Politik

EU derzeit nicht erweiterungsfähig Lammert für Aufnahmestopp

Die EU ist derzeit genug mit sich selbst beschäftigt, findet Norbert Lammert.

Die EU ist derzeit genug mit sich selbst beschäftigt, findet Norbert Lammert.

(Foto: AP)

Die Europäische Union ist so mit der Lösung der Finanzkrise beschäftigt, dass sie derzeit keine neuen Mitglieder gebrauchen kann. Dieser Ansicht ist Bundestagspräsident Lammert und warnt zum Beispiel vor einem zu raschen Beitritt Kroatiens. Die SPD zeigt sich entsetzt. Lammert ziehe den größtmöglichen Fehlschluss aus dem Friedensnobelpreis.

Der Bundestagspräsident warnt vor "Erweiterungsehrgeiz".

Der Bundestagspräsident warnt vor "Erweiterungsehrgeiz".

(Foto: dapd)

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat sich für einen vorläufigen Erweiterungsstopp der Europäischen Union ausgesprochen. "Für die unmittelbar bevorstehende Zukunft halte ich die Europäische Union nicht für erweiterungsfähig", sagte der CDU-Politiker der Zeitung "Welt am Sonntag".

"Wir haben so viele dringende Aufgaben in der Konsolidierung der Gemeinschaft zu erledigen, dass wir nicht erneut den Ehrgeiz der Erweiterung an die Stelle der notwendigen Stabilisierung treten lassen sollten." Insbesondere warnte Lammert vor einem raschen Beitritt Kroatiens. "Wir müssen - gerade nach den Erfahrungen mit Bulgarien und Rumänien - den jüngsten Fortschrittsbericht der EU-Kommission ernst nehmen: Kroatien ist offensichtlich noch nicht beitrittsreif."

Die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien hätten eine Beitrittsperspektive, müssten die Voraussetzungen für einen Beitritt zur Europäischen Union aber selber schaffen, sagte Lammert. "Dabei darf die gute Absicht nicht an die Stelle der nachgewiesenen Veränderungen treten."

"Leichtfertiges Gerede"

Die Einschätzung des CDU-Politikers stößt in der SPD auf Unverständnis. Ihn verstöre Lammerts "leichtfertiges Gerede über die EU-Erweiterung", sagte Baden-Württembergs Europaminister Peter Friedrich dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". "Wer den Beitritt Kroatiens in Frage stellt, der spricht der EU die Kraft ab, auch in Zukunft Frieden in Europa zu stiften. Das ist der größtmögliche Fehlschluss aus dem Friedensnobelpreis", so Friedrich.

Ein Beitritt Kroatiens sei im strategischen und wirtschaftlichen Interesse Deutschlands, aus den Fehlern der Beitrittsprozesse Rumäniens und Bulgariens seien die notwendigen Konsequenzen gezogen worden, sagte der SPD-Politiker. Kroatien dürfe nicht für die Fehler anderer verantwortlich gemacht werden.

Mehr Integration

Angesichts der Schuldenkrise sprach sich Lammert dafür aus, den europäischen Integrationsprozess fortzusetzen. "Das Ungleichgewicht zwischen der ökonomischen und der politischen Integration, das zu den unerfreulichen Turbulenzen geführt hat, muss jedenfalls dringend beseitigt werden", sagte er. "Wir müssen in allen Euro-Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Haushalts- und Fiskalpolitik realisieren." Der europäische Fiskalpakt habe dazu wichtige Voraussetzungen geschaffen. Nun müssten sich die Europäer "auf ein Verfahren verständigen, wie die vertraglich vereinbarte Haushaltsdisziplin durch die Gemeinschaft kontrolliert, notfalls korrigiert und gegebenenfalls auch sanktioniert werden kann". Dazu müsse man die jeweiligen parlamentarischen Verfahren auf nationaler und europäischer Ebene verbinden. "Ich bin zuversichtlich, dass wir zu einer guten Lösung kommen", sagte Lammert.

Kritisch äußerte sich Lammert zu den Protesten gegen Kanzlerin Angela Merkel während ihres Besuches in Athen. "Das ist zweifellos ungerecht und ärgerlich, aber man muss ein bisschen auch die wunde Seele eines geplagten Volkes verstehen. Die Reformen sind für die große Mehrheit der einfachen Leute grausam, gerade weil sie selber die entstandenen Probleme nicht verursacht haben." Allerdings fänden die Korrekturen nicht auf deutsche Veranlassung statt, sondern seien Folge einer jahrelangen griechischen Fehlentwicklung. "Dass man die Ursache gerne außerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs sucht - diese Erfahrung macht man in Griechenland nicht zum ersten Mal."

Quelle: ntv.de, sla/rts

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