Karlsruhe verhandelt über ESM-Klagen Leutheusser rügt Druck auf Richter
10.07.2012, 06:56 Uhr
Das Bundesverfassungsgericht wird erst Ende Juli das Urteil sprechen.
(Foto: dpa)
Der Bundesjustizministerin reicht es. Vor der Verhandlung über die Euro-Gesetze stärkt sie den Verfassungsrichtern den Rücken und pfeift Politiker zurück, die ihnen in die Urteilsfindung hineinreden. Derweil gibt es erst Stimmen, die den Klägern Verantwortungslosigkeit vorwerfen. Bei der ESM-Abstimmung im Bundestag klang das noch ganz anders.
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt heute über die Eilanträge gegen den Euro-Krisenfonds ESM und den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin. Mit einer Entscheidung über die Eilanträge wird bis Ende Juli gerechnet.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mahnte andere Politiker, sich vor der Karlsruher Entscheidung mit Äußerungen gegenüber den Richtern zurückzuhalten. "Regierung und Politik sollten sich hier absolut heraushalten, das Bundesverfassungsgericht braucht keine Hinweise", sagte die FDP-Politikerin der "Augsburger Allgemeinen". "Die Richter wissen auch um die Bedeutung, die ihre Entscheidung auf die Wirtschaft hat." Sie habe "überhaupt keine Sorge, dass die Entscheidung zu Irritationen führen wird", sagte die Ministerin.
Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff hatte die Urteilsfähigkeit der Richter in europäischen Angelegenheiten angezweifelt. Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle drückte seine Erwartung aus, dass sich das Gericht "intensiv mit den Folgen seiner Entscheidung befassen wird". Wenn sich der eigentlich für Anfang Juli vorgesehene Start des ESM-Rettungsfonds weiter verzögern sollte, "hätte dies ganz erhebliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte", sagte Barthle der "Berliner Zeitung".
Der CSU-Europapolitiker Thomas Silberhorn bemerkte in der "Bild"-Zeitung: "Das höchste deutsche Gericht braucht von niemandem politische Ratschläge, aber Respekt von allen vor seiner Unabhängigkeit und Würde."
Kläger sehen Demokratieprinzip verletzt
Der Verfassungsbeschwerde des Vereins "Mehr Demokratie" haben sich rund 12.000 Bürger angeschlossen. Eilanträge gegen die Rettungsmaßnahmen stellten auch die Fraktion der Linken im Bundestag, der CSU-Politiker Peter Gauweiler und eine Gruppe um den Nürnberger Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider.
Die Kläger rügen unter anderem eine Verletzung des Demokratieprinzips. Die Verpflichtungen für den Rettungsschirm ESM übersteige das, was der Bundestag verantworten dürfe. Dem Parlament entgleite die "haushaltspolitische Gesamtverantwortung". Der ESM führe dazu, dass die Europäische Union zu einer "Haftungs- und Transferunion" werde.
Der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis warf derweil den Klägern Verantwortungslosigkeit vor. "Die Stabilisierung unsrer Währung und damit unseres Wohlstands ist wichtiger als rechtstheoretisches Klein-Klein", sagte er der "Berliner Zeitung". Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold sagte dem Blatt, bei allem Verständnis für die Kläger sei die Verzögerung für die anderen Euroländer nicht akzeptabel. Deutschland beanspruche als einziges EU-Land derart viel Zeit für die juristische Prüfung. "Wenn sich das jedes Land herausnehmen würde, wäre Europa handlungsunfähig."
Noch bei der Abstimmung im Bundestag hatten sich alle Redner auch hinter die Kläger gestellt und gemahnt, deren Bedenken ernst zu nehmen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP