Politik

Gericht weist Klage gegen Russland ab Massaker von Katyn bleibt ungesühnt

Polnische Wachsoldaten am Mahnmal in Katyn.

Polnische Wachsoldaten am Mahnmal in Katyn.

(Foto: dpa)

Polnische Opferangehörige des Massakers von Katyn wollen von der russischen Regierung erfahren, wer für das damalige Verbrechen verantwortlich war. Ihre Hoffnungen auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden aber nicht erfüllt.

Mehr als sieben Jahrzehnte nach dem Massaker an mehreren tausend Polen in Katyn ist eine Hinterbliebenenklage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte endgültig gescheitert. Die Große Kammer des Straßburger Gerichts urteilte, dass der russische Staat kein Grundrecht der 15 Kläger verletzt habe. Zu dem Massaker selbst nahmen die Richter nicht Stellung.

Das Straßburger Gericht befand, dass es für Menschenrechtsverletzungen vor dem 4. November 1950 - dem Tag der Verabschiedung der Europäischen Menschenrechtskonvention - nicht zuständig sei. Die Hinterbliebenen des 1940 verübten Massakers werfen Russland vor, das Schicksal der Opfer nie vollständig aufgeklärt und die Verantwortlichen nie zur Rechenschaft gezogen zu haben. Sie klagten außerdem, weil Russland ihnen bis heute keine Einsicht in die Ermittlungsakten gewährt.

Die Große Kammer wies diese Vorwürfe zurück, ebenso wie die Forderung der Hinterbliebenen nach Schmerzensgeld. Sie rügte allerdings, dass Russland dem Straßburger Gerichtshof nicht alle notwendigen Unterlagen zu Verfügung stellte. Das Gericht habe vor allem vergeblich Einsicht in die Akten zur Einstellung des Verfahrens durch die russische Justiz gefordert. Moskau habe damit gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen, welche die Unterzeichnerstaaten zur Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof verpflichtet.

Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Polen im September 1939 wurden mehr als 21.000 Polen festgenommen und in russische Gefangenenlager gebracht. Im April und Mai 1940 wurden sie von der russischen Geheimpolizei erschossen und im Wald von Katyn nahe der Stadt Smolensk in Massengräber geworfen.

Diese Gräber entdeckten Anfang 1943 Soldaten der deutschen Wehrmacht. Das NS-Regime gab den Fund bekannt und nutzte ihn für seine eigene Propaganda. Die Sowjetunion lehnte eine internationale Untersuchung ab und lastete das Verbrechen lange Zeit Hitler-Deutschland an. Erst 1990 übernahm Moskau offiziell die Verantwortung für das Kriegsverbrechen und leitete Ermittlungen ein. Diese wurden 2004 ohne Ergebnis zu den Akten gelegt.

Polen sind enttäuscht

Alle Anträge der Angehörigen, Einsicht in die Akten zu bekommen, wurden von Gerichten in Russland abgewiesen. Die russische Justiz begründete dies mit der Vertraulichkeit der Unterlagen, die als "ultrageheim" eingestuft wurden. Mit demselben Argument weigerte sich Moskau auch, dem Gerichtshof für Menschenrechte Einsicht in alle Ermittlungsunterlagen zu gewähren.

Eine kleine Kammer des Gerichts hatte den Klägern - unter ihnen eine Witwe und neun Kinder von Massakeropfern - im April 2012 teilweise Recht gegeben. Sie hätten keinerlei offizielle Information über die Todesumstände der Männer erhalten, hieß es im erstinstanzlichen Urteil. Dieses Verhalten gegenüber Hinterbliebenen sei "unmenschlich".

Die Große Kammer argumentierte hingegen, die Europäische Menschenrechtskonvention sei in Russland 1998 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt sei die Tötung der Kriegsgefangenen eine "nachgewiesene historische Tatsache" gewesen. Für die Hinterbliebenen habe es "keinerlei Ungewissheit" über das Schicksal ihrer Angehörigen gegeben. Damit sei die Voraussetzung für eine Verletzung des Verbots unmenschlicher Behandlung nicht erfüllt.

Polens Vize-Außenminister Artur Nowak-Far äußerte sich "enttäuscht" über das Urteil in dem "moralisch und historisch bedeutsamen" Fall, zumal nicht alle Argumente der Kläger gehört worden seien. Eine Warschauer Hinterbliebenen-Vereinigung sprach von einem "skandalösen" Beweis dafür, "dass die Reichen und Mächtigen nie schuldig gesprochen werden".

Quelle: ntv.de, AFP

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