Politik

Regeln für Finanzmärkte Merkel bleibt unnachgiebig

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den G20-Gipfel als "entscheidende Wegmarke" für eine bessere Kontrolle der Finanzmärkte bezeichnet. Die Staatengemeinschaft dürfte jetzt nicht nachlassen und müsse die Lehren aus der Finanzkrise ziehen, sagte Merkel in Berlin vor ihrem Abflug zum Gipfel im amerikanischen Pittsburgh. Es bestehe jederzeit die Gefahr, dass der Elan zu Reformen wieder nachlasse. "Das darf nicht passieren."

Merkel reist mit viel Optimismus nach Pittsburgh.

Merkel reist mit viel Optimismus nach Pittsburgh.

(Foto: REUTERS)

Wie von den USA und Großbritannien gewünscht, könne auf dem Gipfel auch über Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft und Währungsrisiken geredet werden. Es dürften aber nicht Ersatzthemen gesucht werden, um vom zentralen Feld der Finanzmarkt-Stabilisierung abzulenken, warnte Merkel.

Bundesbankpräsident Axel Weber erwartet vom Gipfel "deutliche Änderungen" im weltweiten Finanzsystem. Zum Thema Managergehälter sagte er im Deutschlandfunk: "Es geht darum, die richtigen Anreize zu setzen, was die Vergütungssysteme betrifft. Kurzfristiger Unternehmenserfolg sollte nicht mehr im Mittelpunkt stehen." All dies sei für Pittsburgh auf den Weg gebracht worden, sagte Weber. Er gehe davon aus, dass diese Eckpunkte dort verabschiedet werden.

"Wir brauchen Regeln"

Die Bundesregierung will in Pittsburgh auch verhindern, dass die wiedererstarkte Bankenlobby verschärfte Regeln untergräbt. Ein Stück weit müsse die Politik den Mut haben, etwas zu machen, das die großen Banken nicht begrüßen, sagte Merkel.  Bereits zuvor hatte die Kanzlerin klare Regeln für den Finanzmarkt gefordert: "Wir brauchen Regeln - und zwar für jedes Produkt, für jeden Platz, an dem gehandelt wird und für jedes Institut", sagte Merkel dem Bayerischen Rundfunk.

Finanzminister Peer Steinbrück betonte, es gebe bereits wieder Gegenbewegungen an der Wall Street und in der Londoner City. Die Regulierung der Märkte sei aber Sache der Politik. "Franz Josef Strauß hat einmal gesagt: Man darf einem Hund nicht den Wurstvorrat zur Bewachung überlassen."

Die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder, zu denen auch aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Indien und Brasilien zählen, kommen am Donnerstagabend (Ortszeit) in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania auf Einladung von US-Präsident Obama zunächst zu einem Dinner zusammen. Für Freitag sind zwei Plenarsitzungen geplant, an deren Ende eine gemeinsame Erklärung stehen soll.

USA "im Boot halten"

Steinbrück hatte zuvor der "Passauer Neuen Presse" angesichts möglicher Vorbehalte in Washington und London gesagt: "Ich hoffe, dass wir die Amerikaner weiter im Boot halten können." US-Präsident Barack Obama habe zwar "eine bemerkenswerte Rede" zur Notwendigkeit der Finanzmarktregulierung gehalten, und der britische Premier Gordon Brown habe sich ihm angeschlossen. Jedoch erlebe er leider, "dass die Verwaltungsebene in beiden Staaten das verwässern will", so Steinbrück. In Pittsburgh werde man deshalb dazu "klare Worte sprechen müssen". Man dürfe nicht zu den alten Regeln aus der Zeit vor der Krise zurückkehren.

Zusammen mit Steinbrück will Merkel den Vorrang der Politik gegenüber der Wirtschaft durchsetzen.

Zusammen mit Steinbrück will Merkel den Vorrang der Politik gegenüber der Wirtschaft durchsetzen.

(Foto: AP)

Derweil kündigte auch der britische Finanzminister Alistair Darling eine harte Linie gegen Banker an: "Die Schlüsselbotschaft ist, dass die Party für Banker vorbei sein muss", sagte er der BBC. Künftig müssten sich Bankmanager verantwortungsbewusst verhalten. Die Banker hätten die Krise verursacht, indem sie "Produkte verkauft haben, von denen sie nichts verstanden". "Das Tragische ist, dass nicht sie gelitten haben, sondern alle anderen, weil die Welt in die Rezession gerutscht ist."

Er wolle ein System, bei dem Boni eingeschränkt werden. Dabei sollten die Bonuszahlungen auch zurückgefordert werden können, wenn die Bank Verluste macht. Darling sagte aber auch, dass es ein Limit gebe, wie viel durch Regulierung erreicht werden könnte.

EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso warnte indes davor, die Zuständigkeiten der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer auf Kosten anderer Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds (IWF) oder die Weltbank zu erweitern. Die G20 seien ein wichtiges Forum, das gestärkt werde solle, sagte Barroso. Aber: "Wir dürfen nicht die Position des IWF verwässern."

"Riskante und spekulative Geschäfte verhindern"

Unterdessen mahnte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zur Vorsicht bei der von den G20-Staaten geplanten Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen für Banken. "Wir müssen darauf achten, dass neue Eigenkapitalanforderungen zum rechten Zeitpunkt mit dem nötigen Augenmaß eingeführt werden", sagte er dem "Handelsblatt". "Die Zeit dafür dürfte erst reif sein, wenn die gegenwärtige Krise überwunden ist". Grundsätzlich unterstütze er aber den Ansatz. "Es geht nicht darum, die Kreditvergabe zu erschweren, sondern darum, riskante und spekulative Geschäfte zu verhindern, damit es zu Finanzkrisen dieses Ausmaßes nicht mehr kommen kann."

Pittsburgh bereitet sich auf den Gipfel vor - ob er konkrete Beschlüsse bringt, ist aber fraglich.

Pittsburgh bereitet sich auf den Gipfel vor - ob er konkrete Beschlüsse bringt, ist aber fraglich.

(Foto: REUTERS)

Es ist bereits der dritte Weltfinanzgipfel binnen zehn Monaten. Im Mittelpunkt der zweitägigen Beratungen stehen die umstrittenen Bonuszahlungen für Banker und Fortschritte bei der Regulierung der Finanzmärkte als Folge der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Thema wird überdies der anstehende Ausstieg aus den Milliardenprogrammen für die Finanzbranche und Wirtschaft sein.

"Das Feuer brennt noch"

IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn warnte deshalb vor einem zu frühen Ausstieg aus den Konjunkturstützen. Es müsse sichergestellt werden, dass die Maßnahmen solange beibehalten würden, bis sich die Lage am Arbeitsmarkt verbessere, sagte Strauss-Kahn dem Radiosender "Europe 1". Weltweit seien im Kampf gegen die Wirtschaftskrise Regierungen und internationale Organisationen als Feuerlöscher aufgetreten und hätten Billionen von Dollar in die Wirtschaft gepumpt. "Wir dürfen das Wasser noch nicht wegwischen. Das Feuer brennt noch", betonte Strauss-Kahn.

Ein Jahr nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers ist die Weltwirtschaft auf Erholungskurs. Es wird befürchtet, dass es deswegen auch angesichts von Konflikten vor allem zwischen USA und Briten einerseits und Kontinentaleuropa andererseits kaum zu konkreten Beschlüssen kommt.

Auch Klimaschutz thematisieren

Umweltschützer drängen unterdessen auf ein stärkeres Engagement der Staats- und Regierungschefs der G20 für den Klimaschutz. Der Präsident des Umweltbundesamts (UBA), Jochen Flasbarth, äußerte im ZDF die Befürchtung, dass dem Thema auf dem Gipfel zu wenig Beachtung geschenkt würde. Enttäuscht äußerte sich Flasbarth über die Klima-Politik der US-Regierung unter Barack Obama. Zwar seien die Worte freundlicher geworden, es fehle aber die konkrete Umsetzung. "Die Amerikaner können bei Appellen nun gewiss nicht mehr bleiben", mahnte Flasbarth. Bislang seien sie weiterhin Schlusslicht beim internationalen Klimaschutz.

"Es ist ein Fehler, dass sich die G-20 praktisch nur auf das Weltfinanzsystem konzentrieren und sich immer nur am Rande in salbungsvollen Reden mit dem Klimathema befassen", hatte zuvor auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gesagt. Er schlug einen weiteren Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs speziell zum Klimaschutz im Vorfeld der Konferenz von Kopenhagen vor. Auch Gabriel rief die USA auf, deutlich zu machen, "wie sie in den nächsten Jahren im Klimaschutz aufholen wollen". Allerdings müsse auch Deutschland seine Anstrengungen verstärken.

Merkel hatte vor ihrer Abreise angekündigt, auch den Klimaschutz zur Sprache bringen zu wollen. Sie kritisierte zudem den schleppenden Verlauf der Vorbereitungen für die UN-Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen. "Wenn wir sehen, was noch zu leisten ist, kann uns das nicht zufriedenstellen", sagte die Kanzlerin.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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