"Macht euch keine Sorgen mehr" Kroes: ACTA hat sich erledigt
04.05.2012, 14:04 Uhr
Frau Kroes soll die politische Realität beobachtet haben.
(Foto: AP)
Lange kämpfen Netzaktivisten gegen die EU-Kommission um das umstrittene Urheberrechtsabkommen ACTA. Beide waren bislang unversöhnlich. Nun erklärt ausgerechnet EU-Kommissarin Kroes das Abkommen für erledigt. Der Verein Digitale Gesellschaft traut der Ankündigung nicht.
Die EU-Internetkommissarin Neelie Kroes erwartet offenbar kein Inkrafttreten des umstrittenen ACTA-Abkommens zum Urheberrecht mehr. "Wir haben in letzter Zeit viele tausend Menschen gesehen, die zum Protest bereit sind gegen Bestimmungen, die sie als Einschränkung sehen für die Offenheit und die Innovationskraft des Internets", sagte Kroes auf der Internetkonferenz re:publica zu den Protesten gegen ACTA und das US-Gesetz gegen Internetpiraterie SOPA. "Wir leben jetzt wahrscheinlich in einer Welt ohne SOPA und ACTA."
Ein Sprecher der EU-Kommission sagte in Brüssel zu den Äußerungen der Niederländerin: "Sie hat nicht gesagt, dass ACTA tot ist." Die Debatte über das Abkommen werde weiter geführt. "Aber offensichtlich beobachtet Frau Kroes zur gleichen Zeit auch die politische Realität." ACTA soll Produkt- und Markenpiraterie verhindern und weltweit den Schutz geistigen Eigentums verbessern, sowohl in der realen Welt wie im Internet. Kritiker befürchten insbesondere eine Beschränkung der Freiheit im weltweiten Datennetz.
Proteste als Weckruf verstanden
"Macht Euch um ACTA keine Sorgen mehr", sagte Kroes in Richtung der Netzaktivisten auf der Konferenz re:publica. Es sei wahrscheinlich, dass das Vertragswerk nicht in Kraft treten werde, erklärte die Kommissarin für die Digitale Agenda. Die vielen Proteste gegen Acta seien ein Weckruf für die Politiker in Brüssel gewesen.
Der Verein Digitale Gesellschaft nahm Kroes' öffentliches Bekenntnis positiv auf. Allerdings sei damit das Abkommen noch längst nicht erledigt, sagte der Vorsitzende Markus Beckedahl. "Wir setzen auf die Abstimmung im Europaparlament. Bis dahin kann noch viel passieren." Der Verein ruft bis zum Votum, das voraussichtlich Anfang Juli erfolgt, weiter zu Aktionen gegen ACTA auf.
In ihrer Rede lobte Kroes die Aktivitäten der Netzaktivisten. Viele kämpften bereits für die Internetfreiheit, etwa mit ihren Protesten gegen ACAT: "Das ist eine starke neue politische Stimme." Auch wenn sie nicht alle Forderungen teile, begrüße sie die neue Kraft für Offenheit. "Das Beste am Internet ist, dass es offen ist. Ich will, dass es so bleibt."
Künstler müssen fair bezahlt werden
Zugleich mahnte Kroes in ihrer Rede auf der Konferenz eine faire Bezahlung für Künstler und Kreative an. Der Wandel von analog nach digital bedeute nicht, dass Inhalte immer kostenlos seien. Es bedürfe allerdings neuer Möglichkeiten, Inhalte zu vertreiben und Arbeit zu honorieren. Veraltete Regeln verhinderten diese manchmal - etwa das Urheberrecht. Manche Leute seien auch zu bequem um zu erkennen, dass die Welt sich gewandelt habe.
Vor diesem Hintergrund und angesichts massiver Proteste beschloss die EU-Kommission, die ACTA ausgehandelt hatte, im Februar, den Europäischen Gerichtshof um eine Prüfung zu bitten. Zugleich wird ACTA derzeit im Europaparlament diskutiert, hier zeichnet sich immer größerer Widerstand ab. Auch die EU-Mitgliedstaaten müssen dem Vertrag zustimmen. Deutschland hat den Prozess zur Zustimmung vorerst auf Eis gelegt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP