Merkel lädt ins Kanzleramt Lammert warnt vor ESM-Debakel
07.07.2012, 18:23 UhrDie Kanzlerin empfängt die Chefs von CSU und FDP zum Dreier-Gespräch. Angeblich geht es um den Euro. Mit Spannung blickt die Regierung auch zum Verfassungsgericht, das sich am Dienstag mit ESM und Fiskalpakt befasst. Führende Politiker mahnen schon mal. Sollte Karlsruhe das Gesetz kippen, hätte das gravierende Folgen nicht nur für Deutschland.
Vor dem Hintergrund der Euro-Schuldenkrise hat sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überraschend mit den Parteichefs von CSU und FDP, Horst Seehofer und Philipp Rösler, getroffen. Ein Sprecher der FDP bestätigte das Treffen vom Freitagabend im Kanzleramt. Zu den Inhalten wollte er aber keine Aussage machen. Nach Informationen der "Bild-Zeitung" ging es bei dem Treffen unter anderem um die Anträge Spaniens und Zyperns auf Hilfen aus den Euro-Rettungsschirmen. Das Gespräch soll knapp zwei Stunden gedauert haben.
Seehofer hatte am Dienstag in einem "Stern"-Interview mit dem Bruch der Koalition gedroht, sollte die Bundesregierung den Euro-Krisenstaaten weitere finanzielle Zugeständnisse machen. Nach dem Brüsseler EU-Gipfel sehe er großen Erklärungsbedarf, sagte Seehofer. Bei der FDP hatten Seehofers Äußerungen für Verärgerung gesorgt. Die Kanzlerin sah darin aber keine nachhaltige Belastung des Koalitionsfriedens. Seehofer habe klargestellt, dass der seine Äußerungen nicht so gemeint habe.
Lammert nimmt Entscheidung vorweg
Bundestagspräsident Norbert Lammert warnte unterdessen vor gravierenden Folgen, falls der Euro-Rettungsschirm ESM und der europäische Fiskalpakt in Karlsruhe scheitern sollten. Das Bundesverfassungsgericht befasst sich am Dienstag mit Eilanträgen gegen den ESM und den Fiskalpakt.
Sollten die Karlsruher Richter die Gesetze für grundgesetzwidrig erklären, hätte das heftige Folgen nicht nur für Deutschland, mahnte Lammert im SWR. "Deswegen habe ich keinen Zweifel, dass das Bundesverfassungsgericht auch diese Zusammenhänge in die eigene Urteilsbildung einbeziehen wird." Das habe das Gericht bei völkerrechtlichen Verträgen auch früher schon getan.
Mit dem ESM gebe es jetzt ein Instrumentarium, "das uns besser als in der Vergangenheit in die Lage versetzt, mit solchen Turbulenzen (wie der Euro-Schuldenkrise) umzugehen", sagte Lammert weiter. Er unterstützte auch den Regierungskurs einer weiteren politischen Integration Europas: "Ganz offenkundig haben wir einen Mangel an politischer Integration im Vergleich zu der ökonomischen Integration, die wir bereits vollzogen haben", erklärte der CDU-Politiker.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle machte in der "Welt am Sonntag" deutlich, dass er eine schnelle und positive Entscheidung des Gerichts zum ESM und zum Fiskalpakt erwartet. "Beide Instrumente hat die Bundesregierung juristisch sehr sorgfältig prüfen lassen. Deshalb gehe ich fest davon aus, dass Karlsruhe weder den Fiskalpakt noch den Rettungsschirm aufhalten wird", sagte Brüderle. Der dauerhafte Rettungsschirm müsse so schnell wie möglich in Kraft treten. Klare Regelungen führten zu Vertrauen der Märkte.
SPD deutet Nein bei Bankenhilfe an
Die Kanzlerin kann nach Aussage der SPD-Parteilinken bei künftigen Abstimmungen in der Europa-Politik nicht dauerhaft auf die Stimmen der SPD zählen. Es werde immer schwieriger, den Wählern Hilfezahlungen zu erklären, sagte der Sprecher der Parlamentarischen SPD-Linken, Ernst-Dieter Rossmann. "Eine Finanzierung notleidender Banken ohne Auflage wird es mit uns nicht geben." Bei den Abstimmungen über den ESM und den Fiskalpakt hatten SPD und Grüne die Koalition noch unterstützt.
Beim EU-Gipfel Ende Juni hatten Spanien und Italien eine Vereinbarung durchgesetzt, die es dem künftigen Euro-Krisenfonds ESM ermöglichen soll, unter bestimmten Voraussetzungen auch direkt Kapital an angeschlagene Banken vergeben zu können. Der ESM und der bisherige Rettungsfonds EFSF sollen überdies ohne ein allzu strenges Auflagenprogramm Staatsanleihen von Euroländern kaufen können, die trotz Erfüllung der EU-Haushaltsvorgaben am Markt hohe Zinsen für ihre Schuldscheine zahlen müssen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP