Gerüchte über Griechenland-Papier Merkel sagt doch nichts
13.09.2011, 15:53 Uhr
Merkel wartet auf Besuch aus Finnland - und wirkt erschöpft. Euro-Müdigkeit?
(Foto: REUTERS)
Jedes Wort, jede Regung der Politik in Sachen Schulden-Krise kann Turbulenzen an den Aktienmärkten auslösen. Dementsprechend vorsichtig muss Kanzlerin Merkel inzwischen agieren: Sie weist Gerüchte über ein neues Griechenland-Papier zurück. Derweil eilt allerdings US-Finanzminister Geithner nach Europa.
Deutschland und Frankreich haben Gerüchte zurückgewiesen, sie wollten in Kürze eine neue Initiative zur Rettung Griechenlands starten. "Es gibt heute kein Papier zu Griechenland", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es gebe "permanente Kontakte" zu Frankreich, aber ein "spezielles Papier zur Situation in Griechenland" stehe nicht kurz vor der Veröffentlichung.
Gerüchte über eine solche Initiative hatten am Dienstag die Aktienmärkte nach Einbrüchen vorübergehend wieder beruhigt. Allerdings dementierte auch der Élysée-Palast die Angaben über ein angebliches Strategiepapier mit Deutschland. Jedoch wurde bekannt, dass Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Mittwoch eine Telefonkonferenz mit der Bundeskanzlerin und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy abhalten wird. Dies berichtete das griechische Staatsfernsehen. Weitere Einzelheiten gibt es noch nicht.
Merkel bekräftigte ihren Willen, den Euro zu verteidigen. Die Euro-Zone sei entschlossen und zuversichtlich, die Stabilität der Gemeinschaftswährung zu sichern. Dies könne aber nicht mit einer einzigen Maßnahme erreicht werden, sondern sei ein länger andauernder Prozess, so Merkel. Dennoch sei es wichtig, die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF zügig umzusetzen. Die CDU-Vorsitzende ging damit – ohne sie namentlich zu erwähnen – deutlich auf Distanz zu FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und CSU-Chef Horst Seehofer, ihren eigenen Koalitionspartnern. Beide schüren seit Tagen die Diskussion um einen Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone beziehungsweise eine Insolvenz des Landes.
Rösler steckt in einem Profilierungsdilemma. Er muss seine Partei aus einem existenzbedrohenden Stimmungstief führen, mit solider Sacharbeit will er erklärtermaßen das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen. Doch alles, was Rösler an Vorschlägen unterbreitet, wird inzwischen als Verzweiflungstat eines Parteichefs in höchster Not gewertet. Er verteidigte dennoch seine Überlegungen zu einer griechischen Staatspleite erneut. "Immer mehr Menschen fragen sich, wie es in Europa weiter geht", sagte er der "Rheinischen Post". "Zurecht werden ehrliche Antworten verlangt, wie wir mit Staaten umgehen, die ihre Reformzusagen nicht einhalten."
Bofinger warnt eindringlich
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger jedenfalls warnte eindringlich vor den unkalkulierbaren Folgen für die Stabilität der Euro-Zone, falls weitere Finanzspritzen für Griechenland ausbleiben. "Wenn Griechenland keine Hilfen mehr bekommt, dann gibt es eine unkontrollierte Insolvenz mit dem Ergebnis, dass das griechische Bankensystem zusammenbricht und dem Risiko einer enormen Kettenreaktion, die womöglich noch verheerender als bei der Lehman-Pleite 2008 ist", sagte Bofinger der "Saarbrücker Zeitung". Die Situation sei "hochexplosiv". Selbst wenn das Risiko nur bei fünf oder zehn Prozent läge, dass andere Problem-Staaten wie Irland oder Portugal mit in den Abgrund gerissen würden, dürfe man es nicht eingehen, sagte Bofinger.
Die USA erhöhen unterdessen den Druck auf die Eurozone. US-Finanzminister Timothy Geithner schaltet sich persönlich ein und reist am Freitag überraschend zu einem Treffen seiner europäischen Amtskollegen in Polen. Es ist das erste Mal, dass ein Finanzminister der USA an einer Sitzung der Ressortchefs aus der Eurozone teilnimmt. Zudem äußerte US-Präsident Barack Obama seine Besorgnis über die Lage in Europa.
Die europäische Schuldenkrise sei eine Gefahr für die Weltwirtschaft, betonte Obama. Das Kernproblem der Eurozone sei, dass es zwar eine Gemeinschaftswährung, aber keinen gemeinsamen wirtschaftlichen Rahmen gebe, zitiert die Zeitung "El Mundo" Obama. "Solange diese Sache nicht gelöst ist, werden weiterhin Schwächen auf die Weltwirtschaft zukommen", warnte der US-Präsident. Die Staats- und Regierungschefs müssten zusammenkommen und entscheiden, wie die Währungsunion mit einer besseren fiskalischen Integration flankiert werden könne.
Derzeit sei zwar Griechenland das dringendste Problem, sagte der US-Präsident. Das Hauptproblem sei aber eigentlich, "was in Italien und Spanien passiert, wenn die Märkte diese großen Länder weiterhin ins Visier nehmen". Letztlich werde die Krise überwunden, wenn die Märkte darauf vertrauten, dass die solide wirtschaftenden Staaten in der Eurozone zur Unterstützung ihrer klammen Partner bereit seien, sagte Obama. Die USA seien in engem Kontakt mit den Europäern, um die Krise zu bewältigen.
So will Geithner Ende der Woche mit den europäischen Ministern über Schritte zur Kräftigung der Wirtschaft und die transatlantische Zusammenarbeit bei der Regulierung der Finanzmärkte beraten. Für den US-Finanzminister ist die Reise nach Polen bereits die zweite nach Europa innerhalb einer Woche. Geithner hatte zuletzt beim Treffen der Ressortchefs der sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) dafür geworben, dass sich die starken Volkswirtschaften stärker für Krisenländer wie Griechenland engagieren. Bei dem Treffen in Marseille führte Geithner auch ein Vier-Augen-Gespräch mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Beide Seiten behielten darüber aber Stillschweigen.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa/rts/AFP