Fall Julia Timoschenko Menschenrechtsgerichtshof verurteilt Ukraine
30.04.2013, 13:50 Uhr
Timoschenko wurde 2011 wegen Amtsmissbrauch unter anderem zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.
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Die Ex-Regierungschefin der Ukraine, Julia Timoschenko, bekommt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht: Die Umstände ihrer Untersuchungshaft 2011 waren rechtswidrig. Ihre Tochter fordert die sofortige Freilassung.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Ukraine wegen der Inhaftierung von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko verurteilt. Die Untersuchungshaft der 52-jährigen Oppositionspolitikerin im Jahr 2011 sei "willkürlich und rechtswidrig" gewesen, entschied eine kleine Kammer des Straßburger Gerichts einstimmig. Das Gericht stellte auch vier Verstöße der Ukraine gegen die Grundrechte Timoschenkos fest, wies aber deren Beschwerde wegen schlechter Behandlung in Haft zurück. Timoschenkos Unterstützer hoffen jetzt, dass sie rasch freikommt. Ob es dies der Fall sein wird, ist aber unklar.

Die Politikerin hatte sich unter anderem über ihre Behandlung in Haft beschwert.
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Timoschenko, die eine Haftstrafe verbüßt und gesundheitlich schwer angeschlagen ist, hatte wegen der Haftbedingungen geklagt und weil sie der Ukraine vorwirft, das Strafverfahren gegen sie sei politisch motiviert gewesen. Die Politikerin war im Oktober 2011 wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft und umgerechnet 137 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt worden. Der 52-Jährigen wurde vorgeworfen, ein für die Ukraine nachteiliges Abkommen über Gaslieferungen aus Russland abgeschlossen zu haben. Timoschenkos Anwälte kritisierten, mit dem Prozess sei versucht worden, "die Hauptgegnerin des Präsidenten aus dem politischen Leben der Ukraine zu entfernen".
Ukraine will Urteilsspruch prüfen
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist noch nicht rechtskräftig: Gegen das Urteil der kleinen Kammer können beide Seiten binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann zur Überprüfung an die 17 Richter der Großen Kammer verweisen, er muss dies aber nicht tun.
Die Ukraine will den Urteilsspruch prüfen. "Wir müssen die Entscheidung zugestellt bekommen. Wir werden sie analysieren. Solange kann ich nichts kommentieren", sagte der ukrainische Vertreter beim EGMR, Nasar Kultschizki, der Agentur Interfax.
Die Ukraine gehört zu den Mitgliedsstaaten des Europarats und somit zu den Unterzeichnern der Europäischen Menschenrechtskonvention. Damit ist das osteuropäische Land verpflichtet, den Urteilen des Straßburger Gerichts Folge zu leisten. Das Urteil bedeutet jedoch nicht, dass Timoschenko automatisch aus der Haft entlassen wird. Der Gerichtshof rügt oder setzt eine Geldstrafe fest. Wie das Straßburger Urteil umgesetzt wird, bleibt der nationalen Justiz überlassen.
Im Fall von Oppositionsführerin Timoschenko zeigt sich der Staatschef der Ukraine, Viktor Janukowitsch, aber weiterhin hart. Dabei verwies er kürzlich darauf, dass gegen die 52-Jährige derzeit noch zwei weitere Strafverfahren laufen, darunter eines wegen Mordes.
Bundesregierung fordert Ukraine zum Umdenken auf
Timoschenkos Tochter forderte indes, dass ihre Mutter schnell aus dem Gefängnis kommt. "Der ukrainische Präsident hat auf Grundlage der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte alle Möglichkeiten, meine Mutter freizulassen", ließ Jewgenija Timoschenko mitteilen. Zugleich warf sie den Behörden der Ex-Sowjetrepublik "schroffe, schmutzige und falsche Propaganda" vor.
In Straßburg forderte Timoschenkos Anwältin Valentina Telitschenko die Führung in Kiew zum Umdenken auf. "Natürlich sollte die ukrainische Regierung ernsthaft nachdenken, welche Schritte sie unternimmt, um den politischen Druck auf die Justiz zu stoppen sowie deren Ansehen aufzupolieren", sagte Telitschenko der Agentur Interfax.
Auch die Regierung in Deutschland pochte nach dem Urteil auf Veränderung: "Das bestätigt erneut, dass die Ukraine im Bereich von Justiz und Rechtsstaat noch immer Defizite hat, die angegangen werden müssen", sagte der Außenminister Guido Westerwelle bei einem Besuch in Mosambik. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte, Willkür und Rechtsverstöße in der Ukraine müssten abgestellt werden. "Der Grad von Demokratie und Rechtstaatlichkeit erweist sich vor allem im Umgang mit politischen Gegnern."
Quelle: ntv.de, AFP/dpa