Politik

Ministerpräsidenten auf Linie Merkel vertröstet auf 2010

Unmittelbar vor ihrem Stuttgarter Bundesparteitag streitet die CDU weiter über den richtigen Kurs in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte erneut klar, dass es vor den Bundestagswahlen keine Steuersenkungen geben wird. In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" kündigte die CDU-Chefin zugleich eine Reform der Einkommensteuer für die Wahlperiode nach 2009 an.

Die von einigen EU-Ländern angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer zur Ankurbelung des Konsums will Merkel nach wie vor nicht mitmachen. "Eine solche Maßnahme wäre nicht zielgenau und garantiert nicht den gewünschten Erfolg. Sie würde die öffentlichen Haushalte enorm belasten, ohne dass sicher ist, was bei den Konsumenten letztlich ankommt", sagte sie.

SPD für Gutscheine

"Die CDU möchte für die kommende Legislaturperiode eine Steuerreform verwirklichen, die wieder mehr Leistungsgerechtigkeit für die Steuerzahler herstellt", sagte Merkel. Ein einheitlicher Steuer-Freibetrag von 8000 Euro für Erwachsene und Kinder sei hilfreich. Der CDU-Parteitag beginnt an diesem Sonntag mit Beratungen von Vorstand und Präsidium.

Der CDU-Parteitag beginnt an diesem Sonntag mit Beratungen von Vorstand und Präsidium. Merkel erhielt von vielen Spitzenpolitikern ihrer Partei Rückendeckung, die vor einer schnellen Entlastung der Bürger wegen drohender Milliardenkosten warnen. SPD-Chef Franz Müntefering zeigte dagegen Sympathie für die Idee, Bürger mit geringem Einkommen mit Gutscheinen zügig zu entlasten.

Glos-Plan für Steuersenkung

Der "Focus" hatte berichtet, Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) plane eine Senkung der Einkommensteuer um 25 Milliarden Euro. Das Konzept ziele vor allem auf Normalverdiener, berichtet das Magazin. Der Grundfreibetrag solle zwar nur geringfügig um 336 auf 8000 Euro steigen. Die Steuersätze lägen aber zum Teil deutlich niedriger.

Zudem werde es für Geringverdiener "wesentlich attraktiver", mehr zu arbeiten, zitiert das Magazin aus einem Papier des Wirtschaftsministeriums. So liste das Ministerium als Entlastung einer alleinstehenden Arbeitnehmerin mit 20.000 Euro Bruttoeinkommen ein Netto-Plus von 477 Euro pro Jahr auf. Ein Doppelverdiener-Ehepaar mit insgesamt 56.000 Euro hätte nach dem Tarif sogar 1696 Euro jährlich mehr zur Verfügung.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) bekräftigte, dass er derzeit kein weiteres Konjunkturprogramm auflegen wolle. "Ich halte es nicht für redlich, den Eindruck zu erzeugen, dass wir gegen diese Rezession mit Staatsknete anfinanzieren könnten", sagte er dem "Spiegel".

Oettinger auf Merkels Linie

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sprach sich wie Merkel gegen rasche Steuersenkungen aus. Der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz, "den ich sehr achte, hat in dieser Frage Unrecht", sagte Oettinger. "Wir dürfen jetzt nicht Hals über Kopf die Leitlinien unserer Haushaltspolitik über Bord werfen." Merz hatte sich für schnelle Entlastungen ausgesprochen. Bundesbildungsministerin und CDU-Vize Annette Schavan warnte in der "Passauer Neuen Presse": "Wir dürfen jetzt nicht in Aktionismus verfallen."

Der Wirtschaftsflügel der Union kritisiert dagegen die Zurückhaltung der Kanzlerin und fordert schnelle Entlastungen der Bürger. "Wenn von 1000 Euro Weihnachtsgeld nur 300 Euro netto in der Tasche bleiben, regt dies weder den Konsum an, noch ist es ein Anreiz mehr zu arbeiten", sagte der Chef der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, Josef Schlarmann. "Die Einkommensteuer für die mittleren Einkommen muss deutlich gesenkt werden."

Müller für alte Pendlerpauschale

Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) forderte eine rasche Steuersenkung. Wie die CSU forderte er zudem die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer. In der derzeitigen Lage sei Wachstumsförderung wichtiger als Haushaltskonsolidierung, sagte Müller der "Süddeutschen Zeitung". Ihm schwebe vor, möglichst bald zur alten Pendlerpauschale zurückzukehren, die Steuern für niedrige und mittlere Einkommen zu senken und die so genannte kalte Progression zu bekämpfen, sagte Müller. Er wisse zwar, dass das derzeit mit der SPD nicht zu machen sei. "Aber wir dürfen den Kurs der Union nicht auf den Koalitionskompromiss reduzieren."

Zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur kann sich Müller die Ausgabe von Konsumgutscheinen vorstellen. "Das ist zumindest sinnvoller als vieles andere, was derzeit diskutiert wird."

Fast alle Ministerpräsidenten hinter Merkel

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) warnte vor schnellen Steuersenkungen. Eine Steuerreform sei eine "strukturelle Entscheidung für Jahrzehnte", sagte er im Hessischen Rundfunk. Auch Koch betonte jedoch, die CDU strebe eine Steuerreform an, die mit der SPD nicht zu machen sei. Das werde sich "auch im letzten halben Jahr vor der Bundestagswahl nicht ändern".

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) lehnte rasche Steuersenkungen ebenfalls ab. "Wir dürfen nicht zulassen, dass jetzt alle Dämme brechen. Diese Steuersenkungen wären die Schulden von morgen." Die Kanzlerin habe bisher "mutig den Stimmungen und Emotionen getrotzt" und überlegt gehandelt. Es sei ein "Glücksfall", dass mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) "einer an Merkels Seite steht, der sich als Fels in der Brandung erweist", sagte Tillich der "Leipziger Volkszeitung".

Unter den zehn CDU-Ministerpräsidenten stehen neben Oettinger, Koch und Tillich auch Ole von Beust (Hamburg), Christian Wulff (Niedersachsen), Dieter Althaus (Thüringen) und Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt) Steuersenkungen noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2009 skeptisch gegenüber. Auch der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, es sei richtig, das beschlossene Programm zunächst wirken zu lassen.

Quelle: ntv.de

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