Politik

Bei Strafe ihres Untergangs Linke unter Erfolgszwang

Begleitet von heftigen Debatten haben die Spitzen von Linkspartei und WASG ihre Parteitage in Dortmund beschworen, die für Juni geplante Gründung der neuen linken Partei perfekt zu machen. "Die Chance, die wir haben, kommt nie wieder. Also nutzen wir sie", mahnte Linksparteichef Lothar Bisky am Samstag in den Westfalenhallen. WASG-Vorstand Klaus Ernst sagte auf dem parallel tagenden Kongress seiner Partei: "Wir brauchen eine starke Linke, damit das Volk überhaupt wieder eine Vertretung hat." Die Parteispitzen setzten trotz der Kritik an einzelnen Punkten der geplanten Fusion auf einen Erfolg beider Kongresse.

Die Fusionskritikerin Lucy Redler (WASG Berlin) protestierte indessen erneut gegen den Zusammenschluss und warf der Linkspartei - vor allem in der rot-roten Koalition in Berlin - Anpassung an "kapitalistische Sachzwänge" vor. Eine Linke dürfte sich aber nicht beugen. Redler warnte, in der neuen Partei werde "die Fraktion alles, der Vorstand wenig und die Basis so gut wie nichts zu sagen haben".

Den insgesamt 800 Delegierten liegen mehrere hundert Anträge zu den Eckpunkten für das Programm der neuen Partei "Die Linke", zur Satzung sowie zur Finanz- und zur Schiedsordnung vor. Sie soll am 16. Juni in Berlin gegründet werden. Die Abstimmungen über die Gründungsdokumente sind am Sonntag.

Bei der Linkspartei einigten sich die Delegierten zunächst auf die Formulierungen zum Verhältnis der Partei zur DDR, zur Absage an den Stalinismus als System und zum demokratischen Sozialismus. Hier setzte sich der Parteivorstand mehrfach deutlich durch. So wurde etwa aus Rücksicht auf die WASG kein klares "Bekenntnis" zum demokratischen Sozialismus abgegeben, sondern lediglich dessen Ideen als "zentralen Leitvorstellungen" in die Eckpunkte für das Programm aufgenommen. Zuvor hatten mehrere Redner appelliert, sich durch radikale Beschlüsse "nicht selbst eine Niederlage zu organisieren", sondern Kompromisse mit der WASG einzugehen. Sie betonten, es gehe erst um die Eckpunkte und nicht schon um das Programm selbst.

Bei der WASG waren Bundeswehreinsätze mit UN-Mandat das erste große Thema. Beide Parteien lehnen die derzeitigen Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. Die WASG-Delegierten verschärften einen Antrag der Parteivorstände, so dass die Linke selbst dann nicht internationalen Militäreinsätzen unter UN-Mandat zustimmen soll, wenn dies als einzige Chance auf Frieden in dem betroffenen Krisenland gilt. Begründung: Solche UN-Einsätze hätten bisher "nichts zu einer Rückkehr in eine friedliche Entwicklung" beigetragen.

Bisky sagte, die Zukunft beider Parteien liege "eindeutig im Zusammengehen". Mit der neuen Partei könne man "die Erfahrungen aus beiden Systemen zusammenbringen, werten und bewahren, auf gleicher Augenhöhe". Er sei "überzeugt, dass das eine zeitgemäße, eine richtige, eine längst überfällige Entscheidung ist". Es gehe um einen "gesellschaftlichen Aufbruch" und eine sozialere Politik. Er warf der Bundesregierung eine "verstaubte" und kinderfeindliche Familienpolitik, eine Verstrickung Deutschlands in militärische Abenteuer und Konzeptlosigkeit im Kampf gegen Arbeitslosigkeit vor.

Ernst sagte, der Tornado-Einsatz in Afghanistan, die Renten- und die Gesundheitsreform seien laut Umfragen gegen den Willen einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung beschlossen worden. Die WASG habe in ihrer kurzen Parteigeschichte schon große Erfolge erzielt. "Es wird wieder über Mindestlohn diskutiert, das ist so ein Erfolg." Die geplante Fusion sei kein Untergang der WASG, sondern das Aufgehen ihrer Ideen in einer gestärkten Linken. Nur mit einer solchen starken Linken sei das Volk überhaupt wieder politisch vertreten. "Derzeit wird in Berlin gegen das Volk regiert."

Schlagabtausch Müntefering – Lafontaine

Unter dem Eindruck des Fusionsprozesses von Linkspartei und WASG hat Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) den möglichen Vorsitzenden der geplanten neuen Partei, Oskar Lafontaine, als "Verräter" bezeichnet. "Lafontaine hat die Partei und die linke, sozialdemokratische Idee verraten. Das sage ich ausdrücklich so", sagte Müntefering der "Bild am Sonntag". Lafontaine reagierte am Rande des WASG-Parteitags mit den Worten: "Müntefering ist die Karikatur eines Sozialdemokraten."

Müntefering sei verantwortlich für die Rente mit 67 und habe die Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegen mitgetragen, sagte der Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Und: "Müntefering ist mitverantwortlich für die Wahlniederlagen der SPD und dafür, dass hunderttausende SPD-Mitglieder aus der Partei ausgetreten sind." Lafontaine war 1999 als SPD-Chef und Bundesfinanzminister aus Frust über die Politik des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zurückgetreten.

Müntefering sagte wiederum über Lafontaine: "Er ist ein Populist, die größte Ich-AG in unserer Republik." Der Vizekanzler sagte der neuen linken Formation den Kampf an und schloss ein Bündnis mit ihr nach der nächsten Bundestagswahl 2009 aus: "Da gibt es keine Möglichkeit der ernsthaften Auseinandersetzung, geschweige denn des Zusammenwirkens." Aufgabe der SPD sei es nun, die Stimmen für die neue Linke "alle zu den Sozialdemokraten zu ziehen ... Das wird uns auch gelingen".

Quelle: ntv.de

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