Politik

"Wir haben alle verschuldete Haushalte" Länder rebellieren gegen Merkel

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(Foto: dpa)

Der Widerstand der CDU-Ministerpräsidenten gegen Entlastungen wächst. Vier Landeschefs sprechen sich gegen die Pläne der Bundesregierung aus. "In guten Zeiten werden die Haushalte versaut", warnt etwa Sachsens Ministerpräsident Tillich. SPD-Fraktionschef Steinmeier sieht derweil in den Plänen eine mit Steuern finanzierte Wahlhilfe für die FDP. "Das ist dreist", sagt er.

Vier CDU-Ministerpräsidenten haben sich skeptisch zu Steuersenkungen zum jetzigen Zeitpunkt geäußert. "Diese Diskussion brauchen wir deswegen nicht, weil wir alle verschuldete Haushalte haben", sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Rainer Haseloff, vor der CDU-Präsidiumssitzung. "In guten Zeiten werden die Haushalte versaut", warnte sein sächsischer Kollege Stanislaw Tillich.

Auch die thüringische Landeschefin Christine Lieberknecht äußerte sich skeptisch: "Ich denke, die Koalition hat genügend Projekte, die sie jetzt mal zielstrebig zu Ende bringen sollte. Und alles andere nimmt uns der Bürger sowieso nicht ab", sagte sie.

Die Meinung wird offenbar auch von Landeschefs der CDU im Westen geteilt. "Ich sehe, dass im Moment eine Steuerreform keine Stunde hat und keine Zeit", sagte auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen. Nötig seien mehr Ausgaben für Bildung, die Energiewende und Investitionen in die Infrastruktur. "Ich glaube, das andere ist im Moment nicht zu finanzieren", sagte er zu Steuersenkungsplänen.

Lindner fordert Kabinettsdisziplin

Ungeachtet der Kritik hält die Bundesregierung allerdings an dem Vorhaben einer Steuerentlastung fest. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Ziel ist es, kleine und mittlere Einkommen steuerlich zu entlasten." Das solle in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. Noch lägen allerdings keine konkreten Pläne auf dem Tisch. Seibert betonte, das Ziel der Haushaltskonsolidierung habe "allerhöchste Wichtigkeit" und werde konsequent weiterverfolgt. Dies müsse nun zusammengebracht werden mit den Plänen einer Entlastung. Über den Umfang der geplanten Entlastungen machte er keine Angaben.

Brüderle erhofft sich von den Entlastungen Wachstumsimpulse.

Brüderle erhofft sich von den Entlastungen Wachstumsimpulse.

(Foto: dpa)

FDP-Generalsekretär Christian Lindner forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU auf, die von den Koalitionsspitzen verabredete steuerliche Entlastung der Mittelschicht zügig umzusetzen. Lindner sagte: "Wir sind jetzt auf einer Ebene, wo die Chefs sprechen. Und die Chefs haben sich darauf verständigt, dass etwas kommt." Es sei völlig klar, dass alle Minister in die Kabinettsdisziplin eingebunden seien und sich daran halten müssten, was Kanzlerin Angela Merkel als Richtlinie vorgebe. Kritik von Ländern und Opposition, die steuerliche Entlastung gefährde die Sparziele, wies die FDP zurück. Die Schuldenbremse werde penibel eingehalten, sagte Lindner.

Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle verteidigte die geplante Steuerentlastung und erinnerte die Union an ihre Zusagen. "Ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass die Unionsparteien auch in der Zukunft ein zuverlässiger Partner sein werden", sagte Brüderle. Den Widerstand von Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU wollte er nicht überbewerten. "Dass der Finanzminister immer auch besonders vorsichtig ist, ist ja keine Besonderheit."

Mit einer Entlastung der Mittelschicht würden Wachstumsimpulse gesetzt. Der Aufschwung müsse gestärkt werden. Dieser sei durch die Griechenland-Krise und die schwache US-Konjunktur gefährdet. Steuersenkungen seien eine Frage der Gerechtigkeit und keine Wahlhilfe für die FDP. Brüderle reagierte damit auf einen Vorwurf von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Brüderle sagte: "Das ist Quatsch. Es geht nicht um Profilschminke, sondern um gute Substanzpolitik für Deutschland."

SPD verschiebt eigene Vorlage

Steinmeier hatte der Union vorgeworfen, sie wolle die angekündigten Steuersenkungen nutzen, um dem Koalitionspartner FDP "wieder auf die Beine zu helfen". "Das ist keine Steuerreform, sondern eine mit Steuergeld", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Das ist wirklich dreist." Die Koalition wolle mit neuen Milliarden-Schulden eine Mini-Steuerreform finanzieren. Das geplante SPD-Steuerkonzept dagegen werde "durchgerechnet und vernünftig" sein. "Wir werden nicht mit Milliarden neuen Schulden einige wenige beschenken", so Steinmeier.

Steinmeier: "In den Ländern haben sie den Braten schon gerochen."

Steinmeier: "In den Ländern haben sie den Braten schon gerochen."

(Foto: picture alliance / dpa)

Die SPD verschob allerdings die Vorlage ihres Steuer- und Abgabenkonzepts auf den Herbst. Wie aus Parteikreisen verlautete, verständigte sich die SPD-Spitze darauf. Parteichef Sigmar Gabriel hatte die Vertagung mit der Begründung vorgeschlagen, in den Sommermonaten solle man die Koalition über ihre eigenen Steuerpläne streiten lassen. Auch innerhalb der SPD gibt es allerdings über das eigene Konzept noch Differenzen. Ursprünglich sollten die Pläne noch vor der Sommerpause präsentiert werden. Endgültig soll ein Parteitag im Dezember darüber entscheiden.

Als "unverantwortlich" kritisierte der SPD-Vorstand die Steuerpläne der Koalition. Die angekündigte Steuersenkung sei ein "klarer Verstoß gegen die Schuldenbremse", hieß es in einem Beschluss. Union und FDP wollten sich damit eine "Wahlkampfkasse auf Pump" für die Bundestagswahl 2013 anlegen. Die SPD werde sich deshalb "auf allen Verfassungswegen" diesen Plänen entgegenstellen, hieß es weiter.

Quelle: ntv.de, dpa

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