Politik

Eklat um europäische Repräsentanten Liberale trauern an Nemzows Grab

Blumen und Tränen in Moskau für den ermordeten Boris Nemzow.

Blumen und Tränen in Moskau für den ermordeten Boris Nemzow.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zur Beisetzung des Kreml-Kritikers Boris Nemzow versammeln sich Freunde und politische Weggefährten. Doch auch Präsident Putin lässt es sich nicht nehmen, Vertreter zu schicken. Obama und Merkel melden sich aus der Ferne zu Wort.

In Moskau haben tausende Russen dem ermordeten Regierungskritiker Boris Nemzow die letzte Ehre erwiesen. Die Trauergäste bildeten eine lange Schlange vor dem Menschenrechtszentrum "Andrej Sacharow", wo der 55-Jährige aufgebahrt war. Viele legten rote Nelken am offenen Sarg ab.

Die Hintergründe der Tat vom Freitag liegen weiter im Dunkeln, auch wenn die Ermittler anhand von Patronenhülsen den Typ der Mordwaffe identifizierten. Berater von Präsident Waldimir Putin bekräftigten, die Regierung habe nichts mit dem Attentat zu tun. Der Kreml entsandte zwei stellvertretende Ministerpräsidenten zur Trauerfeier. Einer davon war Arkadi Dworkowitsch, der zu den zunehmend an den Rand gedrängten Liberalen im Kreml gehört.

Zu einem diplomatischen Eklat kam es, als zwei Vertretern europäischer Staaten, die an der Trauerfeier teilnehmen wollten,  die Einreise nach Russland verwehrt wurde. Dabei handelte es sich um den Präsidenten des polnischen Senates, Bogdan Borusewicz, und die lettische EU-Abgeordnete Sandra Kalniete. Kalniete wurde nach russischen Angaben wegen antirussischer Aktivitäten zurückgewiesen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach von einem Affront.

"Die Schüsse wurden nicht nur auf Nemzow abgefeuert, sondern auf uns alle, auf die Demokratie in Russland", sagte der bekannte Kreml-Kritiker Gennadi Gudkow bei der Trauerfeier. "Ruhe in Frieden, mein Freund. Deine Arbeit wird fortgesetzt." Eine Rentnerin erklärte: "Er war unsere Hoffnung."

Saat des Hasses geht auf

Freunde werfen der Regierung vor, Hass gegen Kritiker zu säen. Nemzow sei ein Opfer dieser Atmosphäre geworden. Der Menschenrechtler Lew Ponomarjow beschuldigte staatliche Medien, Gegner des Kremls als Verräter zu stigmatisieren.

In der Halle hingen Fotos des bekanntesten Putin-Gegners an den Wänden. Es wurde gedämpfte Musik gespielt. Am Nachmittag wurde der Leichnam zum Friedhof Trojekurowskoje in einem Außenbezirk Moskaus überführt und beerdigt.

Bei den Trauergästen handelte es sich vor allem um Liberale, die seit dem Mord zutiefst beunruhigt sind. Sie stellen in der Bevölkerung eine Minderheit dar. Umfragen zufolge steht die Mehrheit der Russen trotz der Ukraine-Krise und der wirtschaftlichen Probleme wie dem Rubel-Verfall hinter Putin.

In dem Sacharow-Zentrum hatten sich auch einige Vertreter aus dem Kreis des ersten russischen Präsidenten Boris Jelzin eingefunden, die immer noch über gute Kontakte in die Regierung verfügen. Dazu zählten der Chef der Sberbank, German Gref, der frühere Finanzminister Alexej Kudrin, der Unternehmer Anatoli Tschubais und der Chef der staatlichen Atomfirma, Sergej Kirijenko. Nemzow selbst gehörte zum Kreis um Jelzin und galt zeitweise als sein möglicher Nachfolger.

Mahnungen aus Berlin und Washington

In Moskau halten sich Gerüchte, dass Jelzin Putin bei seinem Rücktritt 1999 das Versprechen abverlangte, seine Gefolgsleute zu schützen. Der Mord an Nemzow könnte deswegen von einigen Mitgliedern des ehemaligen Jelzin-Milieus als der Bruch einer Abmachung angesehen werden.

Von Washington aus kritisierte Obama die Regierung in Moskau. "Die Tat spiegelt ein Klima innerhalb Russlands wider, in dem sich die Zivilgesellschaft, kritische Journalisten und Internetnutzer zunehmend bedroht und eingeschränkt fühlen", sagte er im Weißen Haus. Die Öffentlichkeit sei bei Informationen zunehmend auf staatlich kontrollierte Medien angewiesen. Presse-, Versammlungs- und Informationsfreiheit hätten einen schlechteren Stand als vor fünf oder zehn Jahren.

In Berlin kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel an, die Oppositionellen zu unterstützen: "Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch die, die anders denken in Russland, eine Chance haben, ihre Gedanken zu artikulieren." Sie wisse aber, dass dies schwierig sei.

Quelle: ntv.de, mbo/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen