Sexuelle Übergriffe veröffentlicht Mehr als 1000 Meldungen
15.06.2010, 09:25 UhrMehr als 1000 Opfer sexuellen Missbrauchs nutzen die Gesprächsangebote von Staat und Kirche. Das teilt die Beauftragte der Bundesregierung mit. In zwei Dritteln aller Fälle findet der Missbrauch in Institutionen statt. Viele Betroffene berichten auch von Übergriffen in der Familie oder im Bekanntenkreis.
Mehr als 1000 Anrufe und Briefe von Betroffenen sind bislang bei der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Christine Bergmann, eingegangen. In zwei Dritteln der Fälle sei von einem Missbrauch in Institutionen berichtet worden, davon zur Hälfte in kirchlichen Einrichtungen, teilte die Missbrauchsbeauftragte in Berlin mit. Bei der seit Ende März geschalteten Missbrauchs-Hotline der katholischen Kirche hat es nach Angaben des Bistums Trier bislang mehr als 2350 Gespräche gegeben.
Nach den vielen bekanntgewordenen Missbrauchsfällen hatte die Bundesregierung eine Missbrauchsbeauftragte und einen Runden Tisch eingerichtet. Bergmann nahm ihre Arbeit im April auf. Seit Ende Mai können sich Opfer telefonisch unter der Nummer 0800-22 55 530 an die frühere SPD-Familienministerin Bergmann und ihre Mitarbeiter wenden.
Anerkennung des Unrechts gefordert
Die Betroffenen forderten eine "schonungslose Benennung" der Täter und der Taten sowie eine Anerkennung des Unrechts, erklärte die Missbrauchsbeauftragte in einer Mitteilung. Anliegen und Botschaften der Opfer sollen in Empfehlungen für den Runden Tisch einfließen, der Vorschläge für Hilfen für die Opfer erarbeiten soll. Die Teilnehmer des Runden Tisches kommen aus Politik, Kirche und Verbänden. Es gibt drei Unter-Arbeitsgruppen zu den Themen Justiz, Prävention sowie Forschung und Lehre.
Ein Sprecher der Missbrauchsbeauftragten sagte, pro Tag gingen zwischen 30 und 150 Anrufe ein. Das Durchschnittsalter der Anrufer liege bei etwa 50 Jahren. "Bislang melden sich ebenso viele Frauen wie Männer." Darunter seien auch Täter, die in ihrer Kindheit selbst Opfer sexuellen Missbrauchs gewesen seien.
Jungen seien häufiger in kirchlichen Einrichtungen missbraucht worden. Dagegen seien in therapeutischen Einrichtungen häufiger Mädchen von sexuellen Übergriffen betroffen. "Etwa ein Drittel der Betroffenen berichten von sexuellem Missbrauch im familiären Umfeld oder im sozialen Nahbereich", hieß es. Mehr als 60 Prozent der Anrufer hätten sich noch nie jemandem anvertraut.
Auch viele Scherzanrufe
Bei der seit Ende März geschalteten Missbrauchs-Hotline der katholischen Kirche ging die Nachfrage nun im Vergleich zu den Anfangszeiten stark zurück, sagte der Leiter der Hotline, Andreas Zimmer. Insgesamt würden täglich nur noch zehn bis 20 Gespräche von den vier Mitarbeitern geführt. In der ersten Woche hatte es fast 400 Telefonate gegeben.
"Anrufversuche haben wir zwar immer noch deutlich mehr, das sind aber viele Scherzanrufe", sagte Zimmer. Die kostenlose Telefonberatung unter der Nummer 0800-12 01 0 00 soll Opfern sexueller Übergriffe in katholischen Einrichtungen eine Anlaufstelle bieten. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann ist der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die Aufklärung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.
Quelle: ntv.de, dpa