Nach Schwulen-Referendum folgt Sprachenstreit Kroatien wird neues Problemkind der EU
02.12.2013, 16:24 UhrErst vor einem halben Jahr wird der EU-Beitritt Kroatiens trotz vieler Bedenken durchgesetzt. Doch der bringt nicht den erhofften Schwung in das Land. Jetzt folgt der Katzenjammer über die Politik des neuen Mitglieds.

Die Markuskirche in der Altstadt von Zagreb und rechts das kroatische Parlament.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Nein zur Homo-Ehe bei einem Referendum in Kroatien hat Menschenrechtsaktivisten auf den Plan gerufen. Der bekannte kroatische Aktivist Zoran Pusic sprach von einem "gefährlichen Schritt". Die per Volksabstimmung durchgesetzte Verfassungsänderung, die die Ehe als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau definiert, widerspreche dem Grundtenor der kroatischen Verfassung, "die Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit sicherstellen und schützen sollte", sagte er.
Bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 38 Prozent hatten am Sonntag 66 Prozent der Wähler für eine Verankerung der traditionellen Ehe in der Verfassung gestimmt. Das Referendum war von einer konservativen Bürgerinitiative angestrengt worden. Unterstützt wurde es von der katholischen Kirche, der fast 90 Prozent der 4,2 Millionen Kroaten angehören.
Der EU-Beitritt des Landes hatte nicht den erhofften Schwung nach Kroatien gebracht. Das Land gilt als tief gespalten in die alten Lager der 90er Jahre: Auf der einen Seite die wenigen liberalen Modernisierer und Europa-Enthusiasten, auf der anderen Seite die große Mehrheit der Euroskeptiker und Traditionalisten. Unter ihnen geben sich immer mehr als Nationalisten zu erkennen. Nach Ihrem Sieg am Sonntag kündigten sie umgehend ein weiteres Referendum an, mit dem der serbischen Minderheit der Gebrauch ihrer Sprache im öffentlichen Raum untersagt werden soll. Es wäre ein weiterer Schlag für Minderheiten in diesem Land.
Proteste auch aus Deutschland
Der deutsche Grünen-Abgeordnete Volker Beck übte nach dem Referendum scharfe Kritik am Verhalten der katholischen Kirche. Mit ihren Äußerungen zu der Abstimmung stellten die kroatischen Bischöfe "die Grundlagen der Glaubensfreiheit in Frage". Die Mitte-Links-Regierung von Regierungschef Zoran Milanovic will für homosexuelle Paare nun zumindest eingetragene Partnerschaften einführen und hat dazu bereits einen Gesetzesentwurf angekündigt.
Kroatiens Homosexuelle haben in den vergangenen Jahren bereits einige Fortschritte erzielt. Die Teilnehmer der ersten Gay-Pride-Parade im Jahr 2002 waren noch von Extremisten verprügelt worden. Mittlerweile finden regelmäßig Schwulen- und Lesbenumzüge in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik statt. 2003 wurden homosexuellen Paaren die gleichen Rechte gewährt wie Heterosexuellen, die unverheiratet zusammenleben. Auch in den Medien wird Homosexualität nicht mehr so stark tabuisiert.
Lau einer Umfrage bekennen sich nur 37 Prozent, also gut ein Drittel der kroatischen Schwulen und Lesben zu ihrer sexuellen Orientierung. 74 Prozent der Homosexuellen sind demnach Opfer von Diskriminierungen, 17 Prozent erlebten auch körperliche Angriffe.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP