Politik

Schwarz-gelber Atomausstieg Länder wollen mitentscheiden

Biblis A und B bleiben vom Netz - Biblis B könnte allerdings als "Stand by"-Meiler weiterlaufen.

Biblis A und B bleiben vom Netz - Biblis B könnte allerdings als "Stand by"-Meiler weiterlaufen.

(Foto: dpa)

Die Koalition hat sich auf einen Atomausstieg bis spätestens 2022 festgelegt. Nun soll die Opposition ins Boot geholt werden. Doch SPD und Grüne sind kritisch. Auch die SPD-Länder wollen beteiligt werden. In Polen startet eine Debatte über den dort geplanten Einstieg in die Atomkraft.

Die SPD-regierten Länder sehen die schwarz-gelben Atomausstiegspläne skeptisch und pochen auf eine Beteiligung des Bundesrats. "Wir wollen eine unumkehrbare Ausstiegsvereinbarung auf einer klaren gesetzlichen Grundlage", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) dem "Handelsblatt". Es müsse auch einen bindenden Plan für den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien geben.

Kanzlerin Merkel und die Minister Röttgen, Rösler und Ramsauer erklären den Ausstiegsplan.

Kanzlerin Merkel und die Minister Röttgen, Rösler und Ramsauer erklären den Ausstiegsplan.

(Foto: dpa)

"Außerdem erwarte ich, dass die Bundesregierung dieses Mal die Länder ordentlich beteiligt", so Beck. Im vergangenen Jahr hatte sich die Koalition geweigert, den Bundesrat an der Entscheidung über die Verlängerung der AKW-Laufzeiten zu beteiligen. Dagegen haben einige Länder Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Energiegipfel am Freitag

Für Freitag hat Kanzlerin Angela Merkel die Bundesländer zu einem Energiegipfel geladen, um für die Unterstützung der Beschlüsse von Union und FDP zu werben. In den SPD-geführten Ländern stößt vor allem das Vorhaben, einen der stillgelegten Altmeiler bis 2013 als "Kaltreserve" für eventuelle Engpässe bereit zu halten und so Stromausfälle zu verhindern, auf Kritik.

Union und FDP hatten in der Nacht zum Montag den Ausstieg aus der Atomkraft bis spätestens 2022 beschlossen. Der Großteil der Atommeiler soll bis 2021 vom Netz. Falls es Probleme bei der Energiewende gibt, könnten die letzten drei Meiler erst zum 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden.

Grüne gegen "Stand by"

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir machte eine Zustimmung seiner Partei zu den Plänen der Bundesregierung von deren Bereitschaft abhängig nachzubessern. Dazu gehöre, dass die sieben ältesten Meiler und das Pannenkraftwerk Krümmel abgeschaltet bleiben müssten, forderte er in der "Passauer Neuen Presse". Als "nicht akzeptabel und physikalischen Unfug" bezeichnete Özdemir die "Stand by"-Regelung.

AKWs zu Freizeitparks: Aus dem "Schnellen Brüter" ist mittlerweile das "Wunderland Kalkar" geworden.

AKWs zu Freizeitparks: Aus dem "Schnellen Brüter" ist mittlerweile das "Wunderland Kalkar" geworden.

(Foto: dpa)

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin unterstrich in der ARD: "Was wir brauchen, ist eine Energiepolitik, die auf einen Konsens mit der ganzen Bevölkerung unter Einschluss auch der Umweltverbände zielt. Dieser Konsens kann nur darauf rauslaufen, dass man so schnell wie möglich - und das ist schneller als 2020 - aus der Atomenergie aussteigt, und dass man die wegfallenden Kapazitäten nicht durch Kohle, sondern durch erneuerbare Energien ersetzt." Die Grünen seien bereit mit der Kanzlerin zu verhandeln. "Zu verhandeln heißt, dass man nicht Zahlen diktieren kann."

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) signalisierte der Opposition Verhandlungsbereitschaft. "Jetzt ist jeder eingeladen, noch einen Vorschlag zu machen, aber auch bitte mit dem Willen zum Ergebnis und zum Konsens beizutragen", sagte er in der ARD.

Kritiker in CDU nicht verstummt

Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion, Arnold Vaatz, kritisierte den Atomausstiegsbeschluss scharf. "Das ist für Deutschland eine nicht wieder gut zu machende Katastrophe", sagte der CDU-Politiker der "Mitteldeutschen Zeitung". "Der Ausstiegsbeschluss wird die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes irreparabel beschädigen." Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, äußerte sich ähnlich.

Handwerk hofft auf "Riesenschub"

Das Handwerk erhofft sich einen "Riesenschub" von der Energiewende. Um beim Energiesparen in Gebäuden voranzukommen, sollen die Mittel für die Gebäudesanierung auf 1,5 Milliarden Euro steigen. "Allerdings sollten aus Expertensicht mindestens zwei Milliarden Euro dafür vorgesehen werden, und das unbedingt ab 2012", sagte der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Die Sanierung veralterter Heizungsanlagen und der Gebäude seien ein «Schlüssel für die Energiewende», sagte Schwannecke. "Einsparung ist unsere nachhaltigste Energiequelle." Er erwarte schnelle Erfolge. Die energetische Sanierung müsse auch verstärkt im gewerblichen Bereich und bei öffentlichen Gebäuden vorangebracht werden.

Polnischer Minister denkt laut nach

Nach dem deutschen Beschluss zum Atomausstieg hat Polens Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak vorgeschlagen, den geplanten Einstieg seines Landes in die Atomkraft zu überdenken. "Die Entscheidung Deutschlands sollte uns dazu bewegen, unsere Pläne noch einmal zu überprüfen", sagte Pawlak im polnischen Fernsehen. "Das Unglück im japanischen Fukushima hat die Frage nach der Sicherheit aufgeworfen, und nun sind es unsere direkten Nachbarn, die eine Entscheidung getroffen haben."

Polen deckt seinen Energiebedarf derzeit zu 94 Prozent aus Kohle. Im Jahr 2020 soll das erste von zwei geplanten Atomkraftwerken in Betrieb genommen werden. Sie sollen jeweils eine Kapazität von 3000 Megawatt haben.

König fordert Endlager-Konsens

Wolfram König ist Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz.

Wolfram König ist Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz.

(Foto: dpa)

Der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König, forderte eine gemeinsame Kraftanstrengung für einen Konsens im Endlagerbereich. Das Thema sei eine Herausforderung, die nicht innerhalb von ein paar Jahren oder gar einer Legislaturperiode zu lösen sei. Am Montag hatte auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) überraschend seine Bereitschaft geäußert, neben Gorleben weitergehende Untersuchungen in der Endlagerfrage zu unterstützen.

Besonders in Süddeutschland könnten geeignete Gesteinsformationen liegen. "Die Lehre nicht zuletzt aus Gorleben ist, ohne einen Konsens, ohne Bürgerbeteiligung, ist kein Standort zu realisieren", sagte König. Der Salzstock sei 1977 in einem nicht nachvollziehbaren Verfahren ausgewählt worden.

"Eine ergebnisoffene Suche bedeutet, dass man sich Wirtsgesteinen, die grundsätzlich infrage kommen - Salz, Ton und mit Abstrichen Granit - nicht mit Ländergrenzen nähert, sondern nach geo-wissenschaftlichen Gesichtspunkten", sagte König.

Quelle: ntv.de, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen