Putin besucht Hannover Messe Merkel wagt Konfrontation
07.04.2013, 22:06 Uhr
Kanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin sprechen auch über strittige Themen.
(Foto: dapd)
Diplomatische Verstimmungen überschatten den Auftakt der Hannover Messe: Kanzlerin Merkel spricht Präsident Putin auf den Umgang Moskaus mit ausländischen Stiftungen an. Der weicht dem Thema lieber aus und spricht lieber über deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist bei der gemeinsamen Eröffnung der Hannover Messe mit Russlands Präsident Wladimir Putin nicht vor einem brisanten Thema zurückgeschreckt: In ihrer Rede sprach die deutsche Regierungschefin das jüngste russische Vorgehen gegen zivile Einrichtungen an, indem sie auf die Bedeutung einer offenen Gesellschaft hinwies. Damit überschatten die aktuellen Verstimmungen im deutsch-russischen Verhältnis die wirtschaftlichen Aspekte der weltgrößten Industrieschau, deren Partnerland Russland dieses Jahr ist.
Für wirtschaftlichen Wohlstand sei eine offene Atmosphäre in einer möglichst pluralistischen Gesellschaft unerlässlich, hob Merkel hervor. "Wir sind der Überzeugung, dies gelingt dann am besten, wenn es eine aktive Zivilgesellschaft gibt."
Stalin lässt grüßen
In Russland hatten jüngst Razzien bei zivilen Einrichtungen auch deutsche Organisationen getroffen, darunter die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Hintergrund ist ein neues Gesetz, wonach sich Einrichtungen in Russland, die Geld aus dem Ausland erhalten, als "ausländische Agenten" registrieren lassen müssen, ein Begriff, der seit der stalinistischen Ära belastet ist. In der Zeit des Kalten Krieges war er eine Bezeichnung für Oppositionelle, die häufig erschossen wurden oder in Arbeitslagern landeten.
Putin wird seit Jahren vorgeworfen, Menschenrechte zu verletzen und die weitere Entwicklung der Demokratie in seinem Land zu blockieren.
Putin übergeht das Thema Stiftungen
Merkel hatte das Vorgehen der russischen Behörden schon vor der Messe-Eröffnung mit Putin am Telefon erörtert und weiteren Gesprächsbedarf angekündigt. In Hannover hob sie in ihrer Rede hervor: "Wir müssen diese Diskussion intensivieren, unsere gegenseitigen Vorstellungen weiterentwickeln und auch den Nichtregierungsorganisationen, auch den vielen Vereinigungen, die wir aus Deutschland immer wieder als Innovationsmotoren kennen, in Russland eine gute Chance geben."
Noch am Freitag hatte sich Putin im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen für das Vorgehen der russischen Behörden gerechtfertigt. "Wir wollen nur wissen, wer dieses Geld bekommt und wofür dieses Geld ausgegeben wird", sagte er in Anspielung auf die Finanzierung der Stiftungen aus dem Ausland. Die Kontrollen seien kein Einschüchterungsversuch. Er bezeichnete sie als gängig und verwies auf angeblich vergleichbare Regelungen in den USA. In Hannover ging er auf das Thema dann nicht mehr detailliert ein. Er konzentrierte sich in seiner Rede auf die Aspekte der Messe, die bei Merkel erst am Schluss in den Vordergrund traten. Putin versprach, sich für den konsequenten Ausbau der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen starkzumachen. "Die Welt- und Europawirtschaften bleiben leider sehr fragil", sagte er. Umso wichtiger sei eine Intensivierung des Austausches der beiden Länder.
"Ich bin zuversichtlich, dass Russland einen starken Impuls setzt für die Zusammenarbeit", sagte Putin mit Blick auf die Messe, wo Russlands Industrie mit 176 Ausstellern ihren bisher stärksten Auslandsauftritt organisiert. Schon im Vorfeld hatte Moskau für die Messe gewichtige Vertragsabschlüsse angekündigt.
Amnesty fordert Wirtschaftsboykott
Vor der Stadthalle hatten zahlreiche Demonstranten auf Putins Ankunft gewartet. Sie wollten unter anderem auf die ihrer Meinung nach eklatanten Demokratie-Defizite in Russland hinweisen. Die Polizei sprach von etwa 350 Teilnehmern.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), selbst Ziel der Durchsuchungen Ende März, forderte von der deutschen Wirtschaft "klare Kante" gegen Russland. Deutsche Unternehmen könnten dort nur dann nachhaltig expandieren, wenn sie auf die Garantie eines rechtsstaatlichen Rahmens pochten, sagte der Russland-Experte von AI, Peter Franck, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
An der Hannover-Messe nehmen diesmal 6500 Aussteller aus 65 Ländern teil, die größte Teilnehmerzahl seit zehn Jahren. Merkel und Putin werden am Montag zu einem Messe-Rundgang erwartet. Zuvor wollen sie in Hannover am Maschsee einen Kranz für Opfer der Naziherrschaft niederlegen.
Quelle: ntv.de, ieh/dpa/rts/AFP