Spekulationen um Neuwahlen in Italien Lega Nord: Kein "geheimer Pakt"
26.10.2011, 13:56 Uhr
(Foto: dpa)
Italiens Regierungschef Berlusconi will Medienberichten zufolge zum Jahreswechsel zurücktreten und den Weg für Neuwahlen freimachen. Dies habe er seinem Koalitionspartner Lega Nord versprochen, der im Gegenzug der Anhebung des Rentenalters auf 67 zustimmt. Hintergrund ist der Druck der EU, die Italien auf einen strikten Sparkurs zwingen will.
Silvio Berlusconis Koalitionspartner Lega Nord hat Medienberichte über eine geheime Abmachung dementiert, wonach der umstrittene Regierungschef Ende des Jahres zurücktritt und so den Weg für Neuwahlen freimacht. "Einen solchen geheimen Pakt gibt es nicht", sagte Lega-Sprecherin Nicoletta Maggi. "Diese Zeitungsberichte sind fabriziert worden, sie sollen die Regierung an dem Tag unterminieren, an dem Berlusconi nach Brüssel reist, um den Regierungsplan vorzustellen", erläuterte sie. Was die Lega Nord angehe, so habe sie im Moment eine abwartende Haltung.
Mehrere Zeitungen hatten berichtet, Berlusconi und Lega-Chef Umberto Bossi hätten sich auf einen Rücktritt bis Januar und Neuwahlen im März verständigt. Berlusconi habe dies angeblich mit Bossi in einem "geheimen Pakt" vereinbart und dem Koalitionspartner damit Neuwahlen im März 2012 versprochen, schreibt die römische Zeitung "La Repubblica". Auch die Turiner "La Stampa" berichtete von einer Vereinbarung in der Mitte-Rechts-Koalition, im Frühjahr nächsten Jahres vorgezogene Wahlen abzuhalten. Die Legislaturperiode läuft regulär im Frühjahr 2013 aus.
Bossi habe diese Vereinbarung mit Berlusconi in einem nächtlichen Gespräch vor dem EU-Gipfel geschmiedet, auf dem Brüssel von dem hoch verschuldeten Italien schriftliche Zusagen über Sanierungen erhalten wollte. Der Chef der populistischen Lega Nord habe als Gegenleistung in dem Pakt widerstrebend einer Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre zugestimmt, lehne eine Erhöhung der Dienstaltersjahre bis zur Pensionierung jedoch weiterhin ab, heißt es. Man erspare ihm die "Blamage", in Brüssel mit leeren Händen anzukommen, soll Berlusconi gesagt haben.
Lega-Nord-Chef Bossi hatte am Dienstag nach dem Kompromiss bereits gesagt, er sei pessimistisch, ob die Regierungskoalition überleben werde. Die Europäische Union müsse entscheiden, ob die Reformschritte ausreichten.
Berlusconi ohnehin geschwächt
Berlusconi selbst verwahrte sich offiziell gegen Druck aus Paris und Berlin. Kein EU-Land könne sich zum Lehrmeister aufschwingen und anderen Ländern Lektionen erteilen, erklärte der umstrittene Regierungschef.
Italiens Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gilt als eines der größten Probleme der Eurozone. Skeptiker befürchten, dass das Land den gesamten Währungsraum in Gefahr bringen könnte, sollte die Regierung das Vertrauen der Finanzmärkte nicht zurückgewinnen. Berlusconi ist durch Sex- und Korruptionsaffären geschwächt. Der Regierungschef hat bereits mehrere Vertrauensabstimmungen im Parlament nur mit Hilfe der Lega Nord überstanden.
Druck aus Brüssel
EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn forderte Berlusconi auf, Zweifel am Reform- und Sparwillen auszuräumen. Der Ministerpräsident müsse anderen Euro-Regierungschefs "einen klaren Zeitplan für konkrete Entscheidungen" vorlegen, sagte Rehn dem "Handelsblatt". Italien müsse einen ausgeglichenen Staatshaushalt bis 2013 wie versprochen erreichen und seine Partner überzeugen, dass überfällige Wirtschaftsreformen angepackt würden. Als Beispiel nannte Rehn die Öffnung staatlich geschützter Berufe, die Liberalisierung des Arbeitsmarktes und die Reform des Justizsystems.
In Diplomatenkreisen gibt es dem Blatt zufolge Erwägungen, dass der Internationale Währungsfonds die Eurozone unterstützen könnte, Italien auf Sparkurs zu bringen. "Der IWF könnte dabei helfen, die Fiskalpolitik von Eurostaaten wie Italien zu kontrollieren", zitierte die Zeitung einen hochrangigen Diplomaten. Die Eurozone selbst habe offenkundig Probleme damit, große Länder wie Italien zu disziplinieren. Zuletzt hatten Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy Berlusconi beim EU-Gipfel am Sonntag zu Reformen gedrängt.
Quelle: ntv.de, dpa/rts