Politik

Tusk will mehr, als die Kanzlerin ihm geben will Merkels Freund wird lästig

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(Foto: dpa)

Die Ukraine-Krise belastet die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Das macht der Besuch des polnischen Ministerpräsidenten bei der Bundeskanzlerin deutlich. Die beiden müssen alle diplomatischen Register ziehen, um den Schein zu wahren.

Angela Merkel und Donald Tusk mögen sich. Die Bundeskanzlerin spricht den polnischen Ministerpräsidenten gern mit "lieber Donald" an. Tusk erwidert dann "liebe Angela". Einige politische Beobachter sprechen von echter Freundschaft - eine Rarität in diesem Geschäft.

Beim jüngsten Besuch Tusks in Deutschland zeigt sich allerdings, aller Zuneigung zum Trotz: Die Ukraine-Krise stellt die deutsch-polnischen Beziehungen auf eine Probe. Merkel und Tusk setzen auf verbale Konstruktionen, die den Eindruck erwecken sollen, dass sie durchweg einer Meinung sind. Doch das sind sie nicht.

In die gemeinsame Pressekonferenz vor ihren Beratungen mit dem Ministerpräsidenten steigt Merkel noch mit einer Sichtweise ein, die unter ihnen tatsächlich Konsens ist. "Russland hat die Möglichkeit - oder hätte sie -, die Separatisten auch auf einen friedlichen Weg der Verfassungsdiskussion und Wahlvorbereitung zu bringen", sagt sie. "Solche Signale sind bis jetzt leider ausgeblieben." Dann wird sie ein wenig mutiger: Die Außenminister der Europäischen Union würden sich "baldmöglichst" treffen, um weitere Strafmaßnahmen ins Auge zu fassen. Gemeint sind Strafmaßnahmen der Stufe 2 des EU-Sanktionsplans. Vorerst also weiterhin keine Wirtschaftssanktionen wie sie die USA fordern. Eine klare Ansage.

Polen fürchten um ihre Unabhändigkeit

Als es dann aber an die Punkte geht, die zwischen Deutschland und Polen besonders kritisch sind, werden Merkels Ausführungen zusehends schwammiger. Schon seit Wochen fordert Tusk eine weitreichende Reform der europäischen Energiepolitik. Denn zuhause steht er unter Druck. Die Angst vor Moskau ist in Polen besonders groß. Einer Umfrage des staatlichen Instituts CBOS zufolge sehen 47 Prozent der Polen die Unabhängigkeit ihres Landes durch Russlands Außenpolitik bedroht. Große Sorge bereitet ihnen die Energieversorgung. Polen bezieht 70 Prozent seiner Gas- und mehr als 90 Prozent seiner Öllieferungen aus Moskau.

Tusk fordert darum eine europäische Energieunion. Die Mitgliedstaaten der EU sollen gemeinsam Gas und Öl einkaufen. Möglichst nicht in Russland. Zugleich sollen sich die EU-Staaten dazu verpflichten, ihren Partnern auszuhelfen, sollte dort nicht ausreichend Gas und Öl vorhanden sein. Kurzum: gemeinsamer Einkauf und gemeinsame Haftung. Obendrein pocht Tusk darauf, wieder verstärkt auf Kohlestrom und Fracking zu setzen. Wohl auch, weil es in Polen eine gewaltige Industrie rund um den Klimakiller gibt. Es gehe darum, sich unabhängig von Russland zu machen.

Merkel hält nicht viel von gemeinsamer Haftung

Merkel sagt, dass sie Tusks Vorschläge "im Grundsatz" unterstütze. Sie sagt, es sei ein gemeinsamer Energiebinnenmarkt notwendig, es müsse gemeinsame Strukturen geben. Es gehe darum, sowohl private als auch staatliche Bereiche der Energieversorgung besser zu bündeln. Von einem zentralisierten Einkauf, gemeinsamer Haftung oder Kohle und Fracking ist aber keine Rede. So gut es sich anhören mag, mit "im Grundsatz" einig ist wohl gemeint, dass sie Tusk zustimme, dass die EU sich unabhängiger von russischen Lieferungen machen müsse. Mehr nicht.

Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert hatte schon wenige Tage zuvor gesagt, "dass alle Maßnahmen und Lösungen im Rahmen unserer marktwirtschaftlichen Ordnung stattfinden müssen." Merkel selbst machte bei etlichen anderen Entscheidungen deutlich, dass sie sich nur bedingt auf mehr Europa einlassen möchte. Gegen die gemeinsame Haftung von Eurostaaten sperrte sie sich stets, so gut es ging. Dennoch spricht sie den polnischen Ministerpräsidenten wieder mit "lieber Donald" an, als sie das Wort an ihn übergibt.

Tusk steht der Kanzlerin dann auch diplomatisch in nichts nach. Er macht unmissverständlich klar, dass die größte Herausforderung von heute ein sicheres Europa sei. "Niemand wünscht sich einen militärischen Konflikt", so Tusk. Er nennt die Energieunabhändigkeit als besonders wichtiges Vehikel. Aber er habe natürlich Verständnis dafür, dass am Ende eine Energieunion stehen müsse, "in der sich alle auch wohlfühlen". Mit einer scheinbar harmlosen Floskel setzt er allerdings einen entscheidenden Akzent. "Die Parole 'einer für alle, alle für einen muss' sich auch hier widerspiegeln." Tusk fordert von Merkel mehr, als sie ihm geben will. Gerade jetzt in der Ukraine-Krise soll das aber nicht allzu deutlich werden. Da ist schließlich Geschlossenheit gefragt.

Der Auftritt der beiden dauert nur ein paar Minuten. Kaum hat Tusk sein letztes Wort gesprochen, machen der Ministerpräsident und die Kanzlerin kehrt. Ohne eine Frage zuzulassen verlassen sie den Raum und ziehen sich zu einem Gespräch zurück. Womöglich geht es dabei aller Freundschaft zum Trotz nicht mehr ganz so vorsichtig zu.

Quelle: ntv.de

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