SPD spekuliert über Koalitionsbruch Merkel bremst Träume
18.06.2011, 21:55 Uhr
Kretschmann und Merkel im Kanzleramt: "Herr Kretschmann geht überlegt an die Dinge heran."
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Kanzlerin Merkel versucht, die Spekulationen über ein schwarz-grünes Bündis zu beenden. "Für mich ist die Gemeinsamkeit zwischen FDP und der Union weitaus größer", sagt die CDU-Chefin. Für Ministerpräsident Kretschman findet sie trotzdem lobende Worte. Die SPD spekuliert derweil ungeniert über ein Ende von Schwarz-Gelb.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat allen Spekulationen über ein künftiges Regierungsbündnis zwischen Union und Grünen eine Absage erteilt. Mit dem liberalen Koalitionspartner gebe es eine deutlich größere Übereinstimmung als mit den Grünen. "Für mich ist die Gemeinsamkeit zwischen FDP und der Union weitaus größer, als mit den Grünen", sagte die Parteivorsitzende in Berlin vor rund 140 CDU-Kreisvorsitzenden.
Zu Spekulationen über Schwarz-Grün sagte Merkel: "Wenn wir uns für Koalitionen aussprechen, dann sprechen wir uns da aus, wo die meisten Überlappungsmengen sind." Das gelte bei den Liberalen für das ganze Spektrum von der Außen- bis zur Energiepolitik. Mit Blick auf die Spannungen in der schwarz-gelben Koalition sagte sie: "Ich glaube, dass die FDP wirklich auf dem Weg ist, dass wir auch ein paar Dinge gemeinsam lösen können." Sie sei dazu jedenfalls fest entschlossen.
Zugleich machte die CDU-Vorsitzende deutlich, dass Bündnisse für sie kein Selbstzweck seien. Statt Partnerdebatten zu führen, "sollten wir zur Mitte der Legislaturperiode unsere Hausaufgaben so machen, dass wir als Union anschließend wieder sehr stark sind", mahnte sie die Kreisvorsitzenden.
Lob für Kretschmann

Die Vorsitzende: Die CDU hatte einigen Gesprächsbedarf angesichts der jüngsten Politikwechsel.
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Merkel forderte die Grünen zudem zu einer klaren Positionierung bei der Energiewende auf. Beim geplanten Ausbau der alternativen Energien müsse die Partei zeigen, "wofür sie steht", sagte Merkel in einem Interview mit der "Super Illu". Die Grünen müssten jetzt deutlich machen, "ob sie wirklich für erneuerbare Energien mit allem, was das mit sich bringt, also für Pumpspeicherwerke und Netzausbau eintreten, oder ob sie - wie lange Zeit bei der Kernkraft - sich gegen solche notwendigen Maßnahmen wenden werden, ohne die aber der Ausstieg nicht gelingen kann". Merkel fügte hinzu: "Dagegensein ist auf Dauer keine konstruktive Haltung."
Lobend äußerte sich Merkel über den Grünen-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, der sich positiv zu ihrem Atomausstiegs-Plan geäußert hatte. "Herr Kretschmann geht überlegt an die Dinge heran", sagte Merkel. Der Bundesvorstand der Grünen hatte am Donnerstag einen Leitantrag für den Sonderparteitag am kommenden Samstag beschlossen, in dem der schwarz-gelbe Atomausstieg im Prinzip unterstützt wird. Die Parteispitze fordert darüber hinaus jedoch Nachbesserungen des Konzeptes.
CDU von Spekulationen genervt
Niedersachsen Ministerpräsident David McAllister rief seine Partei derweil auf, Distanz zu den Grünen zu halten. "Mich ärgert es, dass einige in meiner Partei den Grünen hinterherlaufen", sagte McAllister dem "Hamburger Abendblatt". Sobald die Energiewende unter Dach und Fach sei, beginne die Entzauberung der Grünen, zeigte sich McAllister überzeugt. Die Grünen hätten "momentan einen Hype, mehr nicht". Der Regierungschef forderte die CDU auf, jetzt wieder ihre "Brot-und-Butter-Themen" wie Arbeit und Wirtschaft in den Vordergrund zu stellen. "Die CDU sollte darüber reden, worin sie stark ist", verlangte er.
Die Spekulationen über eine mögliche schwarz-grüne Koalition haben durch die Wende Merkels in der Energiepolitik hin zu einem schnelleren Atomausstieg neuen Auftrieb erhalten. Die Energiepolitik galt bis dahin als größtes Hindernis einer Koalition zwischen Union und Grünen. Zudem gibt es auch immer wieder Zweifel am Zusammenhalt der schwarz-gelben Bundesregierung. Die Koalition aus Union und FDP kommt auch nach dem Kabinettsbeschluss zum Atomausstieg nicht aus dem Umfragetief. Nach jüngsten Umfragen würden Union oder FDP 35 Prozent der Stimmen erhalten. Grüne und SPD hätten mit 49 Prozent eine absolute Mehrheit.
SPD spekuliert auf Bruch
Neuen Streit in der Koalition gibt es zudem über die Hilfen für Griechenland. Die SPD hält Neuwahlen im Herbst für möglich, wenn die Bundesregierung bei der Abstimmung im Bundestag keine eigene Mehrheit findet. "Die Gefahr, dass Merkel scheitert, wird immer konkreter. Sie steht kurz vor ihrer größten Krise", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, dem "Spiegel". Die Europa- und Finanzpolitik sei "die Sollbruchstelle" der Bundesregierung.

Die Verlängerung der Atomlaufzeiten war das größte Hindernis für ein mögliches Bündnis mit den Grünen.
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Vertreter von CDU und FDP wiesen diese Spekulationen scharf zurück. Der Versuch, "ein Scheitern der deutschen Regierung bei der Bewältigung einer schwierigen Situation für unsere Währung herbeizureden, ist unverantwortlich", erklärte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Patrick Döring. Neuwahlen in Deutschland wären "ein verheerendes Signal für Märkte und Stabilität". Ein Sprecher der Unionsfraktion wies Oppermanns Äußerungen als "Propaganda" und "Schwachsinn" zurück. Die Chance auf Neuwahlen liege bei "Null", sagte er. Zwar würden "innerhalb der Koalition kritische Stimmen und Gegrummel" angesichts neuer Hilfen für Griechenland laut. Allerdings gebe es "keinerlei Anzeichen einer flächendeckenden Ablehnung" in den Regierungsfraktionen. Die Koalition werde "selbstverständlich" eine eigene Mehrheit haben, sollte der Bundestag über neue Mittel für Griechenland abstimmen.
Merkel verteidigt Atomwende
Merkel warb vor der Parteibasis auch für ihren auch in den eigenen Reihen umstrittenen Ausstieg aus der Atomkraft und die schwarz-gelbe Energiewende. Vertreter aus den CDU-Kreisverbänden stützten diesen Kurs, kritisierten aber eine mangelhafte Erklärung der Kehrtwende innerhalb nur weniger Monate. Die Atomkatastrophe von Fukushima reiche dafür nicht aus.
Die noch im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für deutsche Atommeiler wurde von einigen Kreisverbänden als Fehler bezeichnet. Sie warnten davor, mit ständigen Positionswechseln die Haltbarkeit von Koalitionsentscheidungen immer mehr zu verkürzen und CDU-Stammwähler sowie Parteimitglieder zu verprellen.
Merkel appellierte an die CDU-Basis, den neuen Energiekurs und das wirtschaftliche und "durchgerechnete" Konzept von Schwarz-Gelb auch vor Ort als Chance zu verkaufen. Sie empfehle, die Beschlüsse nicht nur missmutig hinzunehmen. "Ich empfehle uns, jetzt aus der Sache eine Erfolgsgeschichte zu machen", sagte die Kanzlerin. Es gebe die Chance für neue Arbeitsplätze und für Exporte. "Ich glaube, dass es ein richtiger Schritt ist und ein Schritt ist, der uns viele Chancen bringt", sagte die CDU-Chefin. Deutschland sei weltweit am ehesten das Land, das die Energiewende schaffen könne. Auch Atommächten könne gezeigt werden: "Es geht auch anders."
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP