Rot-rot-grüne Option reine Taktik? Linken-Chefs zweifeln SPD-Öffnung an
16.11.2013, 17:54 Uhr
Katja Kipping und Bernd Riexinger trauen dem neuen Frieden noch nicht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit großer Mehrheit beschließt die SPD, künftig Koalitionen mit der Linken und den Grünen nicht mehr auszuschließen. Zugleich verhandelt die Parteispitze mit der Union über eine Große Koalition. Die viel beschworene Öffnung der Sozialdemokraten will die Linken-Spitze daher nicht ernst nehmen.
Führende Politiker der Linkspartei bezweifeln die Ernsthaftigkeit der von der SPD auf ihrem Parteitag beschlossenen Öffnung für mögliche rot-rot-grüne Koalitionen und bewerteten ihn als taktischen Schwenk. Parteichef Bernd Riexinger sagte auf dem Thüringer Landesparteitag: "Das ist kein wirkliches Angebot." Die SPD wolle sich damit beim bevorstehenden Mitgliederentscheid die Zustimmung der Basis zur Großen Koalition sichern.
Wenn sie die Öffnung zu Rot-Rot aber ernst meine, könne sie ihren Worten bei den Landtagswahlen des nächsten Jahres Taten folgen lassen. 2014 wird unter anderem in Thüringen ein neuer Landtag gewählt.
Im "Tagesspiegel" nannte Riexinger die Strategie der SPD gegenüber seiner Partei "bestenfalls wirr". Seit Sommer 2012 signalisiere die Linke Gesprächsbereitschaft, "aber die SPD stellt sich bockig".
Nahles weist Kippings Angebot zurück
Auch Co-Parteichefin Katja Kipping äußerte auf einem Parteitag der sächsischen Linken den Verdacht, dass die SPD ihre Öffnung für ein Bündnis nicht ernst meine. Dies könne eine Beruhigungspille für die SPD-Linken während der laufenden Verhandlungen über eine Große Koalition im Bund sein.
Darüber hinaus sieht Kipping mögliche Bündnisse mit der SPD und den Grünen wenig kritisch. Die Linke müsse dafür keine Grundüberzeugungen über Bord werfen. Das hieße, die Debatte von der falschen Seite aufzuziehen. Vielmehr müsse gefragt werden, auf welche Fragen Rot-Rot-Grün gemeinsam Antworten geben könne.
Zuvor hatte ein Angebot Kippings an die SPD-Spitze für Verstimmungen zwischen den beiden Parteien gesorgt. Die gerade wiedergewählte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles lehnte gegenüber "sueddeutsche.de" das angeregte Gipfeltreffen mit scharfen Worten ab. Sie sagte, die von Kipping zuvor attestierte "Funkstille" zwischen den beiden Parteien habe es "in den letzten Jahren nicht gegeben".
Kipping sieht gemeinsame Positionen
Kipping hatte in der "Süddeutschen Zeitung" erfreut auf den Öffnungsbeschluss der SPD reagiert. Sie sagte, es sei positiv, dass Gesprächsangebote der Linken nun nicht länger "als Stalking" wahrgenommen würden. Und weiter: "Bisher war Funkstille, aber jetzt sollten wir schnell das Gespräch auf allerhöchster Ebene suchen." Die Gesprächsagenda ergebe sich aus den Programmen. "Neuberechnung des sozialen Existenzminimums, Gerechtigkeitswende bei Löhnen, Renten und Steuern, Gewaltverzicht in der Außenpolitik, Stopp der Waffenexporte, da sollten wir so früh wie möglich ausloten, was geht und was nicht", sagte sie.
Nahles reagierte sauer: "Genau diese Art von mit Spitzen garnierten Gesprächsangeboten via Medien zeigen: Vor öffentlichen Einlassungen sollte Frau Kipping eine Klärung innerhalb ihrer eigenen Partei vorantreiben."
Widerspruch zu Gabriels Darstellung
Kipping, ihr Ko-Vorsitzender Bernd Riexinger und der Spitzenkandidat Gregor Gysi hatten sich im Wahlkampf dafür ausgesprochen, die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Koalition zu prüfen. Dies war in der SPD auf scharfe Ablehnung gestoßen. Der SPD-Politiker Thomas Oppermann hatte der Linken "Stalking" vorgeworfen.
Mit ihrem Verweis auf die "Funkstille" zwischen SPD und Linkspartei widersprach Kipping der Darstellung von SPD-Chef Sigmar Gabriel, er habe das Gespräch mit wechselnden Vorsitzenden der Linken gesucht. Die Linke versuche "das Märchen zu erzählen, dass es ja nur an uns gelegen habe, dass die Zusammenarbeit nicht geht", hatte Gabriel gesagt. Damit wollten die Linken "davon ablenken, dass sie sich manchmal inhaltlich so verrückt aufstellen, dass kein Sozialdemokrat in nüchternem Zustand auf die Idee kommen könnte, mit denen zusammenzuarbeiten".
Der neue Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter forderte die SPD indessen dazu auf, ihr Verhältnis zur Linken zu klären - dem Parteitagsbeschluss zum Trotz. Der SPD-Parteitag habe keine grundsätzliche Änderung in der Haltung der Sozialdemokraten erkennen lassen, sagte Hofreiter im rbb-Inforadio. Die SPD habe in den vergangenen 20 Jahren die Strategie verfolgt, die Linkspartei unter die Fünf-Prozent-Hürde zu drücken und die "vernünftigen" Linksparteimitglieder für sich zu gewinnen, damit es nur eine einzige sozialdemokratische Partei gebe.
Auf der anderen Seite habe die Linkspartei Totalopposition betrieben, um eine "echte linke Regierung" "zuverlässig zu verhindern". Aus diesem Grund habe die Linkspartei auch "die schrägsten Vögel agieren lassen und die seltsamsten Positionen nicht geklärt", sagte Hofreiter. Da die "beiden sozialdemokratischen Parteien" in einem "harten Wettbewerb" miteinander stünden, müssten sie diese Strategien überdenken, damit künftig eine Bundesregierung aus SPD, Linkspartei und Grünen möglich werde.
Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP