Fit genug für das Weiße Haus? McCain unter der Lupe
29.07.2008, 18:53 UhrEigentlich wollte sich John McCain zum Thema Energiepolitik und Ölpreisen äußern. Doch als er sich mit Ehefrau Cindy unter der gleißenden Sonne Kaliforniens den TV-Kameras stellte, interessierte sich alle Welt nur noch für das kleine Pflaster auf seiner Wange. Etwas verlegen musste der ehemalige Tumorpatient McCain bekennen, dass er wieder einmal eine Untersuchung wegen Hautkrebs über sich ergehen lassen musste. Zwar wurde er nicht müde zu betonen, alles sei in Ordnung, es gebe keinen Grund zur Sorge, alles nur Routine - doch plötzlich ist das leidige Thema wieder da. Kaum ein Fernsehsender, der sich nicht mit Gesundheit und Alter des republikanischen Präsidentschaftskandidaten beschäftigt. Die Frage: Ist McCain mit seinen 71 Jahren noch fit genug für den Knochenjob im Weißen Haus?
Bislang hat der Vietnamveteran McCain versucht, dem Problem mit Scherzen zu begegnen. Als er in einer Talkshow gefragt wurde, ob denn ein Mann im Pensionsalter wie er einen täglichen Mittagsschlaf benötige, tat McCain so, als sei er eingenickt. "Ich bin so alt wie die Erde und habe mehr Narben als Frankenstein", heißt eines seiner Bonmots. Doch Umfragen zeigen, dass den Wählern bei solchen Witzen eher das Lachen im Halse stecken bleibt: Ein Viertel der Amerikaner meint, der Kandidat sei schlichtweg zu alt fürs Präsidentenamt.
Auf dem Kicker
Unbarmherzig und unerbittlich bemächtigen sich die Medien des Themas: Jüngst zeigte die Zeitschrift "Vanity Fair" auf ihrer Titelseite McCain als tatterigen Greis im Oval Office - vor ihm eine Gehhilfe, an der er sich festhält. Talkshow-Guru David Letterman höhnte, der Kandidat sei so alt, dass er den Irak noch unter dem Namen Mesopotamien kenne.
Auch ernsthafte und seriöse Medien zählen ihm genüsslich Versprecher und Irrtümer in seinen Reden vor - und fragen, ob er nicht zu alt sei fürs Präsidentenamt. So habe McCain in seine Reden etwa Somalia und Sudan verwechselt. Die "New York Times" widmete McCain jüngst eine Titelgeschichte, in dem sie sich mit nichts Anderem beschäftigt, als mit seinen sprachlichen Schnitzern und rhetorischen Unzulänglichkeiten.
Tatsächlich wäre McCain - sollte er die Wahl am 4. November gewinnen- beim Amtsantritt der älteste US-Präsident. Ende August wird er 72. Selbst Ronald Reagan war 69, als er 1981 ins Weiße Haus einzog. Hinzu kommt die Krankengeschichte des derzeitigen Bewerbers: Mehrfach musste er in 90er Jahren wegen Hautkrebs operiert werden, im Jahr 2000 sei ihm ein besonders gefährlicher Hauttumor entnommen worden - noch heute hat er eine sichtbare Narbe auf der Wange. Jeder halbwegs kundige Wähler in den USA weiß, dass solcherart Tumore jederzeit wieder wachsen können - niemand kann sich jedoch einen Krebspatienten als Führer der westlichen Welt vorstellen.
Obama ein Vierteljahrhundert jünger
"Die Frage des Alters ist wieder da", meint Kommentator David Gergen. Besonders wenn demnächst die TV-Debatten der Kandidaten beginnen, dürfte der Altersunterschied zum beherrschenden Thema werden. Am 4. August wird Barack Obama 47 Jahre alt - zwischen beiden Kandidaten liegt eine Altersdifferenz von 25 Jahren, eine Generation. Dabei ist McCain alles andere als ein "jung gebliebener 70-Jähriger". Im Gegenteil: Das Alter ist ihm deutlich anzusehen, mitunter wirken seine Bewegungen steif und ungelenk. Jahrelange Kriegsgefangenschaft in Nordvietnam samt Folter haben ihn gezeichnet.
Allerdings versucht McCain im Wahlkampf der Frage des Alters auch etwas Positives abzugewinnen. Vor allem in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik setzt er ganz auf seine Erfahrungen und sein gesammeltes Wissen und will Obama als echtes "Greenhorn" erscheinen lassen. "Ich habe auf meinem Weg ein paar Dinge gelernt ", nennt das McCain. Heute schon ist klar: Der Wahlkampf wird auch zur Schlacht alt gegen jung werden.
Peer Meinert, dpa
Quelle: ntv.de