Mann, Schwarz-Gelb, Politiker Merkel sucht Bundespräsidenten
31.05.2010, 22:41 Uhr
Merkel sagte, sie bedaure Köhlers Rücktritt "auf das Allerhärteste".
(Foto: dpa)
Nach dem spektakulären Rücktritt von Bundespräsident Köhler bleiben 30 Tage, um das Amt neu zu besetzen. Es solle ein Kandidat sein, der "eine Chance hat, von allen akzeptiert zu werden", sagt Bundeskanzlerin Merkel. Ein Koalitionspolitiker nennt die Kriterien: "Kein Exot, schwarz-gelbe Parteizugehörigkeit, verfügbar, bekannt." Für die potenziellen Kandidaten gilt das Gesetz des Schweigens: "Dafür bewirbt man sich und dazu äußert man sich nicht und das schließt man auch nicht aus", sagt Niedersachsens Ministerpräsident Wulff.
Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler sucht Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Nachfolger, der zwar aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition kommt, aber mit Zustimmung aus anderen Parteien rechnen kann. Es solle ein Kandidat sein, der "eine Chance hat, von allen akzeptiert zu werden", sagte Merkel in einem Interview von ARD und ZDF. CDU/CSU und FDP würden sich zunächst auf einen Vorschlag einigen und dann "auf die anderen zugehen".
Die Frage des Geschlechts werde dabei keine Rolle spielen. Der künftige Kandidat könne ein Politiker sein. Merkel erklärte aber auch: "Der heutige Tag darf nicht dazu führen, dass Seiteneinsteiger in der Politik keine Chance mehr haben." Die Kanzlerin verwies darauf, dass die schwarz-gelbe Koalition bei der anstehenden Neuwahl des Staatsoberhaupts in der Bundesversammlung eine klarere Mehrheit habe als bei der Wiederwahl Köhlers vor einem Jahr.
Merkel wies Vorwürfe zurück, Köhler gegen die Kritik an seinen umstrittenen Interview-Äußerungen zum Sinn von Militäreinsätzen nicht genug in Schutz genommen zu haben. Von einer Nachfrage des Bundespräsidialamts nach Unterstützung "ist mir nichts bekannt", sagte sie. Die Regierungssprecher hätten darüber mit dem Präsidialamt gesprochen, und dieses habe Köhlers Äußerungen auch klargestellt. Sie habe sich an die übliche Regelung gehalten: "Die Bundeskanzlerin fängt nicht an, die Äußerungen des Staatsoberhaupts zu interpretieren." Bereits in der vergangenen Woche hatte Merkel über eine Sprecherin erklären lassen, dass sie als eines der Verfassungsorgane der Bundesrepublik zu den Äußerungen des Verfassungsorgans Bundespräsident keine Stellung nehmen werde.
Allgemein wurde Köhlers Rücktritt in Berlin mit Unverständnis aufgenommen.
Merkel war überrascht
Köhler hatte um 14.00 Uhr in einer kurzfristig angekündigten Presseerklärung seinen Rücktritt mitgeteilt. Zwei Stunden zuvor hatte er Merkel telefonisch informiert. Diese Information sei "absolut überraschend" gekommen, sagte Merkel. Ihr sei in einer CDU-Präsidiumssitzung ein Zettel mit dem dringenden Wunsch Köhlers nach einem Gespräch gereicht worden. Sie habe zunächst gedacht, es gehe um die tödliche Auseinandersetzung zwischen der israelischen Marine und Schiffen propalästinensischer Aktivisten auf dem Weg zum Gaza-Streifen. Es sei ihr dann nicht gelungen, ihn umzustimmen. "Er war sehr entschlossen."
Fragen zu konkreten Personalien wehrte Merkel mit dem Hinweis ab, dass zunächst Köhlers Leistung gewürdigt werden solle. Auch in einer abendlichen Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums sei es noch nicht um die Nachfolge-Frage gegangen, sagte ein Teilnehmer.
"Schwarz-gelb, verfügbar, bekannt"
Dennoch wurden einige Namen bereits in den Ring geworfen. Schon bis zum 30. Juni muss die Bundesversammlung zusammentreten, die den Präsidenten wählt.
Ein Koalitionspolitiker sagte der Nachrichtenagentur Reuters, angesichts der Dringlichkeit werde es wenig Experimente geben. Ganz allgemein gelte bei der Auswahl eines Kandidaten oder einer Kandidatin diesmal: "Kein Exot, schwarz-gelbe Parteizugehörigkeit, verfügbar, bekannt."
Stoiber, Lammert, von der Leyen, Schäuble, Koch
Das CSU-Vorstandsmitglied Paul Linsmaier schlug den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber vor. In Berlin werden dem CSU-Politiker aber keine Chancen eingeräumt. In Union und FDP wird über Personen wie Bundestagspräsident Norbert Lammert, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, Finanzminister Wolfgang Schäuble, den scheidenden hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers oder den früheren FDP-Chef Wolfgang Gerhardt spekuliert.
Rüttgers, der derzeit mit der SPD Sondierungsgespräche über eine große Koalition führt, forderte eine rasche Entscheidung, betonte aber gleichzeitig: "Meine Aufgabe ist in Nordrhein-Westfalen."
Auch der Name Klaus Töpfer kursiert wieder. Der 71-jährige ist der ehemalige Chef der UN-Umweltprogramms UNEP. Der CDU-Politiker genießt hohes Ansehen, er war schon 2004 für das Bundespräsidentenamt im Gespräch. Heute ist er Gründungsdirektor des Instituts für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit in Potsdam.
Käßmann und Schröder
Aber auch aus der Opposition kamen Vorschläge, denen allerdings keine Chancen eingeräumt werden. So schlug der niedersächsische SPD-Landesverband Margot Käßmann, die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), vor. CDU-Vorstandsmitglied Friedbert Pflüger nannte den letzten SPD-Fraktionsvorsitzenden in der DDR-Volkskammer, den Theologen Richard Schröder.
Von den jüngeren Unionspolitikern werden dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff Chancen eingeräumt. Wulff vermied eine Antwort auf die Frage, ob er als Kandidat zur Verfügung stehe. "Es ist einfach ein großer Fehler, wenn man Namen ins Gespräch bringt oder Namen kommentiert, weil es dem Amt des Bundespräsidenten schadet", sagte der CDU-Bundesvize. "Dafür bewirbt man sich und dazu äußert man sich nicht und das schließt man auch nicht aus." Ihm sei es "enorm wichtig", das Amt nicht mit Spekulationen irgendwelcher Art zu belasten.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP/rts