Politik

Lobbyreport kritisiert "Blockade" durch Schwarz-Gelb Merkel sieht vier Mal Rot

"Unter Schwarz-Gelb hatten Lobbyisten freie Fahrt" - ob Merkel so etwas gerne hören wird?

"Unter Schwarz-Gelb hatten Lobbyisten freie Fahrt" - ob Merkel so etwas gerne hören wird?

(Foto: AP)

Hat Kanzlerin Angela Merkel ein Lobbyismus-Problem? Ob Mövenpick-Spende, "Rent-a-Rüttgers"-Affäre oder hochrangige Seitenwechsel in die Wirtschaft: Der Lobbybericht 2013 stellt der schwarz-gelben Bundesregierung ein katastrophales Zeugnis aus.

Lobbycontrol wurde 2005 gegründet und hat 1000 Mitglieder.

Lobbycontrol wurde 2005 gegründet und hat 1000 Mitglieder.

(Foto: picture alliance / dpa)

Schlechte Zeugnisse ist Angela Merkel derzeit allenfalls aus der Opposition gewohnt. Und damit kann die Bundeskanzlerin gut leben. Glaubt man den Vorhersagen, dann kann Merkel der Bundestagswahl am 22. September gelassen entgegenschauen. Einer Umfrage zufolge sind 70 Prozent der Deutschen mit ihrer Arbeit zufrieden. Damit ist sie die beliebteste deutsche Politikerin. Für Euphorie sorgen Merkel und ihre Regierung aber längst nicht überall.

Die Organisation Lobbycontrol stellt der Kanzlerin für die vergangenen vier Jahre ein miserables Zeugnis aus. Über ihren Umgang mit dem Thema Lobbyismus fällen die Autoren des Lobbyreports 2013 ein drastisches Urteil: "Unter Schwarz-Gelb hatten Lobbyisten freie Fahrt." Der erste Bericht der 2005 gegründeten, parteiunabhängigen Gruppe quittiert die Arbeit der Bundesregierung mit vier roten und einer gelben Ampel. Vor allem in den Bereichen Lobbytransparenz, Seitenwechsel zwischen Politik und Wirtschaft, Parteienfinanzierung und Abgeordnetenkorruption stellt die Organisation deutliche Defizite fest.

Das Problem mit von Klaeden

Umstritten: Eckart von Klaeden geht zu Daimler.

Umstritten: Eckart von Klaeden geht zu Daimler.

(Foto: picture alliance / dpa)

So gebe es in Deutschland anders als in den USA oder in Österreich weiterhin kein verpflichtendes Lobbyregister für Politiker. Ein Register würde dazu beitragen, versteckte und manipulative Einflussnahme vor allem durch die Finanz-, Energie-, Pharma- und Autobranche aufzudecken. Als Beispiel für finanzielle Verflechtungen zwischen Abgeordneten und Lobbyverbänden nennt Lobbycontrol den CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn. Laut "Focus" war dieser an der Lobbyfirma Politas beteiligt und beriet hier Kunden aus dem Pharma- und Medizinsektor. Folglich verdiente er in seinem Politikfeld auf zwei Seiten gleichzeitig – als Abgeordneter im öffentlichen Auftrag sowie als Lobbyist für partikulare Interessen. Im Bundestag wurde seit 2009 zwar mehrfach über ein verpflichtendes Register mit finanziellen Offenlegungspflichten und Sanktionen bei Falschangaben abgestimmt. Jedes Mal lehnten die schwarz-gelbe Regierung die Vorschläge jedoch ab.

Ebenso kritisch bewertet Lobbycontrol den Umgang mit sogenannten "Seitenwechseln" zwischen Politik und Wirtschaft. Wenn Politiker wie Staatsminister Eckart von Klaeden als Cheflobbyist zum Autokonzern Daimler gingen, sei dies höchst problematisch. Vor allem finanzstarke Akteure profitierten von derartigen Wechseln. Die Aussicht auf lukrative Jobangebote schaffe bei Abgeordneten Anreize, politische Entscheidungen nicht mehr frei von Interessen, sondern zugunsten späterer Arbeitgeber zu treffen. Der Lobbyreport fordert daher eine dreijährige Karenzzeit, in der ein Wechsel in Lobbytätigkeiten verboten ist. Nachdem der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder 2005 zum Unternehmen Nord Stream gewechselt war, hatte sich auch die FDP für stärkere Regulierung eingesetzt. Trotzdem verhinderte Schwarz-Gelb alle Versuche, problematische "Seitenwechsel" stärker zu kontrollieren.

"Ein Trauerspiel"

Völlige Intransparenz herrscht aus der Sicht der Autoren auch im Bereich Parteienfinanzierung. Die schwarz-gelbe Bundesregierung habe nichts unternommen, um so genannte "Einflussspenden" an die Parteien besser kontrollieren zu können. Im Gegenteil: Mit der Mövenpick-Spende und der "Rent-a-Rüttgers"-Affäre seien offenkundig sogar zwei Skandale dubiosen Parteisponsorings folgenlos geblieben. Trotz der Kritik von der sogenannten Greco-Kommission des Europarats sah die Regierung Merkel keinen Handlungsbedarf. Die Empfehlungen - Rechenschaftsberichte für Wahlkämpfe, Senkung der Grenzen für Veröffentlichung und Bekanntgabe - wurden nicht umgesetzt.

Wenig beeindrucken ließ sich die Bundesregierung auch von der UN-Konvention gegen Korruption. Unter den G20-Staaten ist Deutschland neben Japan bis heute das einzige Land, das die 2003 unterzeichnete Konvention bis heute nicht umgesetzt hat. Die Folge: Der Kauf oder Verkauf von Stimmen oder die Annahme von ungerechtfertigten Vorteilen für die Ausübung des Mandats sind immer noch nicht strafbar. "Was wir hier erleben, ist ein Trauerspiel", sagt Lobbycontrol-Mitarbeiter Timo Lange. "Schwarz-Gelb hat das Thema immer wieder vertagt. Diese Blockade ist unverantwortlich."

Ziel: Offenlegung auf den Cent genau

Einzig im Handlungsfeld Abgeordneten-Nebeneinkünfte sieht Lobbycontrol leichte Fortschritte. Dass es ab der kommenden Legislaturperiode erweiterte Offenlegungspflichten mit neuen Stufen gibt, sei positiv zu bewerten. Allerdings verweisen die Autoren darauf, dass die Reform erst unter dem öffentlichen Druck infolge der Debatte um die Nebeneinkünfte von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zustande gekommen sei.

Warum es nur für eine gelbe und nicht für eine grüne Ampel gereicht hat? Zu Begeisterungsstürmen reißt die Arbeit der Bundesregierung die Autoren offenbar auch in diesem Handlungsfeld nicht hin. Lobbycontrol fordert eine Offenlegung auf Euro und Cent genau und bessere Sanktionsmöglichkeiten durch die Bundestagsverwaltung. Zudem kritisieren sie, dass es immer noch möglich sei, gleichzeitig Bundestagsabgeordneter und Lobbyist zu sein. Fazit: Es gibt noch viel zu tun, um die Lücken zu schließen. Umso dringender seien Verbesserungen nach der Wahl. "Die nächste Bundesregierung muss zeigen, dass sie das Problem Lobbyismus ernst nimmt und entsprechend handelt", sagt Lange. Ganz gleich, wem die Wähler am 22. September das beste Zeugnis ausstellen.

Quelle: ntv.de

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