"Alle Kubaner weinen heute Nacht" Kuba betrauert seinen Revolutionsführer
26.11.2016, 11:30 Uhr
Raúl Castro verkündete des Tod seines Bruders im Fernsehen.
(Foto: REUTERS)
Viele Kubaner kennen kein Leben ohne den ewigen Revolutionsführer. Nach Castros Tod trauern viele Menschen, auch Russlands Präsident äußert sich bestürzt. Auf den Straßen von Miami sieht die Stimmung dagegen ganz anders aus.
Die bittere Nachricht erreicht die Kubaner am späten Abend. Präsident Raúl Castro erscheint im Staatsfernsehen, in olivgrüner Uniform an einem schlichten Schreibtisch. Mit gefasster Stimme gibt er den Tod seines großen Bruders bekannt. "Liebes kubanisches Volk. Mit tiefer Trauer informiere ich unser Volk und unsere Freunde in Amerika und aller Welt, dass heute - am 25. November 2016 - um 22:29 Uhr am Abend der Kommandeur der kubanischen Revolution, Fidel Castro Ruz, gestorben ist", sagt der kubanische Präsident am Freitagabend. "Auf seinen Wunsch wird seine Leiche verbrannt. Am Samstag wird das Organisationskomitee für seine Beerdigung das Volk über die Veranstaltung zu Ehren des Gründers der kubanischen Revolution informieren. Immer bis zum Sieg."
Die meisten Kubaner können sich ein Leben ohne den "Máximo Líder" gar nicht vorstellen. "Alle Kubaner weinen heute Nacht", sagt eine 42-Jährige in der Hauptstadt Havanna. Seit dem Sieg der Revolution 1959 hat Castro die Geschicke der Karibikinsel gelenkt. In seiner Amtszeit trotzte er zehn US-Präsidenten. Angeblich überlebte er mehr als 600 Mordanschläge. Ihn umgab die Aura eines Unsterblichen.
Autokorsos in Miami
Andererseits sind die Kubaner eigentlich seit zehn Jahren auf diesen Tag vorbereitet. Bereits im Juli 2006 musste Fidel Castro nach einer schweren Darmerkrankung die Macht an seinen jüngeren Bruder Raúl abgeben. Bereits damals sei er am Rande des Todes gewesen, räumte er später ein. "Ich werde 100 Jahre weinen", sagt Digna Maritza in Havanna. "Fidel hat uns Armen alles gegeben." Junge Leute kommen aus den Clubs und Bars - ungläubige Gesichter. In einer Cafeteria warten die Leute auf weitere Nachrichten.
In Little Havanna in Miami hingegen feiern die Exil-Kubaner den Tod des ihnen verhassten Revolutionsführers. Sie schwenken kubanische Flaggen, skandieren "Er ist gestorben, er ist gestorben" und fahren in hupenden Autokorsos durch die Straßen, wie auf einem Video der US-Zeitung "Miami Herald" zu sehen ist. Auch in Havanna gibt es einige Leute, die sich über den Tod des Revolutionsführers freuen. "Gut, dass er tot ist. Jetzt fehlt nur noch der Bruder", sagt Jorge Gonzalez. Der 22-Jährige erklärt, er müsse sich prostituieren, um über die Runden zu kommen. "Was wir brauchen, sind Jobs."
Die internationale Linke hingegen hat eine Ikone verloren. Venezuelas sozialistischer Regierungschef Nicolás Maduro schrieb auf Twitter: "Fidel hat sich auf den Weg in die Unsterblichkeit jener gemacht, die ihr ganzes Leben kämpfen. Immer bis zum Sieg." Ecuadors Staatschef Rafael Correa sagte: "Ein Großer ist von uns gegangen. Es lebe Kuba. Es lebe Lateinamerika." Boliviens Präsident Evo Morales nannte ihn "einen Giganten der Geschichte". Der salvadorianische Präsident und ehemalige Guerilla-Kommandeur Salvador Sánchez Cerén schrieb: "Fidel wird für immer im Herzen der solidarischen Völker leben, die wir für Gerechtigkeit, Würde und Brüderlichkeit kämpfen." Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bezeichnete ihn als "den Größten aller Lateinamerikaner". Argentiniens Fußballidol Diego Maradona, der mit Castro befreundet war, sagte: "Ich bin schrecklich traurig, denn er war wie ein zweiter Vater."
Kolumbiens Regierung und die linke Guerillaorganisation Farc dankten Castro für die Unterstützung des Friedensprozesses. "Am Ende seiner Tage hat Fidel Castro eingesehen, dass der bewaffnete Kampf nicht der richtige Weg ist", twitterte Präsident Juan Manuel Santos. Farc-Kommandeur Rodrigo "Timochenko" Londoño schrieb: "Einer der großen Männer Amerikas und der Welt ist von uns gegangen. Ewiger Ruhm seinem Andenken. Es lebe Fidel." Die Friedensverhandlungen zwischen Regierung und Farc wurden seit November 2012 in Havanna geführt.
"Herausragender Staatsmann"
Der russische Präsident Wladimir Putin würdigte den verstorbenen Revolutionsführer als "Symbol einer Epoche". In einem vom Kreml Telegramm hieß es: "Fidel Castro war ein aufrichtiger und verlässlicher Freund Russlands". Der Name dieses "herausragenden Staatsmanns" werde "zu Recht als Symbol einer Ära in der modernen Weltgeschichte" angesehen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach den Kubanern sein Beileid aus. "Ich hoffe, dass Kuba den Weg zu mehr Reformen und Wohlstand fortsetzen wird."
Der letzte Präsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, erklärte laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax, Castro habe der "härtesten Blockade" der USA widerstanden und sein Land "gestärkt". Er werde stets als "großer Politiker" in Erinnerung bleiben. Die Sowjetunion war international der engste Verbündete der kubanischen Revolutionäre.
"Er hat die kubanische Revolution verkörpert, sowohl in den Hoffnungen, die sie geweckt hat, als auch in den Enttäuschungen, die sie hervorrief", sagte Frankreichs Staatschef Francois Hollande. Castro sei ein Akteur des Kalten Kriegs gewesen, "und stand für den Stolz der Kubaner, sich der Fremdherrschaft zu widersetzen". Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy sprach von einer "Figur von historischer Bedeutung". In Madrid lieferten sich allerdings Anhänger und Gegner Castros vor der kubanischen Botschaft verbale und gewaltsame Auseinandersetzungen. Nach Medieninformationen wurde niemand ernsthaft verletzt. "Das chinesische Volk hat einen guten und wahrhaftigen Genossen verloren. Genosse Castro wird immer weiterleben", teilte Chinas Staatschef Xi Jinping mit.
Auch Papst Franziskus zeigte sich betroffen von Castros Tod. In einem Beileidstelegramm an Raúl Castro äußerte er seine "Gefühle des Schmerzes". Er bete für den "lieben Bruder". Unter Vermittlung von Papst Franziskus und dem Heiligen Stuhl hatten Kuba und die USA Ende 2014 die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Franziskus kam zuletzt bei einem Besuch auf Kuba im vergangenen Februar mit Fidel Castro zusammen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP