Politik

Regierungsbildung bis 9. November Merkel drückt aufs Tempo

Die Kanzlerin will sich noch heute mit dem FDP-Chef treffen, um den Fahrplan für Koalitionsverhandlungen festzulegen. Bis zum 9. November soll die schwarz-gelbe Regierung stehen. Inhaltlich sind sich Union und FDP über Steuersenkungen einig, Streit gibt es über Mindestlöhne und den Gesundheitsfonds. Die FDP kündigt harte Verhandlungen an.

Freude trotz Verlusten: Merkel am Tag nach der Wahl.

Freude trotz Verlusten: Merkel am Tag nach der Wahl.

(Foto: REUTERS)

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) drückt bei den Koalitionsverhandlungen mit der FDP aufs Tempo. Angesichts der Wirtschaftskrise soll Schwarz-Gelb nach ihrem Willen spätestens in sechs Wochen stehen. Deutschland habe "Anspruch darauf, schnell eine neue Regierung zu haben", sagte die CDU-Chefin nach der Sitzung der Parteispitze in Berlin. Sie strebe die Regierungsbildung bis zum 9. November an, dem 20. Jahrestag des Mauerfalls. Merkel will die soziale Balance auch im Bündnis mit der FDP wahren. Für die Koalitionsverhandlungen kündigte sie eine selbstbewusste Union an. Der neue Bundestag muss sich spätestens bis zum 27. Oktober konstituieren.

Auch der FDP-Chef strebt eine schnelle Regierungsbildung an. "Wir werden jetzt zügig die Koalitionsgespräche führen, aber auch gründlich", sagte Westerwelle. "Deutschland hat sich für klare Verhältnisse entschieden", fügte Westerwelle mit Blick auf die klare Mehrheit für ein schwarz-gelbes Regierungsbündnis im künftigen Bundestag hinzu.

Merkel und Westerwelle haben sich am Nachmittag bereits das erste Mal zu einem Gespräch getroffen. Die einstündige Begegnung zur Bildung einer schwarz-gelben Koalition fand "in bester Atmosphäre" statt, wie die FDP mitteilte. Bei dem Treffen ging es offenbar um Verfahrensfragen, Inhalte wurden noch nicht besprochen. Die offiziellen Koalitionssondierungen sollen nach Angaben von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla spätestens in der kommenden Woche beginnen.

Zahlen der Superlative

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die CDU/CSU auf 33,8 Prozent (2005: 35,2), die SPD auf 23,0 (34,2) und die FDP auf 14,6 Prozent (9,8). Die Grünen erreichten 10,7 Prozent (8,1), die Linken 11,9 Prozent (8,7). Durch Überhangmandate kommt Schwarz-Gelb im 17. Bundestag zusammen auf 332 Mandate und liegt damit deutlich vor Rot-Rot-Grün mit 290 Sitzen. Durch den knappen Sieg von CDU und FDP bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben Union und FDP auch im Bundesrat eine Mehrheit, was das Regieren erleichtert.

Mit Blick auf die Verluste ihrer Partei sagte Merkel, eine Große Koalition wie in den vergangenen Jahren sei immer eine Herausforderung für Volksparteien gewesen. Dies habe sich aber beim Wahlergebnis der Union "relativ gering" niedergeschlagen, im Gegensatz zum früheren Koalitionspartner SPD. Als Volkspartei habe die CDU/CSU deshalb eine gute Ausgangsbasis für die nächsten Jahre. Eine Wahlanalyse solle darüber noch genaueren Aufschluss geben.

Steuersenkungen sollen kommen

Westerwelle kündigte an, bei der konstituierenden Sitzung der neuen FDP-Fraktion am Dienstag erneut für den Vorsitz zu kandidieren, um dann als Partei- und Fraktionschef die Koalitionsverhandlungen mit der Union zu führen. Er ließ erneut offen, welche Ressorts die Freien Demokraten in einer schwarz-gelben Regierung beanspruchen könnten. Neben der Wirtschafts- und Steuerpolitik nannte der FDP-Chef auch Bildung, Bürgerrechte, Umwelt und Abrüstungspolitik als wichtige Themen für die Liberalen.

Strahlender Sieger: Westerwelle kann eine starke FDP in die Regierung führen - und stellt entsprechende Forderungen.

Strahlender Sieger: Westerwelle kann eine starke FDP in die Regierung führen - und stellt entsprechende Forderungen.

(Foto: dpa)

Westerwelle sprach von dem Ziel eines "fairen" Steuerrechts, das Voraussetzung "für gesunde Staatsfinanzen" sei. Er wollte aber auf eine entsprechende Frage den im Wahlprogramm festgeschriebenen Dreiklang eines "einfacheren, niedrigeren und gerechteren Steuersystems" nicht mehr wiederholen. "Das, was ich gesagt habe, gilt", sagte Westerwelle lediglich und fügte hinzu, er wolle nicht in einer Pressekonferenz Koalitionsverhandlungen führen.

Auch Merkel bestätigte das Festhalten an den versprochenen Steuersenkungen. "Ich habe immer wieder gesagt, wir wollen zwei Schritte machen", sagte Merkel. Nach den bereits von der großen Koalition beschlossenen Entlastungen für 2010 sollten diese beiden Stufen später in der neuen Wahlperiode folgen. Es gebe dafür drei Möglichkeiten: "2011 und 2012, 2011 und 2013 oder aber erst 2012 und 2013", sagte Merkel.

Warnungen aus der CDU

Vorgesehen hat die Union ein Entlastungsvolumen von 15 Milliarden Euro, die FDP-Pläne brächten 35 Milliarden Euro. Kurzfristig werde die neue Regierung Korrekturen bei der Erbschaft- und Unternehmenssteuerreform prüfen, damit diese nicht krisenverschärfend wirken könnten, sagte Merkel.

Führende CDU-Politiker mahnten allerdings zur Zurückhaltung. "Es bleibt auch dabei, dass wir keine Steuersenkungen auf Kosten der nächsten Generationen machen dürfen", sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch vor der Präsidiumssitzung der CDU in Berlin. "Wir werden rechnen müssen." Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger mahnte zur Zurückhaltung: "Steuersenkungen sind bei den Haushaltsentscheidungen zu entscheiden", sagte er vor der Präsidiumssitzung. Vor allem werde es von den Steuerschätzungen abhängen, welche Spielräume es dafür gebe.

Schwarz-gelbe Streitpunkte

Trotz der großen inhaltlichen Übereinstimmung von Union und FDP deuten sich die ersten Konflikte an. Streitpunkte dürften vor allem die Mindestlöhne und die Gesundheitspolitik sein. "Bei den Mindestlöhnen nehme ich nichts zurück", kündigte die CDU-Vorsitzende an. Bei dem Wunschpartner FDP waren die staatlich verordneten Lohnuntergrenzen auf scharfe Kritik gestoßen. Auch bei der von den Liberalen kritisierten Gesundheitsreform will die Kanzlerin keine wesentlichen Änderungen vornehmen: "Ich sage ihnen auch, dass die Grundstruktur des Gesundheitsfonds nicht angetastet wird." Merkel kündigte eine sozial ausgewogene Politik an. "Wir werden natürlich darauf achten, dass wir die Balance der sozialen Marktwirtschaft ... vernünftig und gut austarieren", sagte sie. Eine neue Koalition aus Union und FDP werde sowohl in Achtung vor denen, die Arbeitsplätze schaffen, handeln als auch im Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen.

Die FDP hält trotzdem an ihrer Forderung einer Abschaffung des Gesundheitsfonds fest. "Wir wollen Schritt für Schritt unsere Vorstellungen umsetzen. Maßgabe ist unser Wahlprogramm", sagte ihr Gesundheitsexperte Daniel Bahr. Der Wahlausgang zeige, dass die Menschen einen Richtungswechsel auch in der Gesundheitspolitik wollten.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP/rts

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