Kritikpunkt gilt wohl eher der Tonlage und dem beleidigenden Unterton, den er gegenüber Menschen hier angewendet hat", sagte Laschet. "Aber in der Sache gibt es Defizite und die muss man bekämpfen."
Bosbach rechtfertigt sich
Nach Einschätzung von Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach wird es ein eigenständiges Integrationsministerium auf Bundesebene nicht geben. "Das Thema ist vom Tisch", sagte der CDU-Politiker der ARD. Eine andere Frage sei, ob die Kompetenzen in der Regierung zum Thema Integration nicht besser gebündelt werden sollten. Bislang sind die Zuständigkeiten auf die im Kanzleramt angesiedelte Integrationsbeauftragte, das Arbeits-, das Familien- und das Innenministerium verteilt.
Bosbach rechtfertigte zudem seine Äußerungen zu Integrationsproblemen von Ausländern. Er hatte in einem Interview gesagt, wer nicht an Deutschkursen teilnehmen wolle und "sich nicht ernsthaft um Arbeit bemüht, der kann nicht erwarten, dass er hier dauerhaft auf Kosten des Steuerzahlers lebt". Der CDU-Politiker bekräftigte, er habe auf die geltende Rechtslage hingewiesen. Wer sich weigere, Deutsch zu lernen, müsse "Konsequenzen spüren", sagte er.
"Wirklichkeit, wie sie ist"
In der Sache richtig, aber im Ton vergriffen - nahm der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano Sarrazin in Schutz. "Sarrazin beschreibt die Wirklichkeit darin so, wie sie ist, und nicht wie seit vielen Jahren von der politischen Korrektheit dargestellt", sagte der Publizist dem Sender "MDR Info".
Sarrazin selbst äußerte sich am Dienstag nicht. Der SPD-Politiker hatte mit seinem Interview einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Im In- und Ausland gab es heftige Kritik von jüdischen und muslimischen Verbänden - auch wenn die Äußerungen in der Bevölkerung laut Umfragen auf Zustimmung stießen. Sarrazin entschuldigte sich später, lehnte einen Rücktritt aber ab.
Quelle: ntv.de, dpa