Kampfansage an den Kreml Luschkow will klagen
29.09.2010, 13:50 UhrSo schnell gibt Moskaus bisheriger Bürgermeister Luschkow sein Amt nicht verloren. Nach der Entlassung durch Präsident Medwedew baut er weiter auf seine wirtschaftlichen und politischen Netzwerke in der russischen Hauptstadt und will dafür auch die Justiz bemühen. Möglicherweise kommt er aber auch selbst vor Gericht.
Nach seinem Rauswurf will der unter Korruptionsverdacht stehende Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow nicht klein beigeben. Der geschasste Rathauschef wolle gerichtlich gegen die Absetzung durch Präsident Dmitri Medwedew vorgehen, sagte Luschkows enger Freund, Iossif Kobson, nach Angaben der Agentur Interfax. Außerdem hatte Luschkow am Vortag unmittelbar nach seiner Entlassung angedroht, politisch weiter aktiv zu bleiben. Als einer der mächtigsten Politiker in Russland ist er bei vielen Russen beliebt. Zeitungen schrieben, dass Luschkow ein Gerichtsverfahren wegen massiven Amtsmissbrauchs drohe.
Beobachter schließen nicht aus, dass der Ex-Bürgermeister eine Oppositionspartei gründen und damit direkt auf Konfrontation zum Kreml gehen könnte. "Das wäre die schlechteste aller denkbaren Varianten für Luschkow", sagte der kremlnahe Politologe Gleb Pawlowski. Eine Kremlsprecherin bestätigte, dass Luschkow dem Präsidenten einen vorwurfsvollen Brief geschrieben habe.
Heikler Stalin-Vergleich
Seit der Herrschaft Stalins herrsche in Russland Angst, eine Meinung zu äußern, schrieb Luschkow in dem Brief, den die regierungskritische Wochenzeitschrift "Nowoje Wremja" veröffentlichte. "Wenn die Führer des Landes diese Angst bestärken, kommt man leicht in die Lage, in der ein Land nur einen Führer hat, dessen Worte in Stein gemeißelt sind und dem man ohne Murren folgen muss", hieß es darin weiter. "Wie passt das zu Ihrer Forderung nach der 'Entwicklung von Demokratie'?"
Der Zeitschrift zufolge wurde Luschkows Brief dem Chef von Medwedews Präsidialamt, Sergej Naryschkin, am Montagabend zugestellt. Am Dienstagmorgen entzog der Staatschef Luschkow das Vertrauen und setzte ihn ab. Medwedew habe den Brief zwar gekannt, sein Inhalt habe seine Entscheidung aber nicht beeinflusst, sagte Kreml-Sprecherin Natalja Timakowa. Der Entlassung waren seit Wochen schwelende Spannungen zwischen Luschkow und Medwedew vorausgegangen.
Ähnliches Prozedere wie bei Chodorkowski?
Experten schließen nicht aus, dass dem bestens verdrahteten Rathauschef ein ähnliches Schicksal wie dem inhaftierten Kremlkritiker Michail Chodorkowski drohen könnte. Der frühere Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos war nach Darstellung seiner Anwälte ebenfalls wegen seiner politischen Einmischung beim Kreml in Ungnade gefallen. Die Vorwürfe wegen Betrugs und Geldwäsche gegen Chodorkowski hält der Westen für inszeniert und politisch motiviert.
Die Generalstaatsanwaltschaft und das Innenministerium seien schon dabei, die Amtsgeschäfte von Luschkow zu untersuchen, schrieb die Zeitung "Kommersant". Staatsmedien werfen Luschkow seit Wochen Korruption und Vetternwirtschaft vor. Ins Blickfeld gerät dabei immer wieder auch seine Ehefrau Jelena Baturina, die mit einem geschätzten Vermögen von gut zwei Milliarden Euro als reichste Russin gilt. In Russland hielten sich Spekulationen, dass Luschkow und Baturina im Fall einer Verfolgung durch den Kreml nach Österreich fliehen könnten.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP