Politik

"Alle werden eingesperrt" Lukaschenko fackelt nicht lang

Treibjagd durch das nächtliche Minsk.

Treibjagd durch das nächtliche Minsk.

(Foto: REUTERS)

Der "letzte Diktator Europas" findet klare Worte. "Es wird in Weißrussland keine Revolution geben", betont Weißrusslands Staatschef Lukaschenko. Der Opposition wirft er Banditentum vor. Den zweiten Tag in Folge gehen Sicherheitskräfte hart gegen Demonstranten vor. Die OSZE kritisiert, dass die Auszählung von fast 50 Prozent der Stimmen bei der Wahl am Sonntag fehlerhaft gewesen sei.

Der "Wahlerfolg" für Lukaschenko kam nicht wirklich überraschend.

Der "Wahlerfolg" für Lukaschenko kam nicht wirklich überraschend.

(Foto: REUTERS)

Der autoritäre weißrussische Präsident hat den Einsatz von Gewalt gegen seine Gegner bei der Präsidentenwahl verteidigt. Sie müssten deswegen hinter Gitter kommen. "Alle werden eingesperrt werden", sagte Lukaschenko. Die Sicherheitskräfte und das Militär hätten das Land am Sonntagabend nach der Wahl vor "Barbarei und Verfall" bewahrt. "Keiner von den ehrlichen und objektiven Bürgern wird mir wegen dieser Nacht Vorwürfe machen." Die EU und andere internationale Beobachter hatten die Gewalt gegen die Demonstranten und die Festnahmen von Lukaschenko-Gegnern verurteilt.

Lukaschenko wies das Urteil der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zurück, wonach die Abstimmung erneut undemokratisch verlaufen sei. "Ich weiß nicht, was wir noch alles tun sollen, damit unsere Wahlen den internationalen Standards entsprechen", sagte der als "letzter Diktator Europas" kritisierte Lukaschenko. Eine "noch beklopptere Demokratie" werde es in Belarus nicht geben.

Die Ex-Sowjetrepublik sei in den vergangenen Wochen so offen gewesen wie noch nie und habe der Opposition umfangreich Platz in den Medien eingeräumt, sagte Lukaschenko. "Was sie aber am Sonntag nach Minsk bringen wollten, war keine Demokratie, sondern Banditentum." Die Sicherheitsorgane seien erst eingeschritten, als die Opposition zur Gewalt gegriffen habe. Jeder Weißrusse kenne das aus westlichen Medien, wie etwa in der EU gegen gewalttätige Demonstranten vorgegangen werde. Dazu habe auch Minsk ein Recht. "Es wird in Weißrussland keine Revolution geben", betonte Lukaschenko.

Noch Hunderte im Gefängnis

Insgesamt 639 Demonstranten befänden sich noch in Minsk in Gewahrsam, sagte Lukaschenko. Er bestätigte, dass auch Oppositionskandidat Wladimir Nekliajew unter den Festgenommenen ist. Nekliajew sei "nicht entführt und irgendwohin fortgebracht worden", sondern befinde sich in Gewahrsam, führte Lukaschenko aus. "Du bist schuldig, Du wirst Dich für Deine Taten verantworten müssen", sagte er an Nekliajew gerichtet.

Der Präsidentschaftskandidat Wladimir Neklajew soll von der Polizei verprügelt worden sein. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist unklar.

Der Präsidentschaftskandidat Wladimir Neklajew soll von der Polizei verprügelt worden sein. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist unklar.

(Foto: AP)

Lukaschenko wurde bei der Abstimmung am Sonntag nach Angaben der Wahlkommission mit knapp 80 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt. Nach Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses war es am Sonntagabend im Zentrum der Hauptstadt zu teils gewaltsamen Protesten gekommen. Zehntausende aufgebrachte Anhänger der Opposition protestierten gegen den Verlauf der Wahlen und warfen dem seit 16 Jahren mit eiserner Hand regierenden Präsidenten Manipulationen vor. Die Polizei schlug die Proteste gewaltsam nieder. Nach Angaben von Oppositionssprechern waren unter den hunderten Festgenommenen mindestens sieben der insgesamt neun Gegenkandidaten Lukaschenkos.

Wieder Festnahmen

Die weißrussischen Behörden gingen auch am Montagabend erneut hart gegen Regierungskritiker vor. Etwa 30 junge Demonstranten seien vor dem Sitz der Regierung in der Hauptstadt Minsk festgenommen worden, sagten Augenzeugen. Sie hätten dort ein Spruchband mit einer Rücktrittsforderung an den umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko entrollt. Zahlreiche Polizisten hätten die Gruppe daraufhin angegriffen. Die Beamten schlugen demnach einigen Demonstranten ins Gesicht. Andere seien mit Tritten traktiert worden.

Die jungen Demonstranten hatten sich auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk versammelt. Der Oktoberplatz, wo am Vorabend zehntausende Regierungskritiker Manipulationen bei der Präsidentschaftswahl angeprangert hatten, wurde am Montag streng bewacht und war fast menschenleer.

OSZE bemängelt Stimmauszählung

Die Zentrale Wahlkommission verkündet das Ergebnis.

Die Zentrale Wahlkommission verkündet das Ergebnis.

(Foto: AP)

Die OSZE hatte vor allem bemängelt, dass die Auszählung von fast 50 Prozent der Stimmen fehlerhaft gewesen sei. "Diese Wahl konnte Belarus nicht den Neustart geben, den das Land braucht", sagte Beobachter Tony Lloyd. Kritisiert wurde auch, dass die Staatsmedien Lukaschenko fast 90 Prozent der Zeit in den Nachrichten widmeten. Damit hätten die Wähler keine echte Auswahl gehabt.

Deutschland drohte Weißrussland mit Konsequenzen. Die von Weißrussland gewünschte Annäherung an die Europäische Union sei in weite Ferne gerückt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Zugleich forderte er die Freilassung inhaftierter Oppositionspolitiker und Journalisten. "Die Wahlen und der Umgang mit den Ergebnissen dieser Wahlen sind ein Test für die weiteren Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Weißrussland und in dieser Hinsicht sind die Ereignisse der letzten Stunden natürlich ein herber Rückschlag", sagte Seibert.

Weltweite Proteste gegen Wahlfarce

Die USA und die EU verurteilten das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten. Das Weiße Haus in Washington machte in einer Mitteilung klar, das von der Wahlkommission in Minsk bekanntgegebene Resultat der Präsidentenwahl nicht als rechtmäßig anzuerkennen. Die Festnahme von oppositionellen Präsidentenkandidaten und Protestierenden sowie die Einschränkung der Pressefreiheit nach der Wahl stellten einen klaren Rückschritt für die Beziehung zwischen beiden Ländern dar.

Scharfe Kritik kam auch vom Präsidenten des Europaparlaments, Jerzy Buzek. "Dieser Vorfall wirft das schlechtmöglichste Licht auf die Präsidentschaftswahlen", erklärte er. Die Übergriffe der Sicherheitskräfte bezeichnete Buzek als "schändlich und empörend". EU-Außenministerin Catherine Ashton kritisierte die Gewalt scharf und forderte die sofortige Freilassung der festgenommenen Oppositionellen. Die EU-Chefdiplomatin rief die weißrussischen Behörden auf, die Festgenommenen "umgehend freizulassen".

Derweil bezeichnete der russische Präsident Dmitri Medwedew die Lage im benachbarten Weißrussland als eine "innere Angelegenheit" des Landesrs. "So weit ich das verstehe, sind die offiziellen Ergebnisse der Wahl noch nicht verkündet worden", fügte er hinzu. Medwedew bezeichnete Weißrussland als eines der Länder, "die Russland am nächsten stehen, egal, mit welcher politischen Führung". Zu dem gewaltsamen Polizeieinsatz äußerte sich der russische Präsident nicht.

Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP

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