Die AfD vor der Wahl in Sachsen Meckern mit Frau Dr. Petry
26.08.2014, 10:02 Uhr
Frauke Petry ist Vizechefin der AfD sowie Landeschefin und Spitzenkandidatin ihrer Partei in Sachsen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bei der Wahl in Sachsen dürfte die AfD zum ersten Mal den Sprung in einen Landtag schaffen. Der Erfolg wird eine Frau noch stärker machen, die sich schon jetzt vorsichtig von AfD-Übervater Lucke absetzt: Frauke Petry.
Frauke Petry ist ein bisschen heiser. Das liegt auch an der NPD: Im Landtagswahlkampf muss die sächsische AfD-Chefin immer wieder erklären, dass ihre Partei keine inhaltliche oder personelle Nähe zu den Rechtsextremisten hat, die seit zehn Jahren im Dresdner Landesparlament sitzen. Wenn ein Journalist ihr entsprechende Fragen stellt - und das kommt oft vor -, dann kann es passieren, dass sie leicht genervt mit den Augen rollt.
Lieber spricht Petry über das Wahlprogramm ihrer Partei, am liebsten jedoch darüber, was so alles schiefläuft in Sachsen. Viele Lehrer hätten ihren Job ergriffen, "weil ihnen nichts Besseres eingefallen ist", sagt die 39-Jährige beispielsweise bei einer Wahlkampfveranstaltung in einem Freizeitheim im Leipziger Stadtteil Grünau. Sie beruft sich bei ihrer Lehrerschelte nicht auf Statistiken, sondern auf persönliche Erfahrungen. Ihr Generalsekretär Uwe Wurlitzer versucht es von der anderen Seite. Viele Lehrer seien desillusioniert, "die haben Angst, am nächsten Tag in die Schule zu gehen", sagt er.
Wer ist denn nun schuld: Lehrer, Schüler oder das System? Bei der AfD ist das nebensächlich, da steht das Meckern im Mittelpunkt. Was keineswegs ausschließt, dass die Partei auch bedenkenswerte Vorschläge macht. So fordert die AfD, in Sachsen 1500 neue Lehrer einzustellen und sie unabhängig von der Schulform gleich zu bezahlen. Petry erwähnt das auch. Und dann sagt sie noch, Lehrer dürften Kinder heute ja nicht einmal mehr vor die Tür oder in die Ecke stellen. Es bleibt unklar, ob Petry aus diesen Beobachtungen eine politische Forderung ableiten will.
Es war nicht alles schlecht
Wie auch immer: Wenn alles so kommt, wie allgemein erwartet, dann wird Frauke Petry nach der Wahl am 31. August die erste AfD-Fraktion in einem Landtag bilden. Die jüngsten Umfragen sehen ihre Partei bei 7 Prozent. Da liegt die Frage nahe, ob sie nicht mitregieren will. "Ich glaube nicht, dass Herr Tillich uns fragt", sagt sie im Interview mit n-tv.de. "Weil er uns wahrscheinlich nicht fragen darf. Wenn er sich tatsächlich auf unser Programm einließe, dann müssten die Mitglieder der AfD darüber nachdenken." Dass sie, wie eine Zeitung berichtet hatte, eine rot-rot-grüne Landesregierung tolerieren würde, bestreitet Petry. Sie sagt aber auch, dass es für Sachsen gut wäre, wenn die CDU mal nicht regieren würde. Noch so ein Punkt, der ein bisschen unklar bleibt.

Auf Bundesebene stand Petry bislang im Schatten von Bernd Lucke. Das könnte sich ändern.
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Für die AfD soll die Sachsenwahl ein Startschuss sein: Zwei Wochen später wird in Thüringen und Brandenburg gewählt, insgesamt 13 Landtagswahlen stehen bis zur Bundestagswahl 2017 an. Nach dem Erfolg bei der Europawahl im Mai soll der Weg der AfD in den Bundestag über die Landesparlamente führen. Petry kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu. In ihrem Bundesland findet die erste dieser 13 Wahlen statt. Passenderweise ist Frau Dr. Petry, wie sie in der AfD stets genannt wird, auch Vizechefin der Bundespartei. Zudem ist Sachsen eine Hochburg der "Alternative": Bei der Bundestagswahl holte die Partei hier 6,8 Prozent, bei der Europawahl waren es mehr als 10 Prozent - beides waren deutschlandweite Rekorde. Kein Wunder, dass Petry auf ein zweistelliges Ergebnis hofft.
Dies wäre ein Triumph, mit dem sie AfD-Übervater Bernd Lucke zumindest kurzzeitig in den Schatten stellen würde. Bereits im Wahlkampf fällt auf, dass sie sich gelegentlich mit vorsichtigen, lächelnd formulierten Andeutungen von ihm absetzt. Lucke sage immer, die AfD sei die Partei des gesunden Menschenverstands. "Mir ist das ein bisschen zu akademisch und zu wenig", so Petry. Man müsse die Leute auch auf der emotionalen Ebene ansprechen. Zum Beispiel, indem man sage: In der DDR sei nicht alles schlecht gewesen - eine Kernformel im Wahlkampf der Sachsen-AfD. Es war "nicht alles schlecht" in der DDR. Dieser Satz fällt mehrfach.
"Wir werden noch in diverse Fettnäpfchen treten"
Zu Petry passt die DDR allenfalls halb. Wenige Monate vor dem Mauerfall, Frauke Petry war 14 Jahre alt, gingen ihre Eltern mit ihr in den Westen. Erst 2007, nach ihrem Studium, kehrte sie in den Osten zurück. Als Frau mit einer solchen Biografie hat Petry das Zeug, das Image der AfD als Partei der westdeutschen Griesgrame zu brechen. Ihr einziger Nachteil: Mit ihrem Unternehmen erlitt sie im vergangenen Jahr Schiffbruch; ihre Firma ging in Konkurs, sie selbst musste Privatinsolvenz anmelden. Die Investoren für einen Neustart hat sie allerdings bereits gefunden. Man kann ihr das auch positiv auslegen: Petry gibt nicht auf. Trotz Pleite ist die Rolle der AfD-Aufsteigerin wie für sie geschrieben. Sie ist jung, energisch, charmant - drei Merkmale, die in jeder Partei von Vorteil sind.
An diesem Abend in Leipzig-Grünau geht es eigentlich um Familien- und Bildungspolitik. Aber am Ende landet die Debatte bei "Asylanten". Ein Mann im Publikum ärgert sich darüber, dass die ehemalige Grundschule in Berlin, die von Asylbewerbern besetzt wurde, noch nicht geräumt ist. "Ein Land wie Deutschland, das relativ viel Geld hat, das muss auch Asyl gewähren", sagt Generalsekretär Wurlitzer. Werde ein Antrag abgelehnt, dann müsse der Antragsteller allerdings auch umgehend zurückgeschickt werden. So sieht Petry das auch, und sie ergänzt noch einen Gedanken. Man erzwinge eine Änderung der Verhältnisse in den Herkunftsländern auch dadurch, dass man die Fluchtmöglichkeit begrenze. Einwanderung lehne die AfD keineswegs ab. Aber: "Für den Erhalt unseres Volkes und unserer Kulturnation sind wir selbst verantwortlich", sagt sie.
Hat die AfD also eine Nähe zur NPD? Es gibt einzelne Figuren in ihren Reihen, die das nahelegen, doch schon die Erwähnung ihrer Namen löst bei Petry und Wurlitzer eher Augenrollen aus. Eine junge Partei ziehe nun einmal seltsame Gestalten an, soll das wohl heißen. Petrys AfD erscheint als Partei, die sich nach der alten CDU zurücksehnt; nach den 80er-Jahren, als die Welt noch überschaubar war. Gelegentliches Kokettieren mit ausgesprochen rechten Positionen schließt das nicht aus, sondern ein. Kurz nach dem Satz mit der Kulturnation sagt Petry, die AfD werde in den nächsten Jahren bestimmt noch in diverse Fettnäpfchen treten. "Aber wenigstens können wir dann sagen, wir haben's probiert."
Quelle: ntv.de