Trotz Montis Anti-Europa-Bedenken Merkel lobt Italiens Reformen
11.01.2012, 09:41 Uhr
Bundeskanzlerin Merkel zollt dem italienischen Ministerpräsidenten Monti Respekt für dessen Entschlossenheit zu durchgreifenden Reform- und Sparmaßnahmen. Sicher werde die Arbeit der italienischen Regierung bald honoriert. Monti hatte zuvor in deutlichen Worten eine größere Rolle für sein Land in der EU gefordert. Er sehe sich nicht als Bittsteller, sondern auf Augenhöhe mit Berlin und Paris.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Sparanstrengungen Italiens gelobt. Der neue Ministerpräsident Mario Monti und seine Regierung hätten innerhalb von wenigen Tagen "außerordentlich wichtige und bemerkenswerte Maßnahmen getroffen", sagte die CDU-Chefin nach Montis Antrittsbesuch in Berlin. Die Kanzlerin betonte, Italien habe bei Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen Geschwindigkeit und Substanz gezeigt. "Das ist etwas, was Italien stärken wird."
Das Gespräch zwischen Merkel und Monti dauerte länger als erwartet. Merkel sagte, es sei nicht gestritten, sondern eine Fülle von Themen angesprochen worden. Unmittelbar vor den Gesprächen im Kanzleramt hatte Monti vor anti-europäischen-Protesten in seinem Land gewarnt. Wenn es für die Italiener in absehbarer Zeit keine greifbaren Erfolge ihrer Spar- und Reformbereitschaft gebe, werde in Italien ein Protest gegen Europa entstehen, sagte Monti der Zeitung "Die Welt". Dies werde sich auch gegen Deutschland richten, das als Anführer der EU-Inteloranz gelte. Unmut werde sich zudem gegen die Europäische Zentralbank richten.
"Ich fordere von den Italienern schwere Opfer – diese kann ich ihnen aber nur abverlangen, wenn sich dafür konkrete Vorteile abzeichnen", sagte Monti. Dies könne etwa eine Senkung des Zinssatzes sein. Sollte sich die EU-Politik nicht ändern, könne Italien in die Arme von Populisten flüchten, warnte Monti.
Merkel-Vertrauter weist Forderung zurück
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, wies Montis Forderungen nach Belohnung für seine Reformbemühungen zurück. "Ich wünsche mir, dass Mario Monti vor allen Dingen die italienischen Reformen voranbringt, bevor er Wünsche an seine europäischen Partner äußert", sagte der CDU-Politiker und Merkel-Vertraute der ARD. "Das wäre der beste Weg, damit die Märkte wieder Vertrauen fassen", so Altmaier.
Monti hatte zudem eine zentrale Rolle für sein Land eingefordert. Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy würden einen schweren Fehler machen, wenn sie glaubten, sie könnten die EU alleine meistern. "Europa muss mehrere Zentren haben. Und Italien ist eines von ihnen."
Italiens Defizit sinkt
Derweil forderte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, Italien zu tiefgreifenden Wirtschaftsreformen auf. Das Euro-Krisenland brauche Strukturreformen, um seine Wachstumskräfte zu stärken, sagte er im Deutschlandfunk. "Das bedeutet eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, eine Öffnung der vielfältigen Kartelle im Dienstleistungssektor." In der Schuldenkrise sei vor allem Italien selbst gefragt, ein weiteres Entgegenkommen der EU sei zweitrangig, betonte Mayer.
Dem Land ist es allerdings gelungen, das Haushaltsdefizit zu senken. Im dritten Quartal 2011 lag es im Zuge geringerer Ausgaben und höherer Steuereinnahmen bei 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im Vorjahresquartal hatte es noch bei 3,5 Prozent gelegen. Die Maastricht-Kriterien erlauben höchstens 3 Prozent.
Damit hat sich das Haushaltsdefizit bereits vor der Umsetzung der Sparpakete verringert, mit denen das Defizit in den kommenden drei Jahren um 80 Mrd. Euro reduziert werden soll. Italien hat angekündigt, das Haushaltsdefizit bis 2013 vollständig abzubauen und einen primären Überschuss – also ohne Schuldendienst - von rund fünf Prozent des BIP zu erzielen.
Mafia wird zur "ersten Bank"
Ein drängendes Problem bleibt allerdings ungelöst: Einem italienischen Unternehmensverband zufolge gehört die Mafia zu den Krisengewinnern, das organisierte Verbrechen besitzt große Wirtschaftskraft. Mit einer Liquidität von etwa 65 Mrd. Euro sei die Mafia inzwischen auch "die erste Bank" des Landes.
Quelle: ntv.de, dpa/rts