Niederlage für Bartsch Linke wählt neue Führung
03.06.2012, 01:16 Uhr
Die Linke hat nach langen Querelen eine neue Führung. Katja Kipping und Bernd Riexinger führen nun die angeschlagenen Sozialisten. Pragmatiker Dietmar Bartsch muss damit eine herbe Niederlage einstecken. Vor allem seine Kandidatur hatte die Partei lange beschäftigt. Zu Beginn des Parteitages wird das deutlich, als die Gründungsväter auftreten.
Das neue Spitzenduo steht: Katja Kipping und Bernd Riexinger führen ab sofort die Linkspartei. Damit enden vorläufig auch die monatelangen Querelen, durch die die Sozialisten in der Wählergunst stark nachgelassen haben - mehrere derbe Wahlniederlagen haben sie wegzustecken. Bei der Abstimmung auf dem Parteitag in Göttingen erhielt Kipping 371 Stimmen, rund 67 Prozent. Ihre Kontrahentin, die Hamburger Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn, bekam 162 Stimmen und damit rund 29 Prozent.
Lafontaine-Freund Riexinger setzte sich im zweiten Wahlgang, in dem nur Männer antraten, gegen seinen Hauptkonkurrenten Dietmar Bartsch ebenfalls deutlich durch. Der Gewerkschafter aus Baden-Württemberg erhielt 297 Stimmen, also 53 Prozent. Für Bartsch sprachen sich 251 Delegierte und damit 45 Prozent aus. Drei weitere Kandidaten erhielten insgesamt 3 Stimmen. Für Bartsch eine schwere Schlappe. Der Ex-Bundesgeschäftsführer hatte schon vor Monaten seine Kandidatur angekündigt und damit für erheblichen Unmut gesorgt. Allerdings bekam er dafür auch die Unterstützung aus den pragmatischen Ost-Verbänden. Viele Mitglieder aus diesem Lager hatten fest mit einem Sieg Bartschs gerechnet.
Im Vorfeld waren einige Kandidaten ausgestiegen. Katharina Schwabedissen aus Nordrhein-Westfalen zog ihre Kandidatur und damit die Idee von einem Duo mit Kipping zurück. Auch Sabine Zimmermann, Fraktionsvorsitzende aus Hamburg, wollte nicht mehr. Sahra Wagenknecht trat ebenfalls nicht an. Sie wolle die Lage nicht weiter zuspitzen, sagte sie in einer persönlichen Erklärung vor den Delegierten. Allerdings sprach sie sich indirekt für die Wahl Riexingers aus.
Gegen die Angst
Kipping betonte, sie wolle nun für Angstfreiheit kämpfen. "Die Gesellschaft lebt in Angst vor Armut und Absturz." Unter dem Applaus der Delegierten setzte sie fort: "Und die Herrschenden spielen alle gegeneinander aus." Eine ihrer Hauptforderungen sei, das "Hartz-IV-System" abzuschaffen und gegen Dumpinglöhne und Armut vorzugehen. "Prekarisierte aller Länder, vereinigt Euch", so Kipping. Innerparteilich werde sie "eine neue Tonlage einbringen". Ost oder West, das dürfe kein Kriterium mehr sein. "Lasst uns diese verdammte Ost-West-Verkeilung endlich auflösen." Die Linke müsse nun weg vom Lagerdenken.
Riexinger sagte, die Polarisierung in der Partei müsse überwunden werden. "Wir müssen uns zurückbesinnen auf unseren Auftrag – die politischen Kräfteverhältnisse nach links verschieben." Schließlich seien Niedriglöhne in Deutschland "unerträglich" und ein Mindestlohn von 10 Euro müsse endlich her. "Wir werden gebraucht", so der 56-Jährige.
Nach ihrer Wahl standen die beiden Neuen kurz zusammen auf der Bühne. "Wir kommen zurück in die Erfolgsspur", versprach Riexinger, um dann von Kipping am Arm gefasst von der Bühne gezogen zu werden. Sie sagte: "Aber jetzt lernen wir uns erstmal besser kennen."
Wagenknecht bleibt Stellvertreterin
Die Linke wählte auch eine neue Stellvertreter-Riege. Die vier Vize-Vorsitzenden sind Sahra Wagenknecht, Caren Lay, Jan van Aken und Axel Troost. Der neue Bundesgeschäftsführer ist Matthias Höhn. Ihm kommt eine wichtige Rolle zu, weil er Bartsch nahe steht und für Versöhnung mit dessen Lager sorgen könnte.
Vor den Wahlen hatte sich der bisherige Parteichef Klaus Ernst von der Partei verabschiedet. Er zog eine bittere Bilanz mit starken selbstkritischen Tönen. Die beiden Gründungsväter Oskar Lafontaine und Gregor Gysi lieferten sich zudem eine beachtliche Redeschlacht. Die beiden stehen inzwischen beispielhaft für den Richtungsstreit zwischen sozialistischen Fundamentalisten und Reformern. Gysi regte sich über die Arroganz auf, mit der manche Ost-Verbände von West-Mitgliedern behandelt würden. Kurz dachte er auch über eine Spaltung der Partei nach. Lafontaine kritisierte die lange Führungsdebatte, die seiner Meinung nach vor allem aus dem Osten gesteuert wurde. Trotz aller Unterschiede riefen Lafontaine und Gysi aber letztlich zur Überwindung aller Streitigkeiten auf. In einem waren sie sich nämlich immerhin einig: "Wir dürfen die Linke nicht verspielen."
Quelle: ntv.de