Spanien-Rettung im Bundestag Merkel reicht einfache Mehrheit
15.07.2012, 22:08 UhrKanzlerin Angela Merkel will ihren Europa-Kurs zum Bundestagswahlkampfthema machen. Ganz sicher, ob sie damit auch wirklich punkten kann, scheint sie aber nicht zu sein. Bei der anstehenden Entscheidung des Bundestages zu Spanien-Hilfen zumindest gibt sie sich äußerst bescheiden.

Merkel: "Wir bekommen immer die Mehrheiten, die wir brauchen"
(Foto: dpa)
Vor der Bundestags-Sondersitzung über die Milliardenhilfe für Spanien streiten Regierung und Opposition über die Notwendigkeit einer Kanzlermehrheit. Obwohl Angela Merkel ihre Europa-Politik zum Wahlkampfthema machen will, gibt sie sich bei der Spanienrettung eher kleinlaut. Sie selbst hält die symbolisch wichtige Mehrheit von 50 Prozent plus einer Stimme in diesem Fall nicht für erforderlich und eine einfache Mehrheit für ausreichend. "Wir bekommen immer die Mehrheiten, die wir brauchen", sagte sie im ZDF-Sommer-Interview. Bei ihren Wahlen zur Kanzlerin habe sie die Kanzlermehrheit jeweils gehabt. "Wenn eigene Mehrheiten notwendig waren, bekomme ich sie, und davon gehe ich aus."
Dagegen sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann: "Alles andere als die Kanzlermehrheit ist eine Niederlage und ein Zeichen für die Erosion der Macht der Kanzlerin." Merkel müsse in allen zentralen Fragen immer die Kanzlermehrheit hinter sich haben. Wenn die Kanzlermehrheit als Ziel aufgegeben werde, sei dies eine "Kapitulationserklärung".
Weiter unklar wer haftet
Der Bundestag wird voraussichtlich an diesem Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammentreten, um die Hilfen für das finanziell angeschlagene Spanien zu beschließen. Bei den Abstimmungen über den Euro-Rettungsschirm ESM Ende Juni hatte die Koalition dreimal die Kanzlermehrheit verfehlt. Die SPD hatte Merkel daraufhin vorgeworfen, keine eigene Mehrheit für ihre Politik zu haben. Für eine Kanzlermehrheit sind zurzeit mindestens 311 Ja-Stimmen der schwarz-gelben Koalition nötig.
CSU-Chef Horst Seehofer empfahl den Abgeordneten seiner Partei im "Bericht aus Berlin" die Zustimmung zu den Spanien-Hilfen. Allerdings müsse die Bundesregierung klarstellen, dass der spanische Staat und nicht eine einzelne Bank dafür hafte.
Merkel versuchte im ZDF klarzustellen, dass noch keine Entscheidung gefallen sei, wer bei künftigen direkten Bankenkrediten aus dem Euro-Rettungsschirm ESM hafte. "Dazu haben wir uns überhaupt abschließend nicht geäußert." Ohnehin seien direkte Bankenhilfen erst möglich, wenn eine europäische Bankenaufsicht eingeführt worden sei, die direkte Eingriffsrechte in nationale Institute habe. Dann sei eine ganz andere Kontrolle möglich. Dies sei eine Zukunftsaufgabe, über die auch der Bundestag zuvor entscheiden werde.
Merkel verzichtet auf Gaucks Hilfe
Merkel sagte voraus, dass sie den weitere Kurs der Europäischen Union zum Bundestagswahlkampfthema 2013 machen will. Die Frage der weiteren Solidarität für anderen Staaten sei für jedes Land ganz wichtig. "Deshalb wird natürlich im nächsten Jahr auch darüber abgestimmt werden, wo steht Europa und welche Vorstellungen haben wir von Europa."
"Mein und unser Europa der christlich-liberalen Koalition wird eine Stabilitätsunion sein, die sich weltweit behaupten kann." Merkel hatte betont, dass Deutschland zum einen nicht überfordert werden dürfe und zum anderen auf dem Prinzip beharren werde, dass es Hilfen in der Euro-Zone nur gegen Kontrollen und Bedingungen geben könne.
Vom Hilfsangebot des Bundespräsidenten beim Werben für die Europapolitik will sie nicht Gebrauch machen. "Jeder hat seine Funktion", sagte Merkel. "Der Bundespräsident und alles, was er sagt, steht für sich."
Gauck hatte Merkel eine Woche zuvor aufgefordert, den Bürgern besser die Politik bei der Euro-Rettung zu erklären - und hinzugefügt: "Da kann ich helfen." Dass die Krisenpolitik sie sehr fordere, räumte Merkel in dem Interview ein. "Ich bin voll beschäftigt", sagte sie. "Europa nimmt uns alle sehr in Beschlag."
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP