Politik

Neuer Anlauf für Gemeinsamkeit Merkel und Sarkozy hadern miteinander

Berlin und Paris denken immer weniger in deutsch-französischen Kategorien. Der Dissens ist zur Norm geworden, darüber können nette Gipfelgesten kaum hinwegtäuschen. Doch die anstehenden Aufgaben lassen sich nur gemeinsam lösen.

Sarkozy und Merkel in Deauville.

Sarkozy und Merkel in Deauville.

(Foto: dpa)

Wieder einmal treffen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy in Berlin und wieder einmal ist es ein Krisentreffen. Nach Monaten erstmals unter vier Augen, sollen an diesem Freitag der nächste EU-Gipfel vorbereitet und alle anstehenden internationalen Fragen erörtert werden. Davon gibt es eine ganze Reihe, und egal wohin man schaut, Deutschland und Frankreich sind eigentlich immer verschiedener Meinung.

Drei Beispiele, ein Problem

Beispiel Nummer Eins: Das neue Hilfspaket, um den Bankrott Griechenlands abzuwenden. Deutschland will, dass ab sofort auch private Gläubiger einen Teil der Lasten tragen sollen. Finanzminister Wolfgang Schäuble möchte Banken und Versicherungen "substanziell" einbinden, sie sollen ihre alten griechischen Bonds gegen neue mit einer längeren Laufzeit von sieben Jahren umtauschen und das überschuldete Land so um 30 Milliarden Euro entlasten und ihm mehr Zeit verschaffen. Frankreich hingegen will, so wie viele andere Euro-Länder auch, lieber eine freiwillige Beteiligung der Investoren erreichen. Die enge Abstimmung aus dem vergangenen November, als Europa sprachlos vor der deutsch-französischen Allianz stand, die zur Rettung des Euro auszog, ist jedenfalls Vergangenheit. Vieles deutet darauf hin, dass Merkel Sarkozy in dieser Frage nun entgegenkommt und damit einen Kompromiss ermöglicht.

Beispiel Nummer Zwei: Die Besetzung des EZB-Chefpostens. Während Deutschland hinter verschlossenen Türen eine tragbare Lösung aushandeln und dann mit einem abgestimmten Namen an die Öffentlichkeit gehen wollte, wählte Sarkozy einen Italien-Besuch, um sich für den italienischen Notenbanker Mario Draghi als künftigen Präsidenten der Europäischen Zentralbank auszusprechen. Dabei galt als ausgemacht, dass zum Ende der Amtszeit des Franzosen Jean-Claude Trichet im Oktober diesmal nicht Frankreich, sondern Deutschland das entscheidende Wort über den Chefposten haben sollte. Nachdem Merkel mit dem Rücktritt von Bundesbankpräsident Axel Weber ihren Kandidaten verloren hatte, bleibt ihr nur die Wahl, Sarkozy öffentlich zu widersprechen oder sich seiner Meinung anzuschließen.

Beispiel Nummer Drei: Die Libyen-Politik. Deutschland hat sich im UN-Sicherheitsrat bei der Libyen-Resolution enthalten. Frankreich beteiligt sich hingegen am militärischen Vorgehen gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi und preschte zudem mit der Anerkennung des Rebellenrates in Bengasi vor.  , in der Bundesregierung gibt es allerdings Stimmen, die Sarkozy unterstellen, er wolle mit seiner übergroßen Interventionsfreude in Nordafrika lediglich die peinliche Nähe der französischen Führung zu den bisherigen Machthabern in der arabischen Welt vergessen machen.

Miteinander essen, miteinander reden

Mitterand und Kohl 1984 in Verdun.

Mitterand und Kohl 1984 in Verdun.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wie so oft wirft Frankreich Deutschland eine gewisse Zögerlichkeit vor, während Deutschland von Frankreich ein durchdachteres und abgestimmteres Vorgehen verlangt. Ohnehin scheint die deutsch-französische Abstimmung seit der Einigung über den Euro für beide Seiten erheblich an Bedeutung verloren zu haben. Die früher eigentlich im Sechs-Wochen-Rhythmus geplanten informellen Blaesheim-Treffen der Kanzlerin und des Präsidenten sind sanft entschlafen. Theoretisch gibt es sie immer noch, aber weder Sarkozy noch Merkel legen großen Wert auf gemeinsame Restaurantbesuche. Stattdessen telefonierten beide häufig, heißt es aus dem Bundeskanzleramt.

Inhaltlich wird dabei allerdings nicht allzuviel geklärt. Zu Zeiten der Kanzler Kohl, Schröder und Schmidt habe es ständig einen regen Informationsaustausch gegeben, mahnen Diplomaten hinter den Kulissen bereits. Noch scheint die deutsch-französische Freundschaft jedoch nicht verloren. Beim G8-Gipfel in Deauville hatten sich Merkel und Sarkozy charmant und zugewandt im Umgang miteinander gezeigt. Merkel wird zudem nachgesagt, sie bemühe sich durchaus um ein gutes Verhältnis zu dem oft als eitel und selbstverliebt beschriebenen Sarkozy.

Neues Ungemach

Allerdings ist Sarkozy schon wieder im Wahlkampf, er will im kommenden Jahr wiedergewählt werden. Deshalb wird es ihm wichtig sein, im Zweifel die eigene Ansicht kraftvoll zu vertreten. Schon lauern die nächsten Differenzen, seit dem Atomunglück von Fukushima hat Merkel den deutschen Atomausstieg zu ihrer Herzensangelegenheit gemacht. Sarkozy steht für das französische Bekenntnis zur Nuklearenergie und die Überzeugung, ohne eine weitere Nutzung der Kernenergie, werde die Erderwärmung nicht zu bremsen sein. Auch in der Nahost-Frage droht weiteres Ungemach, - die deutsche Bundeskanzlerin lehnt dies ab.

Vielleicht wäre es tatsächlich hilfreich, einander häufiger zu sehen. Die Zeit der großen Gesten, wie einst der Händedruck von Helmut Kohl und François Mitterrand über den Gräbern von Verdun, mag vorbei sein. Jüngst hat sich der SPD-Politiker Peer Steinbrück in einer von der der "Zeit"-Stiftung geförderten "Lecture de l'Académie de Berlin" intensiv mit dem beschäftigt, was vor gar nicht allzulanger Zeit noch die deutsch-französische Freundschaft hieß. Steinbrück fing bei Richelieu an und hörte bei der politischen Kultur auf. Auf der einen Seite die skeptischen, beinahe anarchischen französischen Citoyens, auf der anderen Seite der ein wenig glanzlose deutsche Staatsbürger mit seiner Sehnsucht nach Ordnung und Vorhersehbarkeit. Das so ungleiche Paar Frankreich-Deutschland brauche mehr denn je eine gemeinsame Aufgabe, war schließlich Steinbrücks Fazit. Davon liegen jedenfalls genug auf dem Tisch.

Quelle: ntv.de, mit rts

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